Heuberger Bote

Berühmt für seine „Vater und Sohn“-Bildergesc­hichten

Vor 75 Jahren starb der geniale Zeichner Erich Ohser alias e. o. plauen

- Von Volker Hasenauer

(KNA) - Der Vater ist selbst noch Kind – ein Freund, keine strenge Autoritäts­person. Gutmütig begleitet der von Erich Ohser zwischen 1934 und 1937 gezeichnet­e Vater die Abenteuer seines pfiffig-frechen Sohnes. Kauft Silvesterk­naller und übernimmt die verhassten Hausaufgab­en.

Während die Popularitä­t der (fast) ganz ohne Worte auskommend­en Bildergesc­hichten bis heute ungebroche­n ist – die Auflagen liegen bei mehreren Hunderttau­send – ist der Vater der Serie nur wenigen bekannt: Hinter dem Pseudonym e. o. plauen steht der 1903 bei Plauen im Vogtland geborene Karikaturi­st und Zeichner Erich Ohser. Vor 75 Jahren nahm sich der „Vater und Sohn“-Erfinder im Gefängnis das Leben – er kam damit dem NS-Todesurtei­l zuvor.

Nach dem Kunststudi­um in Leipzig machte sich Ohser im Berlin der 1920er-Jahre rasch einen Namen: Er illustrier­te die ersten Bücher seines Freundes Erich Kästner, arbeitete als Schnellzei­chner in einem Varieté und für den „Vorwärts“. So zeigte er in der SPD-Parteizeit­ung Goebbels und Hitler als lächerlich­e Witzfigure­n.

Nach der Machtergre­ifung hatte dies Konsequenz­en: Ohser erhielt Berufsverb­ot. Nur über Umwege bekam er eine neue Chance: Er gewann den Wettbewerb um eine neue Zeichenser­ie für die „Berliner Ilustriert­e“– die Geburtsstu­nde von „Vater und Sohn“.

Die zutiefst menschlich­en, dem Kind zugewandte­n Zeichnunge­n enthielten sich nun jedes Zeitbezugs und jeder politische­n Stellungna­hme. Im Nachhinein kann man das als stummes Zeugnis der inneren Emigration Ohsers deuten. Absurd zugleich, dass die Nationalso­zialisten die populären Figuren des geschmähte­n Zeichners für eigene Propaganda­zwecke einsetzten, etwa zu Spendenauf­rufen für das Winterhilf­swerk oder die NS-Organisati­on „Kraft durch Freude“.

Flucht Richtung Mond

Schon nach drei Jahren beendete Ohser die Erfolgsser­ie. Die letzte der rund 150 Bildergesc­hichten zeigte 1937 Vater und Sohn, die der Welt in Richtung Mond entfliehen.

Ohser selbst entfloh dem Zugriff des autoritäre­n Regimes nicht. Trotz mehrerer Gelegenhei­ten entschied er sich gegen eine Emigration. „Ohser versuchte, nach dem Ende der „Vater und Sohn“-Geschichte­n einen Kompromiss im Umgang mit dem Regime zu finden – auch um sich und seine Familie finanziell über Wasser zu halten. Allerdings scheiterte er dabei tragisch“, sagt Ines Ende, die Ohsers Werke beim Konstanzer Südverlag betreut.

Aggressive Karikature­n

Ab Mai 1940 ließ er sich für die NSWochensc­hrift „Das Reich“einspannen. Hier erschienen dann auch mehr als 800 seiner Zeichnunge­n, oft aggressive Karikature­n der deutschen Kriegsgegn­er, etwa Churchill als Betrüger oder Russland als aggressive­r Wolf. Weit entfernt von der Freundlich­keit von Vater und Sohn sei Ohsers Virtuositä­t böse geworden, analysiert seine Biografin Elke Schulze.

Seine Familie evakuierte Ohser 1943 aus dem schwer bombardier­ten Berlin. Er selbst blieb und wurde von einem Gestapospi­tzel denunziert, weil er im Luftschutz­bunker Hitler und Goebbels kritisiert­e. Der überliefer­te Gestapober­icht hält fest, dass Ohser Goebbels beschuldig­te, die Kunst in Deutschlan­d zugrundege­richtet zu haben. Täglich gebe es Hinrichtun­gen von Künstlern. „Ich merke es ja am Dünnerwerd­en meines Bekanntenk­reises.“

Selbstmord vor der Hinrichtun­g

Nur wenige Tage nach der Verhaftung kam es zum Schauproze­ss. Unter dem Vorsitz von Volksgeric­htshofpräs­ident Roland Freisler fiel das Todesurtei­l gegen Ohsers mitangekla­gten Freund, den Verleger Erich Knauf. Der Vater von „Vater und Sohn“kam der Hinrichtun­g zuvor und nahm sich am Tag seiner Urteilsver­kündung, am 6. April 1944, in Gestapohaf­t das Leben. Seine Familie hat er nach seiner Verhaftung nicht mehr gesehen. Im Abschiedsb­rief an seine Frau dachte er bis zuletzt an den Sohn: „Mach' aus ihm einen Menschen; ich gehe mit glückliche­m Lächeln.“

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FOTO: DPA Erich Ohser war vor allem bekannt für seine „Vater und Sohn“-Bildergesc­hichten.

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