Immer weniger Landgasthöfe
Immer mehr Landgasthöfe geben auf – Der Hotel- und Gaststättenverband ruft deshalb nach der Politik
(lsw) - Der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga macht sich für eine Investitionsförderung für Landgasthöfe stark. „Denkbar ist eine Eigenkapitalhilfe. Damit hätten es zum Beispiel potenzielle Nachfolger einfacher“, sagte der Dehoga-Vorsitzende Fritz Engelhardt. Vor allem in ländlichen Regionen sinkt die Zahl der Gastgewerbe, wie Daten des Statistischen Landesamtes belegen. Nach Berechnungen des Dehoga waren im Jahr 2017 schon 11,1 Prozent der Gemeinden unterversorgt. Dort kam auf 1000 Einwohner weniger als ein Gasthaus, in vier Prozent der Gemeinden gab es gar keines mehr.
- Geht ein Wirt in den Ruhestand, stirbt vielerorts auf dem Land gleich das ganze Wirtshaus. „47 Prozent der von uns befragten Dorfgasthaus-Wirte, bei denen die Betriebsnachfolge ansteht, haben keinen Nachfolger“, sagte der Vorsitzende des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga, Fritz Engelhardt. Der Trend habe sich beschleunigt, weil viele Gastwirte aufhören. „Die Betriebsnachfolge ist die Sollbruchstelle.“
Selbst große Namen mussten zuletzt aufgeben. Die Alte Post etwa – ein früheres Sternerestaurant in Nagold – schloss Ende Oktober nach 350 Jahren ihre Pforten. Das Unternehmen Boysen mit Sitz in Altensteig hat das alte Fachwerkgebäude zwar inzwischen gekauft, sucht aber noch nach einem neuen Pächter. Die Alte Post ist kein Einzelfall im Landkreis Calw. 2018 wurden dort nach Daten des Statistischen Landesamtes 121 Gastgewerbe abgemeldet, dem gegenüber standen nur 92 Anmeldungen. In Eriskirch am Bodensee suchte das Gastwirtehepaar Adam und Irmgard Walentin sieben Jahre lang einen Nachfolger für ihr Gasthaus Klause – erfolglos. Nun haben sie das Traditionshaus verkauft, es wird abgerissen.
„Vor allem in ländlichen Regionen brechen uns regelrecht die Strukturen weg“, erklärt Dehoga-Experte Daniel Ohl. Im Landkreis Sigmaringen etwa hat zwischen 2008 und 2016 jeder fünfte Gastronomiebetrieb dichtgemacht. Ende 2016 – aktuellere Zahlen liegen nicht vor – gab es zwischen Gammertingen im Norden und Illmensee im Süden, zwischen Beuron im Westen und Bad Saulgau im Osten nur noch 360 Unternehmen.
Im Bodenseekreis fiel das Minus moderater aus: Dort sank die Zahl der Betriebe um sechs Prozent auf 921. Aber schon etwas weiter abseits des Touristenmagnets Bodensee, im Landkreis Ravensburg, war die Zahl der Aufgaben mit 15 Prozent auf nur noch 717 Wirtschaften wieder deutlich zweistellig. Das Wirtshaussterben ist kein Mythos, es ist traurige Realität. Eine Realität, die die Umsatzzahlen der Branche so nicht vermuten lassen. Denn die Erlöse im baden-württembergischen Gastgewerbe wachsen – im vergangenen Jahr immerhin um 1,3 Prozent.
„Wir sehen es als Alarmzeichen, dass in konjunkturell günstigen Zeiten Angebote wegbrechen“, sagte Engelhardt. „Die Umsätze steigen, aber die Erträge sind rückläufig.“Er fordert Unterstützung vom Land: „Wo kein Wirtshaus, da keine Touristen. Sinnvoll wäre deshalb eine Investitionsförderung vom Land.“Der Dehoga denkt an eine Eigenkapitalhilfe, damit es potenzielle Nachfolger einfacher haben.
Vor zehn Jahren gab es schon einmal ein ähnliches Programm von der L-Bank. Damals wurden laut Tourismusministerium 1,5 Millionen Euro Landesmittel gewährt, um die Zinsen zu senken. „Es hat ein enormes Investitionsvolumen von über 100 Millionen Euro in Gang gesetzt“, sagte Engelhardt. Solche Investitionen könnten seiner Ansicht nach auch jetzt helfen. „Die Gasthäuser müssen auch für die Mitarbeiter attraktiv bleiben.“Größe schaffe neue Möglichkeiten auch bei den Arbeitszeiten, weil dann zum Beispiel in mehreren Schichten gearbeitet werden kann.
NGG: Probleme sind hausgemacht
Die Gewerkschaft Nahrung-GenussGaststätten (NGG) zweifelt daran, dass solche einmaligen Investitionen die Lösung sind. Die Probleme – insbesondere die Personalnot – seien hausgemacht, argumentiert Gewerkschaftssekretär Alexander Münchow. Zu lange hätten die Gastwirte sich zu wenig um die Arbeitsbedingungen geschert. „Wer für einen Knochenjob kaum mehr als den Mindestlohn zahlt, muss sich nicht wundern.“Denn auch die Beschäftigten müssten höhere Stromkosten und steigende Mieten stemmen.
Tourismusminister Guido Wolf (CDU) hat bislang zwar keine konkrete Lösung für die Branche. Er will das Thema aber in seiner für den Sommer angekündigten Tourismuskonzeption aufgreifen und dabei auch auf die besondere Situation der Landgasthöfe eingehen. Landgasthöfe und Dorfgaststätten seien wichtige Orte der Geselligkeit, sagte er.
Engelhardt appellierte an die Politik auf allen Ebenen. „Auf Bundesebene würde uns eine Mehrwertsteuererleichterung auf Speisen helfen. Sieben Prozent für Essen zum Mitnehmen – aber 19 Prozent für Essen im Gasthaus – das schwächt die Gastronomie im Wettbewerb.“Er sieht aber auch Bürgermeister und Landräte in der Pflicht. „Die Kommunalpolitik kann viel bewirken“, sagte er.
Der Minister für Ernährung und Ländlichen Raum, Peter Hauk (CDU), erklärte, es gebe bereits Fördermaßnahmen: „Bereits seit Jahren fördern wir im Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum Investitionen in Landgasthöfe.“Allerdings seien die Finanzen allein nicht das Problem. Immer mehr Auflagen, etwa im Bereich der Arbeitszeitregelungen, sorgten dafür, dass sich weniger junge Menschen für eine Zukunft als Gastronom entscheiden. „Hier brauchen wir Lösungen, denn die Nachfrage nach einer guten regionalen Küche nimmt zu“, sagte der Minister laut einer Mitteilung.