Mörder nach 26 Jahren verurteilt
Kripo holte den Fall einer erwürgten Augsburger Prostituierten aus dem Archiv
(dpa) - Das Verbrechen liegt mehr als ein Vierteljahrhundert zurück, es geschah bei Dunkelheit in einer abgelegenen Straße. Dort wurde in einer Septembernacht des Jahres 1993 eine 36 Jahre alte Prostituierte von einem Freier erwürgt – kein Zeuge hat irgendetwas gesehen. Dennoch hat das Landgericht Augsburg am Freitag einen 50-Jährigen wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt.
„Wir sind erleichtert“, sagte eine der drei Töchter der Frau. Die Familie könne mit dem Urteil leben, auch wenn das Motiv für die Gewalttat nach wie vor unklar sei. Die Verteidiger des Angeklagten kündigten hingegen eine Revision beim Bundesgerichtshof an. Sie hatten Freispruch verlangt, weil die Indizien für eine Verurteilung ihrer Ansicht nach nicht ausreichen.
Die Strafkammer betonte hingegen, dass der Mann insbesondere wegen neuer DNA-Spuren überführt sei. Die Augsburger Kriminalpolizei hatte sich vor wenigen Jahren den „Cold Case“noch einmal vorgenommen und mit modernen Analysemethoden den genetischen Fingerabdruck des Mannes entdeckt.
Im Prozess hatte der Deutsche zu allen Vorwürfen geschwiegen. Bei der Kripo hatte er zuvor ausgesagt, dass er die ermordete Prostituierte nicht gekannt habe. Obwohl er einräumte, ansonsten regelmäßig auf dem Augsburger Straßenstrich, wo das Opfer damals seit langer Zeit arbeitete, Sex gekauft zu haben.
Letztlich führte dies zu einem reinen Indizienprozess. In einem solchen Verfahren könne es zwar keine hundertprozentige Sicherheit geben, erklärte die Vorsitzende Richterin Susanne Riedel-Mitterwieser, aber eine Sicherheit, die vernünftige Zweifel nicht mehr aufkommen lasse – das reiche für eine Verurteilung.
An Kleidungsstücken der Prostituierten wie der Weste, den Socken und den Schuhen wurden DNA-Spuren des Mannes gefunden. „Man fand Sperma des Angeklagten an der Leggins“, betonte die Richterin. Diese Spuren ständen „in eklatantem Widerspruch“zu den Aussagen des Angeklagten bei der Polizei, wonach er nie bei der 36-Jährigen gewesen sei.
Die Frau war damals von einem Freier erwürgt worden. Zudem hatte der Täter mit einem Möbelfuß auf den Kopf der zu diesem Zeitpunkt bereits toten Prostituierten eingeprügelt, wohl um sicherzugehen, dass das Opfer tot ist. Nach Angaben eines Zeugen besaß der Angeklagte vor rund 26 Jahren ein solches Holzbein und hatte es in seinem Auto deponiert. Für die Richter ein weiteres wichtiges Indiz.
Die Leiche wurde nach der Tat bei Gessertshausen im Landkreis Augsburg, etwa 15 Kilometer vom Tatort entfernt, an der Bahnlinie AugsburgUlm abgelegt. Dort fand ein Jugendlicher bei einem Spaziergang das Mordopfer. Doch in den Monaten nach der Gewalttat konnte die Polizei trotz intensiver Ermittlungen keinen Verdächtigen überführen. Das Gericht hat sich nun rund vier Monate Zeit gelassen, um die Geschehnisse aus dem Jahr 1993 zu rekonstruieren. Andere Freier der Frau wurden als Zeugen geladen – und nach Angaben der Richterin allesamt als Täter ausgeschlossen. In den 25 Verhandlungstagen wurden rund 120 Zeugen und mehrere Sachverständige gehört.
Letztlich verurteilte die Kammer den 50-Jährigen auch wegen einer Vergewaltigung im Jahr 2017. Zu diesem Vorwurf hatte der Angeklagte ebenfalls in dem Prozess geschwiegen. Das Gericht betrachtete das Opfer, eine Bekannte des Mannes, aber als völlig glaubwürdig.