Strom für die Pampa
Rolls-Royce Power Systems sucht Bergbaukunden für seine neuen Microgrid-Systeme
- Ob Eisenerzminen im westaustralischen Outback oder Kupferbergwerke in Südamerika, die Anlagen ähneln sich. Es gibt die Fördermaschinen, die die wertvollen Rohstoffe aus dem Gestein brechen, die Wohnbaracken für die Arbeiter, die Bürocontainer der Bergbauunternehmen. Zudem liegen die Abbaustätten in aller Regel fernab von jeder Zivilisation – sind aber trotzdem auf Strom angewiesen: für die Lichter in den Schlafsälen, die Steinzerkleinerer, die Herde in der Kantine und mehr und mehr auch für elektrische Bagger.
Genau für diesen Bedarf einer zuverlässigen Stromversorgung in unwegsamen, abgelegenen und unerschlossenen Regionen entwickelt der Friedrichshafener Motorenbauer Rolls-Royce Power System (RRPS) seine Microgrid-Lösungen. Zielgruppe: Bergbauunternehmen, Ölfirmen und Gasförderer. „Bislang läuft die Energieversorgung in solchen Regionen vor allem über Dieselmotoren, die Strom produzieren“, erläutert Robert Wagner, der für Bergbau, Öl und Gas verantwortlich RRPS-Vertriebsmanager. „Unsere dezentralen Energieversorgungssysteme können nun erneuerbare Energien miteinbeziehen und Strom speichern, so dass die Anwender Kohlendioxid und Diesel sparen.“Auf der weltgrößten Messe für Baustellenund Minenfahrzeuge Bauma, auf der zurzeit in München mehr als 3700 Unternehmen ihre Produkte vorstellen, stellt RRPS die seit Januar fertiggestellten Systeme nun erstmals potenziellen Kunden vor.
Microgrids kombinieren verschiedene Energiequellen wie Dieselmotoren, Windräder und Solaranlagen mit Batterie- und Wärmespeichern. Komplexe Steuerungen stellen sicher, dass eine kontinuierliche Versorgung gewährleistet ist, dass die Dieselmotoren immer in ihrem effizientesten Bereich laufen und erneuerbare Energien in das Energiesystem einbezogen werden, so dass einerseits Stromspitzen abgefangen werden, andererseits überschüssiger Strom aus Solar- und Windanlagen nicht verpufft, sondern gespeichert wird. „Auf diese Weise braucht man an einzelnen Standorten erheblich weniger Dieselmotoren“, erläutert Wagner.
Partnerschaft mit ABB
RRPS stellt für die Microgridsysteme die Gas- und Dieselaggregate her und hat seit Anfang dieses Jahres eine Batteriespeicherstation im Angebot. In einer Partnerschaft mit dem Schweizer Industriekonzern ABB entwickelt das Traditionsunternehmen vom Bodensee seit kurzem auch die komplexen Steuersysteme. „Microgridlösungen sehen wir strategisch als sehr bedeutend an“, sagt RRPS-Vorstandschef Andreas Schell der „Schwäbischen Zeitung“. „Von 2021 an rechnen wir mit einem signifikanten Umsatz in dem Bereich und werden diesen bis 2030 kontinuierlich ausbauen. Erste Umsätze haben wir bereits über ein paar Projekte realisiert.“Die Microgrid-Offensive ist Teil der strategischen Neuausrichtung von RRPS, bei der sich das Unternehmen bis 2030 vom Motorenbauer zum „integrierten Systemanbieter“wandeln will.
Zu den bereits fertig gestellten Projekten gehört das Microsystem, das RRPS für den nordrhein-westfälischen Automobilzulieferer Winkelmann entwickelt hat. Die Lösung, die am Stammsitz des Unternehmens in Ahlen installiert ist, ist ein Beispiel, dass RRPS nicht nur in Wüsten und Urwäldern, in Gebirgen oder in der russischen Taiga nach Kunden sucht. „Die Systeme bieten auch die Möglichkeit, dass sich Kunden in Industrienationen unabhängig von nationalen Energiemärkten und großen Stromversorgern machen“, erläutert der im Bereich Energieversorgung für Kundenlösungen verantwortliche RRPS-Manager Armin Fürderer. Weitere Ziele seien der Ausgleich von Stromspitzen, die in der Regel sehr teuer sind und für die man sich mit einem Microgrid wappnet, oder auch nur die Speicherung von Energie zu Zeiten, in denen kein Strom nachgefragt wird und die Energieversorger ihre Preise senken.
In München geht es Robert Wagner aber vor allem um Kunden, die Strom auf Ölplattformen auf hoher See brauchen, an Fracking-Stationen in der Tundra, in Minen inmitten unzugänglicher Wälder oder an Bergwerken in abgelegenen Gebirgen. Der RRPS-Vertriebsingenieur will Rohstoffkonzerne wie Rio Tinto, Vale oder Anglo American für die Stromlösungen vom Bodensee gewinnen. „Wir sind in der Akquise, die Gespräche laufen“, sagt Wagner. „Ziel ist es, so bald wie möglich ein Microgrid bei einem Bergbauunternehmen als Referenzsystem aufzubauen.“Den Strom für die Steinezerkleinerer und die Kantinenbeleuchtung irgendwo in der Pampa lieferten dann nicht mehr nur Dieselaggregate, sondern auch Windräder und Solarpanele.