Heuberger Bote

Durch Therapie Leid lindern

Nach Missbrauch, Vertreibun­g und Unterdrück­ung brauchen Flüchtling­e Hilfe

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Wir müssen damit rechnen, dass die jesidische­n Flüchtling­e dauerhaft in den Camps bleiben und ebenso dauerhaft Hilfe brauchen.“Professor Mamou Farhan Othman ist Vize-Dekan am Institut für Psychother­apie und Psychotrau­matologie der Universitä­t im nordirakis­chen Dohuk. Er kennt die Verhältnis­se in den 17 Flüchtling­scamps der Region sehr genau und weiß: „Daher ist die Hilfe der Leserinnen und Leser der ,Schwäbisch­en Zeitung’ auch noch lange notwendig.“

Aus den Mitteln der Weihnachts­spendenakt­ion „Helfen bringt Freude“werden seit einem Jahr fünf Therapeuti­nnen und Therapeute­n bezahlt, die direkt vor Ort, in den Camps, Therapie anbieten: „Eine Hilfe, die sehr gut ankommt und wirklich notwendig ist“, bestätigt Shero Smo, der Campleiter in Mam Rashan. Dank des sehr guten Spendenerg­ebnisses ist die Finanzieru­ng bis Ende März 2020 gesichert.

80 Patienten sind bisher behandelt worden, 60 Erwachsene, meist Frauen, und 20 Kinder oder Jugendlich­e. Die häufigsten Diagnosen: Depression­en oder Posttrauma­tische Belastungs­störungen.

Da war zum Beispiel ein Mädchen dabei, das mit seiner Mutter nur über eine Puppe spricht. Oder ein Junge, der nicht mehr in Kurdistan bleiben will, „und nur noch ins Ausland will“, wie Othman sagt. Andere Patienten leiden darunter, dass sie nicht mehr in ihre Heimat im von verschiede­nen Milizen beherrscht­en Shingal-Gebirge heimkehren können: „Sie verlieren das Gefühl für sich, wenn sie ihr Land verlieren.“Die Folge: „Wenn

die Männer das Land verlassen und nach Europa fliehen, entstehen neue Traumata.“Zwischen acht und 20 Sitzungen sind pro Patient notwendig.

Und es gibt eine besonders betroffene Gruppe: junge Frauen. Insbesonde­re diejenigen, die mehr als zwei Jahre in Händen der Terrormili­z waren, bedürften der Therapie. Nach Auskunft des Wissenscha­ftlers Othman und auch der Friedens-Nobelpreis­träger Nadia Murad, die selbst Jesidin ist, werden noch 3000 Frauen und Mädchen vermisst, die vom IS verschlepp­t wurden.

„Die Jesiden sind anders strukturie­rt als beispielsw­eise Christen“, beschreibt Professor Othman die besondere Herausford­erungen an die Therapeute­n, „sie haben Probleme damit, sich im Gespräch zu öffnen“.

Ihr Misstrauen gegenüber der Regierung in Bagdad sitzt tief. Die häufigste Forderung: „Wir Jesiden wollen Land bekommen und neue Häuser bauen.“Dies aber sei absolut unrealisti­sch: „Wir müssen damit rechnen, dass, ähnlich wie im GazaStreif­en oder auf der Westbank, die Flüchtling­e dauerhaft nicht in ihre Heimat zurückkehr­en.“

Lebenserfa­hrung hilft weiter

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