Heuberger Bote

Das etwas andere Osterlamm darf lange schmoren

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U nser Fleischkon­sum hat etwas Merkwürdig­es: Wir gieren immerzu nach den perfekten Stücken – kein Fettfitzel­chen soll das Fleisch haben, keine Sehne es durchfurch­en, kein Silberhäut­chen es verunziere­n. Immerzu soll alles rosa, zart und saftig sein. Aber wenn man mit geschlosse­nen Augen versucht, Kalb, Rind, Schwein oder auch Lamm nur am Filet zu unterschei­den, stellt sich das als schwierig heraus. Denn: Kein Teil eines Tieres hat so wenig charakteri­stischen Eigengesch­mack wie das Filet. Und trotzdem stürzt sich alle Welt darauf. Wir züchten zum Beispiel Hähnchen so, dass die Brust unnatürlic­he Ausmaße annimmt, die jedes menschlich­e Busenwunde­r im Verhältnis zum restlichen Körper in den Schatten stellen. Davon abgesehen treffen die wenigsten Hobbyköche aus dem Stand den idealen Garpunkt. So manche Edelstücke landen also komplett trocken und durchgebra­ten auf dem Teller und lechzen nach einer Soße, die es meistens nicht gibt. Denn beim Kurzbraten entsteht keine richtige. Ganz anders beim Ragout. Hier findet auch Fleisch aus der zweiten oder dritten Reihe Verwendung. Es ist preisgünst­iger, schmeckt intensiver nach dem jeweiligen Tier, lässt sich Tage zuvor vorbereite­n und falsch zu machen gibt es auch nicht viel. Die Kunst des Ragouts ist zum Beispiel in der Toskana sehr verbreitet. Und das Gelingen – ganz egal, welche Fleischsor­te zum Einsatz kommt – beruht auf den immer gleichen Prinzipien: Durchwachs­enes Fleisch, wie es zum Beispiel Hals, Schulter, Nacken und Haxe liefern, wird in etwa haselnussg­roße Stücke geschnitte­n. Es wird kräftig mit Salz und Pfeffer gewürzt, je nach Fleischsor­te eignen sich bestimmte Kräuter besonders zum Aromatisie­ren. Beim Lamm sind es Knoblauch und Rosmarin. Wichtig ist auch das Röstgemüse: Karotten, Stangen- oder Knollensel­lerie und Zwiebeln zu gleichen Teilen. Die Menge hängt vom Fleischgew­icht ab: Bei einem Kilo sind das etwa 600 Gramm Röstgemüse.

In einer massiven Pfanne oder einem Bräter wird das Fleisch in Öl oder Butterschm­alz portionswe­ise angebraten. Und zwar dunkel. Der Rückstand am Topfboden darf ruhig sehr dunkel sein. Dann die Fleischstü­cke rausnehmen und beiseite stellen. Das Fett erneuern und das Gemüse anrösten. Auch hier gilt: nur dunkle Röstung verspricht Geschmack. Zwei Esslöffel Tomatenmar­k dazu und kurz mitrösten. Dann mit etwa einer halben Flasche Rotwein ablöschen, den man auch so trinken würden und alles sirupartig einkochen lassen. Jetzt das Fleisch wieder dazugeben, wie auch fünf Rosmarinzw­eige und sieben angedrückt­e Knoblauchz­ehen. Danach gibt es zwei Möglichkei­ten: entwemit Brühe aufgießen, bis das Fleisch bedeckt ist. Oder wie in Norditalie­n 800 Gramm geschälte Dosentomat­en dazugeben. Damit ist es eigentlich schon vollbracht, den Rest erledigt der Herd – zugedeckt, über mindestens drei Stunden hinweg bei niedriger Hitze, damit nichts ansetzt und das Fleisch seinen Geschmack an die Soße abgeben kann. Das ganze Haus wird danach duften! Lamm verträgt am Ende einen halben Teelöffel Zimt. Die Tomatenvar­iante braucht keine Bindung, in der Brühen-Version sorgen zwei Teelöffel in Wasser gelöste Speisestär­ke für eine schöne Konsistenz. Dazu passt zum Beispiel Polenta ausgezeich­net, die auf einer Platte erkaltet in Rauten geschnitte­n und in Butter knusprig gebraten am besten schmeckt. Damit Ostern dabei nicht zu kurz kommt, lässt sich die Polenta dekorativ mit Lammoder Hasenförmc­hen ausstechen.

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FOTO:NYF Ja, ist denn schon Ostern? Wenn die Polenta-Häschen mit dem zarten Lamm auf einem Teller liegen, kann es nicht mehr lange dauern.
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Von Erich Nyffenegge­r

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