„Die Frau entscheidet, was sie möchte“
(kec) - In der Schweiz ist der Bluttest auf Downsyndrom seit 2015 Kassenleistung für Risikopatientinnen. Was hat sich dadurch geändert? Kerstin Conz hat mit Thilo Burkhardt (Foto: oh) gesprochen, leitender Arzt am Universitätsspital Zürich – und Spezialist für Risikoschwangerschaften und Pränataldiagnostik.
Kritiker fürchten, dass sich Schwangere in Deutschland durch den Bluttest leichter für eine Abtreibung entscheiden. Gibt es bei Ihnen weniger Geburten von Kindern mit Downsyndrom?
Die Zahlen bleiben ungefähr gleich. Das liegt daran, dass der Anteil von Müttern über 30 Jahren weiter steigt. Und damit auch das Risiko einer Trisomie. Die Suche nach Kindern mit Trisomie 21 hat aber nicht erst mit dem Bluttest begonnen, sondern in den 1970erJahren mit der Fruchtwasseruntersuchung. Nur die Methode hat sich jetzt geändert. Damals konnte man nur durch die Entnahme von Fruchtwasser eine Trisomie 21 ausschließen. Seit etwa 20 Jahren versucht man mit dem Ersttrimester-Test die Frauen mit besonders hohem Risiko zu finden. Dadurch verliert man nicht mehr so viele Kinder durch Punktionen. Bei 1000 Punktionen verlieren im Schnitt drei Frauen ihr Baby. Der Bluttest ist dagegen ohne Risiko für gesunde Kinder.
Hat sich die Zahl der Abtreibungen durch den Bluttest in der Schweiz erhöht?
Die Zahl der Abtreibungen hat nichts mit dem Test zu tun. Wir haben nur eine neue Methode, die weniger risikoreich ist für nicht betroffene Kinder. Die Zahl der Fruchtwasseruntersuchungen ist in der Schweiz und in anderen Ländern seit dem Bluttest deutlich zurückgegangen. Dadurch haben wir sicher auch weniger Fehlgeburten.
In Deutschland soll der Test nur bei Risikoschwangerschaften erstattet werden. Wie ist das in der Schweiz?
Auch hier bekommen den Test nur Frauen, deren Risiko nach dem Ersttrimester-Test höher als 1:1000 ist. Dieses Screening ist hier auch noch an den Ultraschall gekoppelt. Wenn wir uns nur auf den Bluttest konzentrieren würden, könnten wir eine ganze Menge Krankheiten verpassen. Wachstumsstörungen oder Herzfehler zum Beispiel. Es gibt aber keinen Automatismus, dass alles gemacht wird, was von der Kasse bezahlt wird.
Wie meinen Sie das?
Die Frau entscheidet, was sie möchte, nicht die Krankenkasse. Wir machen nicht alles, was die Kasse zahlt, sondern nur, was die Frau oder das Paar auch wirklich will. Die Mutter muss allerdings auch wissen, worauf sie sich einlässt. Wenn ein Abbruch von vornherein gar nicht in Frage kommt, macht eine Pränataldiagnostik wenig Sinn – außer, man möchte sich auf ein eventuell behindertes Kind vorbereiten.