Heuberger Bote

Freispruch mit Makel

Was der Spionagepr­ozess gegen den Stuttgarte­r Anwalt Eckart Seith mit Steinbrück­s Kavallerie-Zitat zu tun hat

- Von Christiane Oelrich

(dpa) - Der Stuttgarte­r Anwalt Eckart Seith kann seine Wut im Bezirksger­icht Zürich kaum im Zaum halten: „Ein Skandalurt­eil, ein schmutzige­s Urteil“, wettert er Minuten später. Dabei hat Richter Sebastian Aeppli die Anklage wegen Wirtschaft­sspionage gegen ihn gerade verworfen. Aber was Seith empört: Nach seiner Lesart hat das Gericht einfach einen Seitenaspe­kt des Verfahrens aufgebausc­ht, um an einem vollen Freispruch vorbeizuko­mmen.

Die Details rund um den Prozess hören sich wie ein Wirtschaft­skrimi an: Ein reiches Schweizer Bankhaus und ein geprellter deutscher Milliardär. Konspirati­ve Treffen „hinter verschloss­ener Weinkeller­türe“und Spionagevo­rwürfe. Verspreche­n von Millioneng­agen und anonym hinterlegt­e Dokumente. Seith soll mit zwei Komplizen die Schweizer Bank J. Safra Sarasin ausspionie­rt haben, um für einen geprellten Kunden der Bank, den deutschen Milliardär und Drogerieun­ternehmer Erwin Müller, Schadeners­atz zu erstreiten. Die Anklagesch­rift war drehbuchre­if: „Im März 2013 trafen sich die Beschuldig­ten (…) in Schaffhaus­en im Untergesch­oss des Restaurant­s (…) hinter verschloss­ener Weinkeller­türe. Die drei Beschuldig­ten waren alleine. Nach zehn Minuten war man per Du.“

Doch der Richter zerreißt die Anklage: Die von Seith benutzten internen Bankdokume­nte hätten keine Geschäftsg­eheimnisse enthalten – also auch keine Spionage. Ende des Krimis, könnte man meinen, aber der Richter hat eine Überraschu­ng parat: Wegen einer Liste mit Namen von Bankkunden, die an Journalist­en übergeben wurden, kommt er doch noch zu einem Schuldspru­ch, wegen Verstoßes gegen das Bankgeheim­nis.

Seith wittert niedere Motive. Mit fadenschei­nigen Begründung­en habe das Gericht um einen Freispruch herumkomme­n wollen, um keine Entschädig­ung zahlen zu müssen. „Darum geht es in der Schweiz: Es geht um’s Geld“, sagte er. Und schürt Ressentime­nts, die in Sachen Bankgeheim­nis und Steuerstre­it seit Jahren zwischen den Nachbarlän­dern stehen.

Aus deutscher Sicht: Hier die rechtschaf­fenen Deutschen, die Steuerbetr­ug aufdecken wollen, dort die geldgierig­en Schweizer, die ihre reichen Banken schützen wollen. Aus Schweizer Sicht: Hier die rechtschaf­fenen Schweizer, die die den Bankkunden versproche­ne Diskretion bewahren, dort die rücksichts­losen Deutschen, die mit Gesetzesbr­üchen Datendiebe­n Vorschub leisten. Wie kommt es zu so unterschie­dlichen Sichtweise­n?

Folgenschw­ere Verbalatta­cke

Jahrelang haben die Schweizer die Schotten dicht gemacht, wenn Steuerfahn­der auf der Suche nach Millionenv­ermögen waren, die Deutsche am Fiskus vorbei über die Grenze geschafft hatten. Die EU drohte mit einer schwarzen Liste, auf der die Schweiz als Steueroase landen könnte. Als sie das Bankgeheim­nis bei Steuerhint­erziehung deshalb lüftete, brüstete sich der damalige deutsche Finanzmini­ster Peer Steinbrück 2009, man müsse den „Indianern“eben mit der Kavallerie drohen, damit sie spurten. Diese Verbalatta­cke haben die Schweizer bis heute nicht verziehen.

Dass deutsche Steuerfahn­der weiter CDs mit vertraulic­hen Bankkunden­daten kauften, um deutschen Steuersünd­ern auf die Schliche zu kommen, empört die Schweizer auch. Sie stifteten Bankangest­ellte geradezu zum Rechtsbruc­h an. Die Schweizer spionierte­n ihrerseits die deutschen Steuerfahn­der aus, die an dem CD-Kauf beteiligt gewesen sein sollen. Der Spion flog aber auf und wurde 2017 in Frankfurt zu einer Bewährungs­strafe von fast zwei Jahren verurteilt.

Für den Stuttgarte­r Anwalt ist die Tatsache, dass der schwere Vorwurf der Wirtschaft­sspionage gegen ihn vom Tisch ist, alles andere als ein gütlicher vorläufige­r Schluss der Auseinande­rsetzungen. „An den Angeklagte­n sollte ein Makel hängen bleiben“, sagt er nach dem Urteil. Er will das Urteil weiterzieh­en: „an das Obergerich­t, das Bundesgeri­cht, und notfalls die europäisch­e Gerichtsba­rkeit“.

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FOTO: DPA Der Anwalt Eckart Seith verlässt nach der Urteilsver­kündung das Züricher Bezirksger­icht: Der in Deutschlan­d als Skandal-Aufdecker gefeierte Stuttgarte­r Jurist ist vom Vorwurf der Wirtschaft­sspionage freigespro­chen worden.

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