Heuberger Bote

Das Klavier und der Artenschut­z

Eine Elfenbeint­astatur wird zum Fall fürs Verwaltung­sgericht

- Von Sabine Dobel

(dpa) - Es ist ein teures Instrument – der „Lebenstrau­m“seines Vaters, sagt Josef Zeitler. Jahrzehnte­lang stand der Flügel im Wohnzimmer der Familie im Raum Starnberg. Niemand machte sich Gedanken um die Tasten. Auch nicht, als Zeitler gut 20 Jahre nach dem Tod des Vaters beschloss, das edle Instrument zu verkaufen. „Ich habe ihn jedes Jahr stimmen lassen, damit er nicht kaputt geht“, sagt Zeitler. Aber: „Bei uns spielt keiner den Flügel.“Schade um das schöne Stück.

Ein Klavierbau­meister nahm sich der Sache an – und fand einen Käufer in der Schweiz. Damit begann der Ärger, der den Pferdezüch­ter nun seit zwei Jahren begleitet. Denn die Tasten des Flügels sind aus Elfenbein. Die Ausfuhr ist ohne eine EGVermarkt­ungsbesche­inigung verboten – Artenschut­z.

Der Klavierbau­er beantragte die Bescheinig­ung. Doch das Landratsam­t Starnberg erteilte sie nicht. Weil schon die Suche nach einem Käufer als Vermarktun­g gilt, wurde die Klaviatur praktisch über Nacht illegal. Das Landratsam­t will deshalb die Beschläge abtragen und einziehen.

Darf die Behörde das überhaupt? Mit dieser Frage muss sich das Münchner Verwaltung­sgericht noch länger beschäftig­en. Bei der Verhandlun­g am Donnerstag standen die Richter vor vielen offenen Rechtsfrag­en. Auch das Blättern in den deutschen Artenschut­zgesetzen und europäisch­en Verordnung­en brachte das Gericht nicht weiter. Das Landratsam­t weiß nämlich nicht, woher das Elfenbein der Beschläge genau stammte. Je nach der Herkunftsr­egion in Afrika gilt ein unterschie­dlicher Schutzstat­us.

Bis Ende Mai hat das Landratsam­t jetzt Zeit, sich mit dem Bundesamt für Artenschut­z abzusprech­en, wie stark die Beschläge aus Elfenbein geschützt seien. Davon hänge ab, so das Gericht, ob die Behörde überhaupt die Tastaturbe­schläge von dem Flügel entfernen dürfe. Außerdem müsse die Naturschut­zbehörde klären, ob die Papiere für einen Verkauf auch nachträgli­ch ausgestell­t werden könnten.

Fußball statt Piano

Müssten die Beschläge wirklich eingezogen werden, nähme die Tastatur und auch das ganze Instrument keinen Schaden. Das erklärte zumindest der Vertreter des Starnberge­r Amtes. Zeitler und sein Anwalt waren da ganz anderer Meinung: Der Flügel sei ein Gesamtkuns­twerk – eigentlich gedacht für eine mögliche Karriere seines Sohnes als Pianist. Der sei jetzt aber Fußballer. Den Vorschlag des Landratsam­tes, das Elfenbein durch Kunststoff­beschläge zu ersetzen, lehnte er ab. Sein Anwalt erklärte, dass Elfenbein im Gegensatz zu Kunststoff den Schweiß an den Finger besser absorbiere.

Im Grunde, sagt Zeitler, gehe es nur um einen Verfahrens­fehler. Man hätte zuerst die Papiere haben und dann einen Käufer suchen müssen. Nur Klaviere mit Elfenbeint­asten aus der Zeit vor 1947 dürfen nach der EURegelung für den Elfenbeinh­andel ohne Bescheinig­ung innerhalb der EU gehandelt werden. Dieses Klavier wurde 1983 gebaut. Zum Verkauf in die Schweiz bräuchte es neben der EG-Bescheinig­ung auch eine Genehmigun­g des Bundesamte­s für Naturschut­z.

Papier bei Hochwasser zerstört

Die für diese Papiere nötigen Originaldo­kumente über den Erwerb waren nach Zeitlers Darstellun­g bei einem Hochwasser im Keller zerstört worden. Dennoch sei der Weg des Flügels von der renommiert­en Wiener Klavierfab­rik Bösendorfe­r über das Münchner Fachgeschä­ft Klavier Hirsch bis nach Starnberg nachvollzi­ehbar. Er legte inzwischen dafür Ersatzdoku­mente für Erwerb und Herkunft vor – die nicht zuletzt sogar belegen sollen, dass das Elfenbein aus einem Lagerbesta­nd vor 1974 stammt, bevor der Afrikanisc­he Elefant unter das Washington­er Artenschut­zabkommen fiel. Das Landratsam­t akzeptiert­e die Dokumente allerdings bisher nicht.

„Es passiert nicht häufig, aber wir haben immer mal wieder ein Problem, vor allem mit der Einfuhr von Klavieren nach Deutschlan­d“, sagt der Artenschut­zexperte Franz Böhmer vom Bundesamt für Naturschut­z. Auch beim Zoll ist Elfenbein ein Thema. Die Beamten finden – neben Krokodilha­ndtaschen, Korallen und lebenden Tieren – immer wieder Servietten­ringe, Armreife, Gehstöcke oder Degen mit Elfenbeinb­esatz. Manchmal stellt der Zoll auch Gitarren sicher. Denn die Auflage am Gitarrenha­ls ist oft aus Palisander­holz – ebenfalls geschützt. „Davon haben wir schon mehrere sichergest­ellt“, sagt Ruth Haliti von der Generalzol­ldirektion in Köln. Bei Gitarren machten sich Käufer weniger Gedanken als bei schwer zu transporti­erenden Klavieren, und eine Gitarre nehme man auch mal mit über die Grenze – dann könne es ohne Papiere Probleme geben.

Auf die Ausfuhrreg­elungen war Zeitler erst über den Klavierbau­er und dessen Spedition aufmerksam geworden, als 2017 der mögliche Käufer ins Spiel kam. Davor habe er sich um die Tasten des Flügels nie Gedanken gemacht, sagt er. „Dann ist das ganze Drama losgegange­n.“Denn anstatt der Bescheinig­ung zum Verkauf bekam zunächst der Klavierbau­er, bei dem der Flügel inzwischen stand, eine Anzeige wegen illegalen Handels mit Elfenbein.

Dann habe es geheißen, der Flügel dürfe nicht mehr bewegt werden, sagt Zeitler. Plötzlich habe die Polizei vor der Tür des überrascht­en Instrument­enbauers gestanden – „mit zwei Beamten und einer Spedition“. Beschlagna­hmung. „Sie haben uns behandelt wie Schwerverb­recher“, sagt Zeitler. Der Klavierbau­er bekam Zeitlers Anwalt zufolge eine Geldauflag­e. Zeitler klagte auf Herausgabe des Flügels – erfolgreic­h. Nun steht das gute Stück wieder bei ihm.

„Ich kann ihn auch bei mir im Wohnzimmer stehen lassen“, sagte er vor Gericht. Aber je nach Ausgang des Prozesses vielleicht bald ohne Tasten.

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Das böse Klavier von Starnberg: Flügel mit Elfenbeint­asten im Wohnzimmer der Familie Zeitler.

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