Nachbarn müssen AirBnB-Nutzung dulden
Urteil des Bundesgerichtshofs stärkt private Vermittler von Ferienunterkünften
- Die anderen Eigentümer in einer Wohnanlage können einer Partei nicht einfach verbieten, eine Unterkunft auf AirBnB einzustellen. Das hat der Bundesgerichtshof in Karlsruhe am Freitag entschieden. Das Urteil trägt einerseits dazu bei, das Verhältnis der Besitzer von Eigentumswohnungen in einem Gebäude untereinander zu regeln: Die Entscheidung dürfte Auswirkungen auf zahlreiche andere Mehrparteienhäuser in Deutschland haben, wo Interesse an Kurzzeitvermietungen besteht. Andererseits stärkt es nach zahlreichen Rückschlägen wieder die Vermietungsplattform AirBnB.
Hintergrund der Klage war ein Fall aus Papenburg in Niedersachen. Dort war Streit unter den Besitzern der einzelnen Wohnungen einer Eigentümergemeinschaft ausgebrochen. Die Besitzerin einer Wohnung wollte diese auf AirBnB anbieten. Sie war sich sicher, die Unterkunft kurzfristig an Reisende abgeben zu dürfen. Denn Untervermietung war im Vertrag der Eigentümergemeinschaft ausdrücklich erlaubt. Die anderen Eigentümer reagierten jedoch allergisch auf die AirBnB-Nutzung. Sie sahen darin keine normale Untervermietung. Schließlich geht es in den so angebotenen Wohnungen zu wie in einer Pension – die Gäste wechseln mitunter täglich. Mit großer Mehrheit änderten sie die Satzung dahingehend, dass eine Überlassung an täglich wechselnde Feriengäste nicht in Ordnung ist.
Die Frau klagte. Sie sah einen Eingriff in ihr Recht, mit ihrer eigenen Wohnung zu machen, was sie will. Nun hat der Bundesgerichtshof ihr recht gegeben (Aktenzeichen V ZR 112/18). Die Eigentümergemeinschaft kann die Nutzungsmöglichkeiten nur einstimmig neu regeln. Sie darf nicht über den Kopf eines Besitzers hinweg neue Vorgaben machen. Jeder Eigentümer müsse sich darauf verlassen können, dass die Nutzung seiner Wohnung nicht ohne sein Zutun eingeschränkt wird.
Das Urteil betrifft zahlreiche Objekte in Deutschland. Jedes Haus mit Eigentumswohnungen hat auch eine Eigentümergemeinschaft. Denn wer eine Wohnung von vielen kauft, erwirbt damit auch einen Anteil an dem gesamten Haus mit Hof, Aufzug, Garten und allem Drum und Dran. Die Miteigentümer treffen sich meist in Versammlungen, um das Zusammenleben zu regeln. Tatsächlich müssen sich die einzelnen Eigentümer grundsätzlich an die Beschlüsse der Eigentümerversammlung halten, wenn die anderen Parteien betroffen sind. Er kann das Treppenhaus auf seinem Stockwerk nicht einfach farbig streichen oder den Aufzug abschalten. Andererseits geht es die anderen Besitzer im Allgemeinen nichts an, was er innerhalb der eigenen vier Wände anstellt. Zwischen diesen zwei Vorgaben hatten die Richter abzuwägen. Das war nicht ganz leicht – der Prozess ging durch mehrere Instanzen, bevor er beim Bundesgericht landete. Letztlich überwog die Überlegung, dass der Besitzer einer Wohnung sich auf die einmal gesetzten Regeln für die Untervermietung auch langfristig verlassen können sollte.
Für AirBnB ist das zur Abwechslung einmal eine gute Nachricht. Das Unternehmen musste nach rascher Expansion in fast allen wichtigen Märkten herbe Rückschläge verkraften. In fast allen Großstädten weltweit sind in den vergangenen Jahren die Mieten gestiegen, während AirBnB immer beliebter wurde. Die Stadtverwaltungen reagierten auf diesen doppelten Trend, indem sie die Kurzzeitvermietung über das Internet regulierten.
Wohnraum zweckentfremdet?
In Deutschland haben sämtliche Metropolen und viele Großstädte entsprechende Regeln verabschiedet. Köln erwägt derzeit höhere Strafen für illegale Vermietung. In München ist es schon seit 1972 per Satzung verboten, Wohnraum „zweckzuentfremden“– das gilt nun auch für AirBnB. Berlin schreibt dagegen erst eine Neufassung des Zweckentfremdungsverbot-Gesetzes von 2018 vor, dass sich Gastgeber offiziell registrieren müssen, bevor sie auf AirBnB gehen können. Wer sich nicht daran hält, dem droht ein Bußgeld in Höhe von mehreren Zehntausend Euro. Das Gesetz gilt allerdings nur, wenn jemand einen Großteil seiner Wohnung – nicht nur ein Zimmer – für mehr als drei Monate im Jahr anbietet. Kurzfristige Vermietungen während Messen und Festen fallen dagegen fast nirgendwo darunter. Zahlreiche Gemeinden legen inzwischen aber großen Wert darauf, dass Übernachtungssteuern und Einkommenssteuern korrekt gezahlt werden.
Auch hier zeigt sich, dass sich oft die unmittelbaren Nachbarn an der AirBnB-Vermietung stören. Bei den Behörden in Berlin gehen dem Vernehmen nach fast täglich Meldungen ein, mit denen die Hausbewohner eine vermutete illegale Kurzzeitvermietung anzeigen. Meist fällt das auf, wenn Leute mit Rollkoffern lange an der Wohnungstür mit dem Schlüssel herumprobieren. AirBnB-Kunden sind oft junge Leute, die in fremde Städte reisen, um dort Spaß zu haben. Zuweilen wird es dann abends auch etwas lauter.