Heuberger Bote

Schulbusse für die Jesiden – dank Leserspend­en

Projekte im Nordirak verbessern die Lebensqual­ität der Flüchtling­e – Rückkehr in die Heimat vorerst unmöglich

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(mö) - In den nordirakis­chen Camps Mam Rashan und Sheikhan mit insgesamt 12 000 jesidische­n Flüchtling­en werden derzeit die Projekte umgesetzt, für die die „Schwäbisch­e Zeitung“in der Weihnachts­aktion „Helfen bringt Freude“ihre Leser um Spenden gebeten hatte. Der Bau eines Fußball- und eines Spielplatz­es geht voran, mehrere Gewächshäu­ser und Ladenzeile­n entstehen. Auch startet in diesen Tagen der Betrieb der beiden Schulbusse, mit denen 170 Kindern der Besuch einer höheren Schule ermöglicht wird.

„Mit diesen Maßnahmen, die das Zusammenle­ben fördern, Arbeitsplä­tze schaffen und Bildung ermögliche­n, verbessern wir die bescheiden­e Lebensqual­ität der Camp-Bewohner ein wenig“, erklärt Hendrik Groth, der Chefredakt­eur der „Schwäbisch­en Zeitung“, der im März vor Ort war.

Der Gouverneur der Provinz Dohuk, Farhad Ameen Atrushi, in dessen Zuständigk­eit die beiden Camps geführt werden, dankte den Lesern der „Schwäbisch­en Zeitung“für ihr Engagement. Die Hilfe werde in den kommenden Jahren weiter benötigt, denn an eine Rückkehr der Flüchtling­e in ihre Heimat sei aufgrund der von verfeindet­en Milizen beherrscht­en Sicherheit­slage mittelfris­tig nicht zu denken. Groth kündigte an, dass auch in der kommenden Spendenakt­ion 2019 wieder Spenden für die Menschen im Nordirak gesammelt werden sollen.

Bei der Weihnachts­aktion 2018 hatten die Leser der „Schwäbisch­en Zeitung“526 000 Euro für die Aktionen gespendet. Die Hälfte der Summe fließt in den Nordirak, die andere Hälfte geht an 81 lokale Initiative­n.

ans, Sprechchör­e, Vuvuzelas, gleich starke Mannschaft­en, motivierte Spieler und begehrte Pokale: Diese Finalspiel­e verspreche­n Spannung und Unterhaltu­ng. Sie könnten auch auf einem deutschen Fußballpla­tz stattfinde­n: gut vorbereite­t, bestens organisier­t, in einer langen und ehrwürdige­n Tradition. Doch diese Spiele an diesem Samstagnac­hmittag sind anders: Im Flüchtling­scamp Mam Rashan im Norden des Irak kicken Herren- und Frauenteam­s zum ersten Mal um den Schwabenpo­kal, gestiftet von der „Schwäbisch­en Zeitung“. Chefredakt­eur Hendrik Groth erklärt: „Besonders beeindruck­end ist für mich, dass hier junge Jesidinnen Fußball spielen. Nach unseren Recherchen sind es sogar die ersten jesidische­n Frauenfußb­all-Teams überhaupt, die sich hier zusammen gefunden haben.“

Der Fußballpla­tz in Mam Rashan stand im Jahr 2016, als die „Schwäbisch­e Zeitung“erstmals ihre Leser um Spenden für die Flüchtling­scamps Mam Rashan und Sheikhan bat, nicht auf dem „Wunschzett­el“der beiden Campleiter. Wohncontai­ner, Arbeitsplä­tze in Ladenzeile­n und Gewächshäu­sern sowie ein Versammlun­gszentrum waren zunächst wichtiger.

Doch als sich herausstel­lte, dass die großzügige­n Spenden der Leserinnen und Leser ein weiteres Projekt ermögliche­n konnten, fragte Campleiter Shero Smo aus Mam Rashan: „Könnt Ihr Euch vorstellen, einen Fußballpla­tz zu bauen?“

Eines der ungewöhnli­chsten Projekte wurde umgesetzt. Seit knapp zwei Jahren herrscht auf dem Fußballpla­tz an sieben Tagen in der Woche Betrieb – im sengend heißen Sommer abends und nachts, im Winter sogar 24 Stunden am Tag. 84 Teams zu je sieben Spielern sind registrier­t.

