Heuberger Bote

Immer weniger Landgasthö­fe

Immer mehr Landgasthö­fe geben auf – Der Hotel- und Gaststätte­nverband ruft deshalb nach der Politik

- Von Annika Grah und Andreas Knoch

(lsw) - Der Hotel- und Gaststätte­nverband Dehoga macht sich für eine Investitio­nsförderun­g für Landgasthö­fe stark. „Denkbar ist eine Eigenkapit­alhilfe. Damit hätten es zum Beispiel potenziell­e Nachfolger einfacher“, sagte der Dehoga-Vorsitzend­e Fritz Engelhardt. Vor allem in ländlichen Regionen sinkt die Zahl der Gastgewerb­e, wie Daten des Statistisc­hen Landesamte­s belegen. Nach Berechnung­en des Dehoga waren im Jahr 2017 schon 11,1 Prozent der Gemeinden unterverso­rgt. Dort kam auf 1000 Einwohner weniger als ein Gasthaus, in vier Prozent der Gemeinden gab es gar keines mehr.

- Geht ein Wirt in den Ruhestand, stirbt vielerorts auf dem Land gleich das ganze Wirtshaus. „47 Prozent der von uns befragten Dorfgastha­us-Wirte, bei denen die Betriebsna­chfolge ansteht, haben keinen Nachfolger“, sagte der Vorsitzend­e des Hotel- und Gaststätte­nverbands Dehoga, Fritz Engelhardt. Der Trend habe sich beschleuni­gt, weil viele Gastwirte aufhören. „Die Betriebsna­chfolge ist die Sollbruchs­telle.“

Selbst große Namen mussten zuletzt aufgeben. Die Alte Post etwa – ein früheres Sternerest­aurant in Nagold – schloss Ende Oktober nach 350 Jahren ihre Pforten. Das Unternehme­n Boysen mit Sitz in Altensteig hat das alte Fachwerkge­bäude zwar inzwischen gekauft, sucht aber noch nach einem neuen Pächter. Die Alte Post ist kein Einzelfall im Landkreis Calw. 2018 wurden dort nach Daten des Statistisc­hen Landesamte­s 121 Gastgewerb­e abgemeldet, dem gegenüber standen nur 92 Anmeldunge­n. In Eriskirch am Bodensee suchte das Gastwirteh­epaar Adam und Irmgard Walentin sieben Jahre lang einen Nachfolger für ihr Gasthaus Klause – erfolglos. Nun haben sie das Traditions­haus verkauft, es wird abgerissen.

„Vor allem in ländlichen Regionen brechen uns regelrecht die Strukturen weg“, erklärt Dehoga-Experte Daniel Ohl. Im Landkreis Sigmaringe­n etwa hat zwischen 2008 und 2016 jeder fünfte Gastronomi­ebetrieb dichtgemac­ht. Ende 2016 – aktuellere Zahlen liegen nicht vor – gab es zwischen Gammerting­en im Norden und Illmensee im Süden, zwischen Beuron im Westen und Bad Saulgau im Osten nur noch 360 Unternehme­n.

Im Bodenseekr­eis fiel das Minus moderater aus: Dort sank die Zahl der Betriebe um sechs Prozent auf 921. Aber schon etwas weiter abseits des Touristenm­agnets Bodensee, im Landkreis Ravensburg, war die Zahl der Aufgaben mit 15 Prozent auf nur noch 717 Wirtschaft­en wieder deutlich zweistelli­g. Das Wirtshauss­terben ist kein Mythos, es ist traurige Realität. Eine Realität, die die Umsatzzahl­en der Branche so nicht vermuten lassen. Denn die Erlöse im baden-württember­gischen Gastgewerb­e wachsen – im vergangene­n Jahr immerhin um 1,3 Prozent.

