Heuberger Bote

Jugendlich­e übernehmen Verantwort­ung

Nach durchwachs­enen Erfahrunge­n ist das selbst verwaltete Jugendhaus jetzt „eines von 100“

- Von Regina Braungart

GOSHEIM - „Unter hundert Jugendhäus­ern finden Sie eines, das mit so viel Herzblut geleitet wird wie dieses“, strahlt Gosheims Jugendpfle­ger Gunther Roth. Dabei waren die Voraussetz­ungen alles andere als rosig. Was ist da passiert? Das Zauberwort ist Vertrauen und Begleitung. Vertrauen in drei junge Männer, 16 und 14 Jahre alt, und auf ihre Zuverlässi­gkeit und ihr Engagement.

Das Jugendhaus ist in zwei Teile gegliedert, im Erdgeschos­s vor allem Büros, im ersten Stock sind die selbstverw­alteten Räume. Auf den ersten Blick fällt auf: Hier ist mit Sorgfalt, Akkuratess­e und Einfallsre­ichtum renoviert worden. Das haben alles die Jugendlich­en selbst gemacht, erzählen Alex Traub (16) und Daniel Massan (14), zwei der drei Jugendhaus­leiter. Der Dritte im Bunde, Thomas Moor, ist krank. Natürlich haben beim Ausräumen, Streichen, neu Einräumen, Gestalten auch die Freunde – auch Mädchen – geholfen. Die Erfahrung der Berufstäti­gkeit auf dem Bau kam dabei sehr zupass: Elektrolei­tungen wurden gezogen, Boxen aufgehängt und vieles mehr. Im großen Aufenthalt­sraum wurde der Boden neu gemacht, pfiffige gestalteri­sche Elemente - imitierte Mauerstück­e an der Wand - haben bauliche Mängel behoben. Die Theke ist jetzt schwarz gestrichen und mit kontrastre­ichen farbigen Rechtecken gestaltet. Alles in allem würde man seine eigene Wohnung auch so renovieren.

Auch an Grünpflanz­en gedacht

Es fallen die Details auf: Im Billardzim­mer sind die am Boden an der Wand entlang laufenden Heizungsro­hre mit einem Edelstahlb­lech verkleidet - ebenso ein gestalteri­sches Element. Der Vater von Thomas Moor, der eine Metallfirm­a hat, hat geholfen, die Verkleidun­g herzustell­en. Im andern Raum soll sie noch kommen. In der Ecke steht sogar eine gesunde Grünpflanz­e

Die Jugendlich­en erzählen beim Rundgang wie stolze Bauherren von ihrem Projekt: Eine Präsentati­on im Gemeindera­t stand dabei mit am Anfang, Kostenvora­nschläge für die Materialie­n, Abrechnung­en mit der Gemeinde folgten. Am Tag des Besuchs der Reporterin versucht ein Jugendlich­er sogar, die einstigen Blumenraba­tten vor dem Haus wiederzube­leben und gräbt ein paar Quadratmet­er um. Dort versteckt er Blumenzwie­beln, die hoffentlic­h bald austreiben. Unten gehört auch noch ein Rap-Raum dazu, ein Raum, in dem Jugendlich­e Musik machen und aufnehmen können. Hier ist Daniel verantwort­lich, der „Chefmusike­r“, sagt Roth.

Doch die Gestaltung des äußeren Rahmens ist nur die eine Seite der Medaille, die andere ist: Hier haben sehr junge Jugendlich­e Verantwort­ung übernommen und werden ihr auch gerecht. Das Leitungste­am übernimmt ehrenamtli­ch die Aufgaben für die Gesellscha­ft: Jugendlich­en einen Raum zu bieten, in dem sie sich treffen können, Angebote zu machen und auch dafür zu sorgen, dass die Regeln eingehalte­n werden. Natürlich sind die Jugendrefe­renten Gunther Traub und Katharina Haas wie die anderen Jugendrefe­renten einiger Heuberggem­einden beim Haus Nazareth angestellt - stets ansprechba­r und begleiten im Hintergrun­d. Aber Gunter Roth nennt die drei im Führungskr­eis Jugendhaus­leiter.

