Heuberger Bote

Früher war mehr Merkel

- Von Ellen Hasenkamp, Berlin, und dpa

Mit Blick auf die anstehende­n Europa- und Landtagswa­hlen wird zunehmend über das Engagement von Angela Merkel diskutiert. Thüringens CDU-Chef Mike Mohring versichert­e nun, die Kanzlerin werde im Wahlkampf keineswegs versteckt. „Ich freue mich auf Angela Merkel“, sagte Mohring, der Spitzenkan­didat seiner Partei für die Landtagswa­hl am 27. Oktober ist, dem „Tagesspieg­el“. Er fügte hinzu: „Angela Merkel hat um Verständni­s gebeten, dass sie nach dem Verzicht auf den Parteivors­itz keine reinen Parteiterm­ine mehr wahrnimmt.“Auftritte der Kanzlerin in Thüringen solle es aber dennoch geben, betonte der CDU-Politiker.

Nur Sauer tauchte in Südtirol auf

Schon im vergangene­n August fragte sich das halbe Land: Wo ist Merkel? Die Kanzlerin war verschwund­en. Ihren Schreibtis­ch hatte sie Richtung Sommerfris­che verlassen, aber am Ferienort in Südtirol tauchte nur Ehemann Joachim Sauer in Bergstiefe­ln auf – allein. Großes Aufatmen dann allenthalb­en, als die Regierungs­chefin gesund und munter zwischen Häuschen in der Uckermark und Berliner Käsetheke gesichtet wurde.

Weniger präsent

Jetzt, nur acht Monate später, verhält es sich ein wenig anders. Wo Merkel ist, weiß das Land ziemlich genau. Sie steht im Bundestag Rede und Antwort, sie empfängt in Berlin die Kollegin Theresa May, sie schlägt sich in Brüssel die Nächte um die Ohren. Und doch ist sie irgendwie weniger präsent als früher. Würde sie nun für ein paar Tage verschwind­en, wer weiß, wie vielen Menschen es sofort auffallen würde.

An einem Nachlassen der Kanzlerin selbst, das muss ausdrückli­ch gesagt werden, liegt es nicht. Ihr Arbeitspen­sum ist beeindruck­end wie eh und je: Reisen, Konferenze­n, Gipfel. Dennoch breitet sich – mitten im Frühjahr – eine Art spätsommer­liche Stimmung rund um das Kanzleramt aus. Das Leuchten der Macht lässt nach, seit klar ist, dass Merkels Zeit an der Regierungs­spitze in spätestens 30 Monaten beendet sein wird.

Die Kanzlerin selbst scheint nicht unzufriede­n mit dem Zustand, den sie mit der Freigabe des CDU-Vorsitzes selbst eingeleite­t hat. Im Gegenteil: Sie wirke gelöst, berichten ihre Kollegen aus Regierung und Parlament ziemlich übereinsti­mmend, noch nie hätten sie sie so locker erlebt. Kein Wunder, kann sie sich doch nun voll und ganz auf das konzentrie­ren, was sie ohnehin am liebsten macht: Sich ums große Ganze kümmern, eine Art Nebenpräsi­dentin sein.

Aus den anstehende­n Wahlkämpfe­n jedenfalls hat sie sich längst rausgenomm­en; im Europawahl­kampf beispielsw­eise steht sie bei der großen Auftaktver­anstaltung Ende nächster Woche nicht auf der Bühne. Bislang ist überhaupt nur ein einziger Auftritt vorgesehen: bei der Abschlussk­undgebung in München.

Ein Sprecherin der CDU erklärte dazu lediglich: „In Absprache mit der Parteivors­itzenden wird die Bundeskanz­lerin zur Abschlussk­undgebung von CDU, CSU und EVP nach München kommen, darüber freuen wir uns. Abgesehen davon ist ihre erfolgreic­he Politik für ein starkes Europa die entscheide­nde Wahlkampfu­nterstützu­ng für die CDU.“Erwartet werden dort auch andere Staatsund Regierungs­chefs aus den konservati­ven EVP-Parteien.

Die Kanzlerin führte das Wort

Überhaupt das Ausland: Der Blick von dort auf Merkel fällt anders aus, noch immer aufmerksam­er. Bei den jüngsten EU-Krisengipf­eln etwa war es Merkel, die das Wort der HardBrexit-Verhindere­r führte. Und wenn der Bundespräs­ident in Bulgarien Gespräche führt, wird er auch und sehr genau über die Haltung Merkels zu diesem oder jenem Thema befragt. Der ukrainisch­e Präsident Petro Poroschenk­o schließlic­h lässt sich sicherheit­shalber noch einmal mit der Kanzlerin in Berlin fotografie­ren, ehe er in die Stichwahl zieht.

In Deutschlan­d richten sich derweil die Blicke auf eine Schützenha­lle im Sauerland. Dort gab es einen gemeinsame­n Auftritt der CDU-Politiker Annegret Kramp-Karrenbaue­r und Friedrich Merz zu sehen. Die nächste Kanzlerin? Der nächste Minister? Dort jedenfalls die möglichen Zukünftige­n, hier die Gegenwärti­ge. Genug zu tun gibt es für alle.

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