Illegales Material im Wald verbaut
Zum Teil fanden Behörden krebserregenden Bauschutt – Müll bei Wegebau enstorgt
- Abschnitte von mehr als 40 Waldwegen in Baden-Württemberg wurden in den vergangenen Jahren mit verbotenen Materialien gebaut. Zum Teil enthielten sie krebserregende Stoffe. Umweltschützer und SPD fordern, die Landesregierung müsse strengere Kontrollen veranlassen. Nur so lasse sich verhindern, dass gefährliche Chemikalien aus Waldwegen ins Grundwasser oder den Boden gelangen.
So baute ein Unternehmen 700 Meter Waldweg im Landkreis Ravensburg. Das Landratsamt wurde durch eine anonyme Anzeige auf den Fall aufmerksam. Messungen ergaben: Der verwendete Bauschutt enthält polyaromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), und zwar doppelt so viele wie erlaubt. Die Stoffe stehen im Verdacht, Krebs zu erregen. „Es dauert aber, bis die Chemikalien ausgewaschen werden, eine Gefahr besteht sicher erst nach längerer Zeit“, sagt Gottfried May-Stürmer von der Umweltorganisation BUND.
Der Verursacher musste das belastete Material wieder ausgraben. Allerdings wehrt sich der Betroffene gegen die Anordnung, die Sache landete vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen, der Prozess steht noch an. In Biberach fanden Kontrolleure in zehn Fällen illegale Baumaterialien im Wald, nach Auskunft des Landratsamtes jedoch keine hoch belasteten. Es habe sich jeweils nur um wenige Meter gehandelt. Beides gilt nach Angaben eines Sprechers auch für jene vier Fälle im Alb-Donau-Kreis, die bisher bekannt sind. Weitere ähnlich gelagerte Probleme gab es in Einzelfällen überall im Land, darunter im Ostalbkreis und im Landkreis Tuttlingen.
Lücken im System
Grundsätzlich ist es verboten, Bauschutt wie etwa alte Dachziegel im Wald zu verbauen. Ausnahme: zerkleinertes, sortiertes und von Schadstoffen gereinigtes Material. Eine unabhängige Stelle untersucht diesen Schutt und zertifiziert dessen Unbedenklichkeit. Will ein Abrissunternehmen solches Material verkaufen oder zum Bau verwenden, muss es die Zertifikate vorlegen. In Naturschutzgebieten sind die Vorschriften noch strenger. Rund 65 Prozent der Wälder im Südwesten gehören dem Land oder einer Gemeinde. Hier erfährt es das Forstamt automatisch, wenn Wege neu gebaut oder ausgebessert werden. Dementsprechend können sie kontrollieren, ob das Material den Vorgaben entspricht.
Fachmann May-Stürmer vom BUND sieht jedoch Lücken im System. „Im Privatwald erfahren die Behörden nicht zwangsweise von Wegearbeiten. Deswegen sind sie dort auf Hinweise angewiesen, um Verstöße aufzudecken.“Selbst in Gemeindeund Staatswäldern würden zu wenige Kontrollen durchgeführt. „In der Regel geben sich die Ämter zufrieden, wenn ihnen ein Unternehmen die Unbedenklichkeitszertifikate für Bauschutt vorlegt. Aber ob eine Firma dann das Material im Wald verbaut, das es zertifizieren ließ, ist noch lange nicht gesagt.“
Zu wenig Überblick
Die SPD hatte bei Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) nachgefragt. Sie wollte wissen, wie viele Vorkommnisse den Behörden bekannt sind. Ergebnis: 45-mal beanstandeten Ämter Material auf Waldwegen. Nicht alles war mit Schadstoffen belastet. „Deutlich wird, dass das Umweltministerium keinerlei Überblick hat, wo Recyclingmaterial im Staatswald eingebaut wird. Für den NichtStaatswald gibt es leider überhaupt keine Erkenntnisse über den Umgang mit Verstößen, obwohl diese dort noch wahrscheinlicher sein müssten“, sagt der SPD-Abgeordnete Reinhold Gall. Er fordert strengere Kontrollen und eine bessere Zusammenarbeit der beteiligten Ämter. Recyclingfirmen müssten strenger überwacht werden, um sicherzustellen, dass sie nur unbelastetes Material weiterverwenden.
Warnung vor faulen Angeboten
Als Konsequenz aus den Vorfällen will das Umweltministerium seine Kontrolleure erneut auf die Problematik hinweisen. Weiteren Regelungsbedarf sieht die Landesregierung nicht – die bestehenden Vorschriften schlössen „den unsachgemäßen Einbau von Bauschutt im Waldwegebau aus“, heißt es in der Antwort auf die Anfrage der SPD.
Beim Landratsamt Ravensburg wünscht man sich etwas anderes. „Es könnten Überlegungen angestellt werden, ob Bauschuttmaterial grundsätzlich für den Einbau in Waldwegen geeignet ist“, so eine Sprecherin. Allerdings ist der Einsatz recycelter Materialien durchaus gewollt – im Sinne der Kreislaufwirtschaft, die einmal genutzte Rohstoffe möglichst weiterverwendet, statt sie auf Deponien zu lagern.
Denn das ist nicht nur Ressourcenverschwendung, sondern kostet Geld. BUND-Experte May-Stürmer warnt Waldbesitzer: „Wenn Ihnen ein Unternehmen kostenloses Baumaterial für Waldwege anbietet, es umsonst einbauen will – dann ist etwas faul.“Vorschriftsmäßig aufbereitetes Material sei teuer. Wer dafür kein Geld verlange, wolle wahrscheinlich illegal Material entsorgen.