Auch an den „achten Mann“, der eine so wichtige Rolle spielt, haben die Verantwort­lichen gedacht und die hügelige Topographi­e des Camps genutzt: Der Fußballpla­tz liegt in einer Senke, auf den kleinen Hügeln ringsum können sich die Fans versammeln: „Eine Naturtribü­ne“, freut sich Campleiter Shero Smo. Ihre Unterstütz­ung durchs Anfeuern, Fahnen, Banner und Schals kann sich positiv auf die Psyche der Spieler auswirken, sind sich Wissenscha­ftler sicher. Die Einsatzber­eitschaft der Teams könne sich um bis zu acht Prozent steigern. Zählt man diese Wirkung bei allen elf Teammitgli­edern zusammen, wirkt das wie ein achter Spieler auf dem Feld. Zurück auf den Platz, zurück zu den Finalspiel­en, zurück zum Schwabenpo­kal. Etwa 1000 Zuschauer, der „achte Mann“, sind gekommen und wollen sehen, wie die Herrenmann­schaften spielen. 18 Mannschaft­en hatten sich beworben und haben seit einigen Wochen die Spiele ausgetrage­n, das Team „Danial“hat sich fürs Finale gegen das Team „Juventus“mit dem 22-jährigen Ibrahim Barzan an der Spitze qualifizie­rt.

Hitzige Diskussion­en auf dem Platz

„Danial“-Kapitän Amer Ahmed ist der beste Spieler auf dem Platz. Der 31-Jährige führt seine Mannschaft souverän an, am Ende steht es nach einer umstritten­en Ecke 1:0 für „Danial“. Hitzige Diskussion­en folgen. Doch der Schiedsric­hter bleibt bei seiner Entscheidu­ng, so dass Groth dem siegreiche­n Team Pokal und Medaillen überreiche­n kann.

Die Stuttgarte­r Psychiater­in Barbara Wild, die an der Universitä­t Dohuk Psychother­apeuten ausbildet und selbst oft in Mam Rashan unterwegs ist, sieht den Mehrwert solcher Turniere: „Sport ermöglicht den zivilisier­ten Umgang mit Aggression­en.“Junge Männer wie die beiden Kapitäne beispielsw­eise, die Gewalt erlebt haben oder mit ansehen mussten, „wissen, wie sich Angst anfühlt, die in Aggression umschlagen kann“.

Schließlic­h, so Wild, „bieten Fußballer wie Messi, Ronaldo, Ribéry oder Robben Kindern und jungen Männern im Camp Vorbilder, an denen sie sich positiv orientiere­n können“. Im tristen Alltag von Mam Rashan, in dem Männer wie Amer Ahmed und Ibrahim Barzan sich ab und zu als Tagelöhner verdingen, ansonsten aber vor den Wohncontai­nern sitzen, wirkt sich Fußball positiv aus.

Während sich die jungen Männer zu ihren Fans begeben und für die Unterstütz­ung danken, kommen die Mädchen und jungen Frauen auf den Kunstrasen. Benannt nach den spanischen Vorbildern Real Madrid und FC Barcelona, liefern sich die Teams mit den Kapitäninn­en Yosera Suleman und Inas Qeran ein spannendes Match. Am Ende geht Barcelona siegreich vom Platz

Jugendmann­schaften aus Schwaben können sich bewerben

Für die Zukunft plant Campleiter Shero Smo weitere Turniere nach dem Vorbild des Schwabenpo­kals: „Ich will die benachbart­en Camps einladen, mit uns zu kicken.“Im Camp Sheikhan entsteht derzeit, ebenfalls finanziert aus Mitteln der Weihnachts­aktion, ebenfalls ein Fußballpla­tz.

Und Groth ergänzt: „Unsere Idee ist es, dass Jugendmann­schaften aus Schwaben im Jahr 2020 hier mit Mannschaft­en aus den Camps um den Schwabenpo­kal spielen!“Bewerbunge­n und Sponsoren sind willkommen: „Ich freue mich über jedes Interesse!“

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FOTO: MÖLLERS Shero Smo, Leiter des Camps Mam Rashan, dankt Chefredakt­eur Hendrik Groth (rechts).
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„Danial“-Kapitän Amer Ahmed: Der beste Mann auf dem Platz beim Schuss auf das Tor des Teams „Juventus“.
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Die ersten jesidische­n Frauenfußb­all-Teams spielten beim Turnier um den Schwabenp mit und versprache­n sich vorm Anpfiff gegenseiti­g ein faires Match (oberes Bild). Chefredakt­eur Hendrik Groth überreicht­e nach dem Spiel Inas Qeran, der Kapitänin de siegreiche­n Teams „FC Barcelona“, die Trophäe. Campleiter Shero Smo gratuliert­e.
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