VfB holt den streitbaren Diamantengräber
Dortmund, London, Stuttgart: Sven Mislintat soll die Zukunft prägen – auch kritisch
(falx/dpa/SID) - Überraschungscoup aus dem Nichts: Er gilt als Entdecker von Hochkarätern wie Robert Lewandowski, PierreEmerick Aubameyang, Ousmane Dembele oder auch Jadon Sancho – nun soll der oft als Diamanten-Auge bezeichnete Sven Mislintat den krisengeplagten VfB Stuttgart als Sportdirektor wieder auf Kurs bringen. Und das wird nicht einfach: „Es ist eine Riesenherausforderung. Unser gemeinsamer Fokus liegt in den kommenden Wochen auf dem Kampf um den Klassenerhalt, natürlich geht der Blick aber auch schon auf die Planungen für die neue Saison“, betonte Mislintat, der sich als BVB-Chefscout einen exzellenten Ruf erworben hat und zuletzt als „Head of Recruitment“beim FC Arsenal in der englischen Premier League tätig war. Beim VfB erhält er einen Zweijahresvertrag bis 2021 – unabhängig von der Ligazugehörigkeit.
„Mit seinem Wissen, seinem Netzwerk und seiner Art, Fußball zu denken, passt er perfekt zu uns“, sagte Sportvorstand Thomas Hitzlsperger zur Verpflichtung des ehemaligen Dortmunders: „Wir stehen alle zusammen vor der großen Herausforderung, das Hier und Heute positiv zu gestalten, den Klassenerhalt zu sichern und parallel schon den VfB von morgen zu planen und aufzubauen.“Damit bekommt der Verein und nicht zuletzt Hitzlsperger selbst genau die Verstärkung, auf die der Club schon so lange wartet. „Ich wünsche mir starke Partner an meiner Seite“, hatte Hitzlsperger schon bei seiner Vorstellung im Februar verkündet. Nun ist dieser Mann in Bad Cannstatt gelandet. Und es wird – davon kann man ziemlich sicher ausgehen – eine Verbindung, die nicht nur Harmonie bereithält. Mislintat gilt als unbequeme Persönlichkeit, die offen ihre Meinung sagt. Ende 2017, als der Sportwissenschaftler Leiter Profifußball war, verließ er Borussia Dortmund wegen eines Streits mit Trainer Thomas Tuchel.
Doch genau auf solche Leute und die mit ihnen entstehende Reibung hoffen sie beim VfB, um nachhaltig wieder an alte Erfolge anknüpfen zu können. „Leute, die sehr viel von Fußball verstehen und kritisch mit mir, mit uns umgehen. Je früher wir starke Leute in den Verein reinkriegen, desto besser“, beschrieb Hitzlsperger das Anforderungsprofil damals – den entsprechenden Kandidaten hat er nun täglich neben sich.
Und verfügt der 46 Jahre alte Mislintat, der Arsenal im Februar wegen clubinterner Umstrukturierungen schon nach 14 Monaten wieder verlassen hatte, über „ein hohes Maß an Reputation. Mit seinem Wissen, seinem Netzwerk und seiner Art, Fußball zu denken, passt er perfekt zu uns“, wie der Sportvorstand sagt.
Doch nicht nur das. Auch als Erneuerer zeigte sich Mislintat immer wieder. So etablierte er beim BVB bereits 2013 den Footbonaut – ein Trainingsgerät für Fußballer, in dem die Kicker unter anderem die Reaktionsgeschwindigkeit optimieren können. Allgemein setzt Mislintat nicht nur beim Scouten auf Datensätze und digitale Innovationen.
Auch deshalb freut sich der in der Kritik stehende VfB-Trainer Markus Weinzierl auf die Unterstützung des 46-Jährigen, mit dem er zusammen den Lehrgang zum Fußballlehrer absolviert hat. „Er ist ein Supertyp und hat eine sehr gute Auffassung von Fußball“, sagte Weinzierl.
Mit seiner Expertise soll Mislintat dem VfB, der auf Relegationsplatz 16 vier Punkte Vorsprung auf die direkten Abstiegsplätze aufweist, Impulse im Kampf um den Klassenerhalt geben – am besten schon im Heimspiel am Samstag (15.30 Uhr/Sky) gegen Bayer Leverkusen. Dabei hofft Weinzierl zum wiederholten Male auf die Wende. Sein Team müsse auch mal „in der Außenseiterrolle überraschen“, sagte der 44-Jährige.
Verzichten muss Weinzierl weiter auf Kapitän Christian Gentner sowie die ebenso erfahrenen Gonzalo Castro und Dennis Aogo. „Das sind zentrale Spieler, das kommt geballt und ist ein Problem“, sagte Weinzierl.
Inwiefern Gentner und Co. auch in Zukunft eine Rolle beim VfB spielen werden, liegt auch in der Hand von Mislintat. Dieser sei ein „absoluter Experte mit hohem Renommee“, sagte der umstrittene Präsident Wolfgang Dietrich. Doch war das Michael Reschke vor seinem Amtsantritt beim VfB ebenfalls. Der Schritt in die erste Reihe gestaltete sich für den Ex-Sportvorstand dann aber nicht immer optimal. Gelegenheit für Mislintat also, das Gegenteil zu beweisen.
„Es ist eine Riesenherausforderung. Unser gemeinsamer Fokus liegt in den kommenden Wochen auf dem Kampf um den Klassenerhalt.“