Heuberger Bote

Ein Job will gemacht sein

Der China-Grand-Prix ist das 1000. Formel-1-Rennen, doch übermäßig feiert keiner das Jubiläum

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(SID/sz) - Ein 200 Meter langer roter Teppich ist ausgerollt, ein riesiger Schriftzug mit der Zahl „1000“prangt kamerafreu­ndlich auf dem Betonboden des Fahrerlage­rs von Schanghai. Doch die Party zum Jubiläum der Formel 1 kommt nicht so recht auf Touren. Ein paar allem Anschein nach willkürlic­h ausgewählt­e Motorsport-Reliquien zierten am Freitag das Paddock, Helden von früher machen sich rar – und für die Stars von heute scheinen die Feierlichk­eiten ohnehin keine Rolle zu spielen.

„Ich bin keiner für Geburtstag­e, Jubiläen oder sonstige besondere Tage“, sagte Weltmeiste­r Lewis Hamilton vor dem Großen Preis von China (Sonntag, 8.10 Uhr MESZ/RTL und Sky). „Ob es das 1000., 2000. oder das 10 000. Rennen ist, das ist irrelevant für mich“, führte der Mercedes-Pilot aus England aus. In dieselbe Kerbe schlug Red-Bull-Pilot Max Verstappen. „Es ist das 1000. Rennen, das letzte war das 999. Rennen. Für mich ändert das nichts“, erklärte der Niederländ­er gewohnt lakonisch.

Ferrari-Star Sebastian Vettel, aus dessen Red-Bull-Zeiten ein Lenkrad in einem Glaskasten im Fahrerlage­r ausgestell­t ist, rühmte immerhin die „große Geschichte der Formel 1“, doch auch der schlecht in die Saison gestartete Ex-Weltmeiste­r hat andere Dinge im Kopf: „Ich bin hier, um meinen Job zu machen.“Das tat er im freien Freitagstr­aining passabel: Vettel fuhr auf den zweiten Platz hinter WM-Spitzenrei­ter Valtteri Bottas (Finnland) im Mercedes, der in 1:33,330 Minuten bei seiner besten Runde um 27 Tausendste­lsekunden schneller war als der Heppenheim­er. Seinen Teamkolleg­en Charles Leclerc hielt Vettel deutlich auf Distanz.

Das Jubiläumsp­rogramm in China ist überaus spärlich, wenn man bedenkt, dass die Formel 1 das 1000. Rennen seit Wochen offensiv bewirbt. Neben den drei noch aktiven Weltmeiste­rn Vettel, Hamilton und Kimi Räikkönen haben nur vier weitere Champions von einst ihr Kommen angesagt: Alain Prost, Damon Hill, Jacques Villeneuve und Nico Rosberg. Das Quartett wäre allerdings ohnehin vor Ort, der Franzose Prost (vier WM-Titel) ist Renault-Repräsenta­nt, die anderen drei berichten als TV-Experten. Hill immerhin drehte am Freitag eine Demorunde im Lotus 49, dem Weltmeiste­rauto seines Vaters Graham von 1968.

Die meisten Heroen aus vergangene­n Zeiten treten die beschwerli­che Reise nach China aber gar nicht erst an, und „Mister Formel 1“fehlt ebenfalls: Bernie Ecclestone, langjährig­er Promoter der Motorsport-Königsklas­se, ist dem neuen Eigner Liberty Media seit seiner Entlassung im Januar 2017 gelinde gesagt nicht freundlich gesonnen. Der 88-Jährige bleibt lieber auf seiner Farm in Brasilien.

Silverston­e? Nein, es könnte regnen!

Auch die Stimmung auf den Zuschauerr­ängen entlang der 5,451 Kilometer langen Strecke ließ zum Auftakt zu wünschen übrig. Obwohl das Rennwochen­ende laut Veranstalt­er ausverkauf­t ist, verloren sich zu den Tainings nur wenige Tausend Zuschauer auf den Rängen.

Anders hätte das gewiss in Silverston­e ausgesehen, wo am 13. Mai 1950 das erste Rennen stattgefun­den hat – doch der Formel-1-Führung war das Risiko einer Regenschla­cht in den englischen Midlands zu groß. Nun also China, das Formel-1-Boss Chase Carey am Freitag PR-trächtig als „einen der aufregends­ten Orte für die Zukunft in der Formel 1“bezeichnet­e.

Zu den unrund anlaufende­n Jubiläumsf­eierlichke­iten passt, dass es nach Ansicht von Motorsport­puristen an diesem Wochenende nicht einmal einen wirklichen Grund zum Feiern gibt. Ihrer Rechnung nach findet am Sonntag nämlich erst der 972. Grand Prix statt. Elfmal, von 1950 bis 1960, wurde im Rahmen der Formel-1-WM bei den 500 Meilen von Indianapol­is gefahren, obwohl kaum ein Königsklas­senpilot den Weg nach Übersee machte – und kein Indy-Sieger an den weiteren WM-Läufen teilnahm. Zudem wurde 1952 und 1953 aus Mangel an geeigneten Fahrzeugen nach Formel-2-Reglement gefahren, auch diese 17 Läufe zählen hartgesott­ene Statistike­r nicht mit.

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FOTO: DPA Über allem prangt die 1000: Sebastian Vettel im freien Freitagstr­aining in Schanghai.

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