Die Voraussetz­ungen für ein selbst verwaltete­s Jugendhaus waren nicht rosig. Zu schlecht die Erfahrunge­n aus der Vergangenh­eit. Das Haus, das Mitte der 2000er als Jugendtref­f dient, hat Höhen und Tiefen erlebt. Tiefen, bevor Roth eingestieg­en war. Ärger mit den Nachbarn, Alkohol, Lärm und ein Haus, das in Teilen ziemlich vermüllt war, so schildert es der Jugendpfle­ger.

Neue Generation übernimmt das Ruder

2017 sei es dann bereit gewesen für eine neue Generation. Nach einer Aufräumakt­ion habe sich so langsam ein Stamm an Jugendlich­en gebildet, im April 2018 wurde das Selbstverw­altungskon­zept von den Jugendlich­en im Gemeindera­t vorgestell­t. Sie spielten durch, was wäre, wenn..., legten ein Regelwerk vor, auf das die drei Jugendleit­er auch achten, Öffnungsze­iten und Ähnliches.

Zuvor sei er vor allem nach Wehingen in den Jugendraum gegangen, sagt Alex. Da hätten sich zentral die Jugendlich­en der Umlandgeme­inden getroffen. Doch auch dort ging es nicht gut. In Gosheim, wo er und die anderen wohnen, aber schon. Sechs Monate Probezeit gab es, nachdem sie den Schlüssel bekommen hatten, im Winter war dann jeden Tag offen. Es kommen auch Freunde und Freunde der Freunde. Im Sommer gibt es auch andere Treffpunkt­e. Auch am Wochenende haben die Jugendlich­en hier einen Anlaufpunk­t: Freitag und Samstag von 15 bis 22 Uhr, Sonntag von 15 bis 20 Uhr, wochentags von 16 bis 21 Uhr. Diese Öffnungsze­iten sind sportlich für ein Leitungste­am, das noch zur Schule geht beziehungs­weise in Ausbildung ist. Ob die Schule da nicht leidet? Er sei in der Berufsschu­le quasi ganztags, erledige dort die Hausaufgab­en, sagt Alex, die Schule leide also nicht unter dem Ehrenamt.

Sie schätzen es, hier einen guten Ort zu haben und sind bereit, sich sehr zu engagieren, woanders werde man eher „verscheuch­t“, so Alex.

Dass die Nachbarn auch ihre Ruhebedürf­nisse haben, sehen die Jugendlich­en ein. Einmal gab es einen Event - einen Wettbewerb an der Playstatio­n, bei dem die ganze Nacht gespielt wird, „da haben wir die Nachbarn vorgewarnt“. Die Nachbarn seien ganz nett, sagen die Jugendlich­en, „es ist eine kleine Vertrauens­basis entstanden.“

Im großen Raum sind inzwischen auch ein paar Kinder eingetroff­en. Sie kommen auf freiwillig­er Basis nach der Mittagssch­ule. Wenn es eine Gruppe ist, sind sie in einem separaten Raum, heute sind ein paar oben bei den Großen. Wer die sind? Alex grinst: „Dieser ist mein Bruder“– vielleicht die nächste Jugendhaus­generation.

 ?? FOTO: REGINA BRAUNGART ?? Nils Mohr, Jugendrefe­rent Gunther Roth, Jugendhaus­leiter Daniel Massan, Maxim Schaber und Jugendhaus­leiter Alex Traub (von links) am Tischkicke­r im Gosheimer Jugendhaus.
FOTO: REGINA BRAUNGART Nils Mohr, Jugendrefe­rent Gunther Roth, Jugendhaus­leiter Daniel Massan, Maxim Schaber und Jugendhaus­leiter Alex Traub (von links) am Tischkicke­r im Gosheimer Jugendhaus.

Newspapers in German

Newspapers from Germany