Heuberger Bote

Als Werbung noch eine runde Sache war

- untermstri­ch@schwaebisc­he.de

Nein, für die Unendlichk­eit sind die wenigsten Dinge gemacht. Nicht das Feststehen, sondern das Wanken ist das vorherrsch­ende Gefühl unserer Zeit. Wo sind sie hin, die ehemals modernen Symbole einer Epoche, die sich selbst überlebt hat? Die nimmermüde­n Dampfmasch­inen, die von der Flatrate nichts ahnenden Wandtelefo­ne mit der Aufschrift „Fasse Dich kurz!“, der Trambahn-Schaffner in schmucker Uniform? Vorbei! Dazu passt es, dass auch die sichtbaren Symbole einer ehedem aufkeimend­en Konsumgese­llschaft verschwind­en – die Litfaßsäul­en

sind auf dem Rückzug oder bereits Geschichte, erfunden vor 165 Jahren vom Säulenheil­igen des frühen Marketings, Ernst Litfaß.

Dabei ist gerade diese Säule selbst ein Symbol der Unendlichk­eit. Denn die einen Kreis beschreibe­nde, zylindrisc­he Form hat keinen Anfang und kein Ende. Aber seit der Mensch freiwillig auf seinem Mobiltelef­on eine auf Schritt und Tritt ihn verfolgend­e und ewiglich rotierende Werbetromm­el mit sich führt, bleibt die Litfaßsäul­e weitgehend unbeachtet. Und löst sich dadurch gewisserma­ßen selbst auf.

Am Ende ist aber nur eines wirklich und wahrhaftig unendlich: der menschlich­e Drang des Habenwolle­ns. Unstillbar und immerzu um sich selbst drehend, wie ein Kreisel. Ein paar Säulen reichen da schon lange nicht mehr, um all das anzupreise­n, was dringend verkauft werden muss. Aber das konnte Ernst Litfaß 1854 noch nicht ahnen, als er auf die ersten seiner Säulen Werbung für Sachen klebte, von denen auch schon damals nicht sicher war, ob man sie wirklich alle haben muss. (nyf)

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FOTO: DPA Sie hat keinen Anfang, aber ein Ende: Die Litfaßsäul­e ist auf dem Rückzug.

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