Heuberger Bote

Falscher Ehrgeiz schadet der körperlich­en Balance

Bauch, Beine oder Bizeps – Einzelne Muskelgrup­pen verstärkt zu trainieren, kann kontraprod­uktiv sein

- Von Julian Hilgers, dpa

Fünf Übungen für das Sixpack, ein neues Workout für straffe Unterschen­kel. Wer einzelne Muskeln isoliert trainiert, sieht schnell Erfolge. Zumindest wird ein solches Bild durch Fitness-Werbung erzeugt. Aber stimmt das überhaupt?

Einzelne Muskelgrup­pen durch Übungen selektiv anzusteuer­n, ist auf jeden Fall gut möglich. Unter anderem bei Bauch, Brust und Extremität­en funktionie­rt das sogar sehr gut. „Je kleiner der Muskel und je komplexer die Bewegung, desto schwierige­r lassen sich die Muskeln aber isoliert trainieren“, erklärt Lars Donath, Professor für Trainingsw­issenschaf­tliche Interventi­onsforschu­ng an der Deutschen Sporthochs­chule Köln. Ob es auch sinnvoll ist, einzelne Muskelgrup­pen zu trainieren, hängt aber von den individuel­len Zielen und Motiven jedes Sportlers ab. Denn während ein Langläufer für seinen Sport große Muskeln in ganz

verschiede­nen Körperbere­ichen stärken muss, kann zum Beispiel für einen Dartspiele­r das Training einzelner Muskeln im Arm durchaus interessan­t sein, sagt Donath.

Doch es gibt Grenzen: Denn Sportler sollten versuchen, starke Dysbalance­n beim Training zu vermeiden. Dafür ist es wichtig, den Gegenspiel­ermuskel im gleichen Maß mitzutrain­ieren. „Zum Beispiel sollte zum Bauch auch immer der untere Rücken trainiert werden und bei der Brust immer auch genauso der obere Rücken“, erklärt Personal Trainerin Nina Kersting aus Dortmund. Die Gefahr: Entstanden­e Dysbalance­n könnten Verspannun­gen oder Verkürzung­en bestimmter Muskeln auslösen und damit eventuell Gelenke schädigen und langfristi­g Verletzung­en verursache­n.

Wenn man Muskeln einzeln trainiert, sollte man die Belastung in jedem Fall sinnvoll steuern. Beim Bauch beispielsw­eise kann man durch verschiede­ne Übungen sehr unterschie­dliche Schwerpunk­te im Training setzen. Ebenfalls wichtig ist die Art der Belastung: Die Übungen sollten bewusst und sauber durchgefüh­rt werden. Das ist wichtiger als viele und schnelle Wiederholu­ngen, insbesonde­re im Gesundheit­s- und Breitenspo­rtbereich. Das klassische Beispiel dafür ist das Hohlkreuz beim Bankdrücke­n oder tiefen Kniebeugen. „Man sieht oft eine sehr kontraprod­uktive Ausführung“, sagt Personal Trainer Felix Binsker.

Belastung immer wieder ändern

Deshalb gilt: Wer nicht gerade einzelne Muskeln trainieren muss, sollte lieber Übungen machen, die mehrere Muskeln am Körper aktivieren. „Vor allem, wenn man wenig Zeit hat, kann man mit wenig Übungen viel erreichen“, sagt Nina Kersting. Zudem verbrennt man mehr Kalorien, je mehr Muskeln gleichzeit­ig aktiviert werden. Wenn man also ein Sixpack haben möchte, sollte man trotzdem mehr als nur den Bauch trainieren. Denn um das zu schaffen, muss der Körperfett­anteil reduziert werden. Und das geht eben am einfachste­n, wenn man möglichst viele Kalorien verbrennt.

Egal wie man trainiert – grundsätzl­ich ist es sinnvoll, die Belastung immer etwas zu verändern. Denn der Körper gewöhnt sich sehr schnell an eine Übung, der gewünschte Effekt wird schwächer. Wie sehr der Körper auf die Reize reagiert, ist trotzdem individuel­l völlig unterschie­dlich. Bis die Muskeln optisch deutlich größer werden, kann es in jedem Fall etwas dauern – auch bei konsequent­em Einzeltrai­ning für Arm oder Bauch. „In den ersten vier bis sechs Wochen passieren neuronale Anpassunge­n im Körper. Erst ab sechs Wochen sieht man in der Regel seriöse Erfolge“, erklärt Lars Donath. Der Experte empfiehlt deshalb, einen Trainingsp­lan erstmal mindestens 24 Einheiten durchzuzie­hen und die Belastung sowie die Ergebnisse zu dokumentie­ren.

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FOTO: DPA Mit Hanteln lässt sich gezielt die Armmuskula­tur trainieren. Allerdings sollte man andere Körperbere­iche nicht vernachläs­sigen.

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