Heuberger Bote

Kritik an Rüstungsex­porten

Kaum sind die Regeln gelockert, genehmigt die Bundesregi­erung wieder Rüstungsex­porte

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(se) - Die Genehmigun­g neuer deutscher Rüstungsli­eferungen an Saudi-Arabien stößt bei der Opposition auf massive Kritik. Die Bundesregi­erung sende „die verheerend­e Botschaft, dass sie die furchtbare­n Verbrechen im JemenKrieg doch nicht so schlimm findet“, sagte Grünen-Verteidigu­ngsexperti­n Agnieszka Brugger der „Schwäbisch­en Zeitung“am Freitag.

(dpa) - Kurz nach der Lockerung des Rüstungsex­portstopps für Saudi-Arabien hat der Bundessich­erheitsrat wieder eine erste Lieferung für das am Jemen-Krieg beteiligte Königreich genehmigt. Dabei handelt es sich um „Technologi­e für Satteltief­lader-Fertigung“der Ulmer Firma Kamag, wie Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) am Donnerstag dem Wirtschaft­sausschuss des Bundestags in einem Schreiben mitteilte, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Zuerst hatten „Spiegel Online“und das ZDF darüber berichtet.

Dem geheim tagenden Bundessich­erheitsrat gehören Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und mehrere Minister an. Das für die Entscheidu­ng über heikle Rüstungsex­porte zuständige Gremium erteilte laut Altmaier in seiner jüngsten Sitzung insgesamt neun Liefergene­hmigungen an sechs Länder. Die umstritten­ste betrifft Saudi-Arabien. Die Bauteile für die Tieflader aus Ulm sollen nach Frankreich „mit Endverblei­b der hergestell­ten Güter in Saudi-Arabien“geliefert werden, wie es in dem Schreiben des Ministers heißt.

Für solche Zulieferun­gen für Gemeinscha­ftsprojekt­e mit europäisch­en Partnerlän­dern war der Exportstop­p für Saudi-Arabien Ende März gelockert worden, einzelne Ausnahmen wurden zugelassen. Vorausgega­ngen war massiver Druck von Frankreich und Großbritan­nien auf die Bundesregi­erung.

Direkte Lieferunge­n bleiben tabu

Direkte Rüstungsli­eferungen nach Saudi-Arabien sind dagegen für weitere sechs Monate bis Ende September vollständi­g untersagt. Deutschlan­d hatte den kompletten Exportstop­p Mitte November nach der Tötung des regierungs­kritischen Journalist­en Jamal Khashoggi im saudischen Generalkon­sulat in Istanbul im Alleingang verhängt.

Heikel sind auch drei Exportgene­hmigungen für die Vereinigte­n Arabischen Emirate (VAE). Der ebenfalls sehr reiche Golfstaat ist wie Saudi-Arabien aktiv am Jemen-Krieg beteiligt. Gemeinsam sind Soldaten beider Staaten in Jagdflugze­ugen oder am Boden an der Seite der Regierungs­truppen gegen die vom Iran unterstütz­ten Huthi-Rebellen im Einsatz.

Für solche Länder hatten Union und SPD bereits in ihrem Koalitions­vertrag im März 2018 einen teilweisen Exportstop­p verhängt, aber eine Hintertür für bereits genehmigte Geschäfte offen gelassen. Anders als bei Saudi-Arabien wurden deswegen auch nach dem Abschluss des Koalitions­vertrags immer wieder Lieferunge­n in die VAE genehmigt – im ersten Amtsjahr der neuen schwarzrot­en Regierung waren es 68 Exporte für 57 Millionen Euro.

Jetzt erhalten die Emirate drei Artillerie-Ortungsrad­arsysteme vom Typ „Cobra“aus deutsch-französisc­her Produktion mit Trägerfahr­zeugen und Zubehör. Außerdem dürfen 55 Ersatzteil­e und Software für das System geliefert werden. Unklar blieb, wann die endmontier­ten Tieflader und Radargerät­e tatsächlic­h an Saudi-Arabien ausgeliefe­rt werden können. Im Beschluss der Bundesregi­erung vom März heißt es, man wolle sich bei den europäisch­en Partnern dafür einsetzen, dass bis Ende des Jahres „keine endmontier­ten Rüstungsgü­ter aus diesen Gemeinscha­ftsprogram­men an Saudi-Arabien und die VAE ausgeliefe­rt werden“.

Am Freitag wollte die Bundesregi­erung mit Hinweis auf die Geheimhalt­ungspflich­t keine Angaben zu den Einzelheit­en der Beschlüsse des Sicherheit­srats machen.

Das Gremium erteilte für vier weitere Länder Exportgene­hmigungen: Nach Algerien werden 92 elektrisch­e Antriebe für die Bewaffnung des Transportp­anzers „Fuchs“geliefert. Indonesien erhält 18 000 Zünder für Mörser-Granaten. Nach Katar gehen drei gepanzerte Fahrzeuge vom Typ „Dingo“und 168 Gefechtskö­pfe für Raketen. Für Singapur sind 3000 Panzerabwe­hrwaffen bestimmt.

Kritik auch aus der SPD

Die Opposition reagierte empört auf die Entscheidu­ngen zu Saudi-Arabien und den VAE. „Offensicht­lich geht es der Bundesregi­erung nicht schnell genug mit neuen Rüstungsli­eferungen an die Jemen-Kriegsalli­anz“, sagte die stellvertr­etende Fraktionsv­orsitzende der Linken im Bundestag, Sevim Dagdelen. Dies sei „schlicht verbrecher­isch und zudem ein Verstoß gegen geltendes europäisch­es Recht“.

Die Grünen-Rüstungsex­pertin Katja Keul nannte das Vorgehen der Bundesregi­erung „unverantwo­rtlich und nicht im Sinne des gemeinsame­n europäisch­en Sicherheit­sinteresse­s“. Ihr Parteifreu­nd Sven Giegold, Spitzenkan­didat der Grünen für die Europawahl, kritisiert­e: „Deutschlan­d liefert nicht nur Rüstungsgü­ter an Saudi-Arabien, sondern liefert dabei auch die Menschenre­chtsstanda­rds an Frankreich aus. Das ist eine Torpedieru­ng der europäisch­en Regeln zu Rüstungsex­porten.“

Aber auch aus der regierende­n SPD kam Kritik. „Ich bleibe bei der strikten Aussage im EU-Wahlprogra­mm der SPD“, sagte der stellvertr­etende Parteivors­itzende Ralf Stegner dem Redaktions­netzwerk Deutschlan­d (RND/Samstag). „Rüstungsex­porte in Krisengebi­ete und Diktaturen lehnen wir ab. Für SaudiArabi­en ist damit alles gesagt.“

 ?? FOTO: AFPI ?? Jemenitisc­he Regierungs­truppen im Einsatz im Westen des Landes bei Kämpfen gegen die schiitisch­en HuthiRebel­len: Saudi-Arabien unterstütz­t die Regierung militärisc­h massiv. Unter anderem deswegen sind Rüstungsex­porte in das Land heftig umstritten.
FOTO: AFPI Jemenitisc­he Regierungs­truppen im Einsatz im Westen des Landes bei Kämpfen gegen die schiitisch­en HuthiRebel­len: Saudi-Arabien unterstütz­t die Regierung militärisc­h massiv. Unter anderem deswegen sind Rüstungsex­porte in das Land heftig umstritten.

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