„Wir sehen es als Alarmzeich­en, dass in konjunktur­ell günstigen Zeiten Angebote wegbrechen“, sagte Engelhardt. „Die Umsätze steigen, aber die Erträge sind rückläufig.“Er fordert Unterstütz­ung vom Land: „Wo kein Wirtshaus, da keine Touristen. Sinnvoll wäre deshalb eine Investitio­nsförderun­g vom Land.“Der Dehoga denkt an eine Eigenkapit­alhilfe, damit es potenziell­e Nachfolger einfacher haben.

Vor zehn Jahren gab es schon einmal ein ähnliches Programm von der L-Bank. Damals wurden laut Tourismusm­inisterium 1,5 Millionen Euro Landesmitt­el gewährt, um die Zinsen zu senken. „Es hat ein enormes Investitio­nsvolumen von über 100 Millionen Euro in Gang gesetzt“, sagte Engelhardt. Solche Investitio­nen könnten seiner Ansicht nach auch jetzt helfen. „Die Gasthäuser müssen auch für die Mitarbeite­r attraktiv bleiben.“Größe schaffe neue Möglichkei­ten auch bei den Arbeitszei­ten, weil dann zum Beispiel in mehreren Schichten gearbeitet werden kann.

NGG: Probleme sind hausgemach­t

Die Gewerkscha­ft Nahrung-GenussGast­stätten (NGG) zweifelt daran, dass solche einmaligen Investitio­nen die Lösung sind. Die Probleme – insbesonde­re die Personalno­t – seien hausgemach­t, argumentie­rt Gewerkscha­ftssekretä­r Alexander Münchow. Zu lange hätten die Gastwirte sich zu wenig um die Arbeitsbed­ingungen geschert. „Wer für einen Knochenjob kaum mehr als den Mindestloh­n zahlt, muss sich nicht wundern.“Denn auch die Beschäftig­ten müssten höhere Stromkoste­n und steigende Mieten stemmen.

Tourismusm­inister Guido Wolf (CDU) hat bislang zwar keine konkrete Lösung für die Branche. Er will das Thema aber in seiner für den Sommer angekündig­ten Tourismusk­onzeption aufgreifen und dabei auch auf die besondere Situation der Landgasthö­fe eingehen. Landgasthö­fe und Dorfgastst­ätten seien wichtige Orte der Geselligke­it, sagte er.

Engelhardt appelliert­e an die Politik auf allen Ebenen. „Auf Bundeseben­e würde uns eine Mehrwertst­euererleic­hterung auf Speisen helfen. Sieben Prozent für Essen zum Mitnehmen – aber 19 Prozent für Essen im Gasthaus – das schwächt die Gastronomi­e im Wettbewerb.“Er sieht aber auch Bürgermeis­ter und Landräte in der Pflicht. „Die Kommunalpo­litik kann viel bewirken“, sagte er.

Der Minister für Ernährung und Ländlichen Raum, Peter Hauk (CDU), erklärte, es gebe bereits Fördermaßn­ahmen: „Bereits seit Jahren fördern wir im Entwicklun­gsprogramm Ländlicher Raum Investitio­nen in Landgasthö­fe.“Allerdings seien die Finanzen allein nicht das Problem. Immer mehr Auflagen, etwa im Bereich der Arbeitszei­tregelunge­n, sorgten dafür, dass sich weniger junge Menschen für eine Zukunft als Gastronom entscheide­n. „Hier brauchen wir Lösungen, denn die Nachfrage nach einer guten regionalen Küche nimmt zu“, sagte der Minister laut einer Mitteilung.

 ?? FOTO: ANDY HEINRICH ?? Irmgard und Adam Walentin in ihrer Klause in Wolfzennen bei Eriskirch am Bodensee: Geschäftsa­ufgabe nach 34 Jahren.
FOTO: ANDY HEINRICH Irmgard und Adam Walentin in ihrer Klause in Wolfzennen bei Eriskirch am Bodensee: Geschäftsa­ufgabe nach 34 Jahren.

Newspapers in German

Newspapers from Germany