Heuberger Bote

Fußgänger sind besonders gefährdet

Meist sind sie bei Unfällen nicht die Schuldigen – Allianz stellt Studie vor

- Von Elke Richter und Ralf Müller

ISMANING (dpa) - Fußgänger haben keine Knautschzo­ne – und sind im Straßenver­kehr besonders gefährdet. Welchen Risiken sie als Verkehrste­ilnehmer ausgesetzt sind, hat der Versicheru­ngskonzern Allianz in einer in dem Münchner Vorort vorgestell­ten Studie untersucht. Enthalten sind auch Vorschläge, wie sich die Opferzahle­n reduzieren ließen. Bei der Auswertung von 411 Unfallakte­n, der Ergebnisse einer Befragung von 1300 Personen in Deutschlan­d und der Schweiz sowie bei Versuchen mit Fußgänger-Dummies zeigte sich, dass Rückwärtsf­ahren beim Ein- oder Ausparken eine größere Rolle im Unfallgesc­hehen spielt als bisher angenommen. 23 Prozent der Unfälle ereignen sich beim Rückwärtsf­ahren. „Senioren bleiben die größte Risikogrup­pe“, sagte Christoph Lauterwass­er vom Allianz Zentrum für Technik. Hier weitere Erkenntnis­se.

Das Risiko: Generell ist der Straßenver­kehr sicherer geworden. Das Zufußgehen ist jedoch statistisc­h betrachtet – noch vor dem Fahrradfah­ren, dem motorisier­ten Individual­verkehr und dem öffentlich­en Verkehr – die gefährlich­ste Fortbewegu­ngsart. 2018 lag der Anteil der Fußgänger an den Verkehrsto­ten bei etwa 14 Prozent: 457 Fußgänger starben. Nach Angaben des Statistisc­hen Bundesamts bedeutete dies zwar einen Rückgang im Vergleich zum Vorjahr, seit der Jahrtausen­dwende aber nahm der Anteil leicht zu. Die bestehende­n Gefahren:

Besonders gefährdet sind Fußgänger in der Zeit von Oktober bis Februar, innerorts und in der Dämmerung oder bei Dunkelheit. Bei Unfällen in der Nacht gibt es besonders viele Todesopfer. Der typische Unfall: Bei 87 Prozent aller tödlichen Fußgängeru­nfälle sind Autos und Laster involviert, deren Fahrer zumeist auch die Hauptunfal­lverursach­er sind. „Fußgänger sind eher die Opfer als die Täter“, sagt Lauterwass­er. Am häufigsten kommt es zu Kollisione­n, wenn Fußgänger Straßen überqueren. Ein Fünftel sind Abbiegeunf­älle. Noch größer ist der Studie zufolge der Anteil der Unfälle mit rückwärtsf­ahrenden Fahrzeugen. Die Fehler der Fußgänger:

Der häufigste Fußgängerf­ehler ist es, beim Überqueren von Straßen nicht aufzupasse­n. Die Statistike­n legen zudem nahe, dass jeder zehnte getötete Fußgänger betrunken war. „Alkohol, Medikament­e, Drogen, Müdigkeit, Ablenkung haben als Unfallursa­che ein hohes Dunkelfeld“, heißt es bei der Allianz. Die Ablenkung: Das Smartphone ist auch aus den Händen vieler Fußgänger nicht mehr wegzudenke­n. 45 Prozent nutzten ihre Geräte auch beim Überqueren von Straßen, heißt es. Die Daten zeigen, dass zwischen einer Ablenkung durch Tippen, Musik hören und Fotos machen sowie Unfällen und Gefahrensi­tuationen signifikan­te Zusammenhä­nge bestehen. Wer über Kopfhörer Musik hört und damit die Umgebungsg­eräusche ausblendet, hat ein um das Vierfache erhöhtes Unfallrisi­ko.

Neue Gefahren: Die Allianz erwartet durch die neuen E-Scooter einen Anstieg der Unfallzahl­en. Besonders kritisch sieht Jochen Haug, Vorstandsm­itglied der Allianz Versicheru­ngs-AG, das niedrige Einstiegsa­lter von zwölf Jahren und eine mögliche Freigabe der Gehwege für langsame E-Roller. Die Opfer: Schon jetzt trifft es überpropor­tional häufig Senioren. „Mehr als die Hälfte der getöteten Fußgänger in Deutschlan­d ist älter als 64 Jahre“, berichtet Haug. „Und der Anteil stieg vergangene­s Jahr nochmals stark an, von 51 auf 56 Prozent.“

Die Kosten:

Fußgängeru­nfälle verursache­n der Allianz zufolge jährliche Kosten von mehr als zwei Milliarden Euro.

Die Chancen der Technik:

Das Hauptprobl­em sind die hohen Geschwindi­gkeitsdiff­erenzen zwischen Fußgängern und Fahrzeugen. „Wichtig ist es, Tempo 30 gezielt einzusetze­n“, erläutert Lauterwass­er. Bewährt hätten sich etwa Geschwindi­gkeitsanze­igen an Straßen. Zudem sollten Autos und Laster mit Notbremssy­stemen auch beim Rückwärtsf­ahren ausgestatt­et werden.

Mögliche Verbesseru­ngen:

Fußgänger brauchen aus Sicht der Allianz ein zusammenhä­ngendes Netz von Bürgerstei­gen, auf denen nur im Ausnahmefa­ll auch Fahrräder oder Roller fahren dürfen. Außerdem wären ein nationaler Fußverkehr­splan, eigene Unfalljahr­esberichte sowie die Erneuerung der Europäisch­en Charta der Fußgänger aus dem Jahr 1988 wichtige Ansätze.

 ?? FOTO: ALLIANZ ?? Augen auf im Straßenver­kehr: Fußgänger sind schutzlos.
FOTO: ALLIANZ Augen auf im Straßenver­kehr: Fußgänger sind schutzlos.

Newspapers in German

Newspapers from Germany