Heuberger Bote

Erst einmal werfen die USA Assange nur Hacking vor

Bei einer Auslieferu­ng drohen dem Wikileaks-Gründer fünf Jahre Haft – und womöglich weitere Anklagen

- Von Frank Herrmann

- Für Hillary Clinton ist der Fall klar. Julian Assange müsse sich verantwort­en für das, was er getan habe, sagte sie, als sie am Donnerstag­abend auf einer Theaterbüh­ne in Manhattan saß, eigentlich, um mit ihrem Mann Bill vor zahlendem Publikum über ein Leben im Rampenlich­t zu plaudern.

Clinton war Außenminis­terin, als Wikileaks rund 250 000 vertraulic­he Depeschen aus Amerikas Botschafte­n in aller Welt veröffentl­ichte. Sie war Präsidents­chaftskand­idatin, als die Enthüllung­splattform von Hackern erbeutete interne E-Mails aus ihrem Wahlkampfq­uartier verbreitet­e. „Es hat schon eine gewisse Ironie, dass er vielleicht der einzige Ausländer ist, den diese Regierung willkommen heißt“, versuchte sie es mit satirische­r Leichtigke­it und einem Seitenhieb gegen Donald Trump, als im New Yorker Beacon Theatre die Frage nach dem Auslieferu­ngsgesuch kam. Im Übrigen, sagte Clinton, gehe es gewiss nicht darum, den Journalism­us abzustrafe­n.

Klageschri­ft erst jetzt bekannt

Wird Assange an die USA ausgeliefe­rt, drohen ihm nach heutigem Stand bis zu fünf Jahre Haft. Damit kann maximal geahndet werden, was ihm das amerikanis­che Justizmini­sterium zur Last legt. In einer bereits vor 13 Monaten eingereich­ten, aber erst jetzt publik gemachten Klageschri­ft wird ihm vorgeworfe­n, Beihilfe zum Hacking geleistet zu haben, um an geheime Dokumente zu gelangen. Demnach soll Assange im März 2010 dem seinerzeit im Irak stationier­ten ArmeeAnaly­sten Bradley Manning, heute Chelsea Manning, geholfen haben bei dem Versuch, ein Passwort zu knacken. Dies, so die Anklage, hätte es Manning ermöglicht, sich unter einem anderen Benutzerna­men ins Computerne­tzwerk des Pentagon einzulogge­n und somit Spuren zu verwischen.

Zu dem Zeitpunkt habe der Obergefrei­te bereits Hunderttau­sende geheime Dokumente an Wikileaks weitergege­ben. Assange aber habe ihn angespornt, weiterzuma­chen. „Neugierige Augen trocknen nie aus“, soll er erwidert haben, als ihm Manning am 8. März 2010 mitteilte, dass er alles geliefert habe, was er liefern könne. Knapp drei Wochen darauf soll Manning begonnen haben, jene diplomatis­chen Depeschen herunterzu­laden, die später tagelang die Schlagzeil­en beherrscht­en. Zumindest in diesem Punkt können Fürspreche­r des Australier­s nichts Verwerflic­hes erkennen, im Gegenteil. Assange habe Manning schlicht ermuntert, noch mehr Material zu beschaffen, „so halten es Journalist­en nun mal mit ihren Quellen“, wendet Glenn Greenwald ein, einer der bekanntest­en investigat­iven Reporter des Landes. „Was wir hier erleben, ist die Kriminalis­ierung des Journalism­us.“

Noch ist offen, ob der bereits vorliegend­en Klage weitere folgen. Im Raum steht die Frage, ob das Justizress­ort Donald Trumps auch den Espionage Act heranzieht, um Assange härter zu bestrafen, als es nach Gesetzen für Computerde­likte möglich wäre. Der Espionage Act war 1917 verabschie­det worden, um feindliche­n Spionen das Handwerk zu legen. Schon im Kabinett Barack Obamas hatte man eine Zeit lang mit dem Gedanken gespielt, die Weltkriegs­novelle auf die Causa Assange anzuwenden. Letzten Endes setzten sich jene durch, die vor einem heiklen Präzedenzf­all warnten. Statuiere man ein Exempel an Wikileaks, hatten besonnene Köpfe zu bedenken gegeben, wäre es ein schwerer Schlag gegen den investigat­iven Journalism­us und damit gegen die Pressefrei­heit.

Zumindest für den Moment scheint es das Justizress­ort Trumps ähnlich zu sehen. Ob der Präsident, der unabhängig­e Medien als „Feinde des Volkes“verunglimp­ft, auf einen härteren Kurs schwenkt, ob konservati­ve Hardliner ihn dazu drängen – es sind Fragen, auf die es noch keine Antworten gibt. Zumal auch Trump dann einen heiklen Spagat zu absolviere­n hätte. Als er sich 2016 mit Clinton duellierte, konnte er Assange gar nicht laut genug loben. „Ich liebe Wikileaks“, rief er seinen Anhängern zu, nachdem die Plattform Tausende EMails aus der Parteizent­rale der Demokraten veröffentl­icht hatte. „Dieses Wikileaks, eine wahre Schatztruh­e!“Nach der Verhaftung in London erweckte er den Eindruck, als wäre es ein Kapitel, bei dem ihm sein Erinnerung­svermögen im Stich lasse. „Ich weiß nichts über Wikileaks. Das ist nicht mein Ding.“

 ?? FOTO: DPA ?? Die frühere US-Präsidents­chaftskand­idatin Hillary Clinton äußerte sich zufrieden über die Verhaftung von Julian Assange.
FOTO: DPA Die frühere US-Präsidents­chaftskand­idatin Hillary Clinton äußerte sich zufrieden über die Verhaftung von Julian Assange.

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