IG Metall vertagt Führungswechsel
Jörg Hofmann will im Herbst erneut für Vorsitz von Deutschlands größter Einzelgewerkschaft kandidieren
- Die IG Metall verzichtet vorerst darauf, ihre Führungsspitze zu verjüngen. Der Gewerkschaftsvorsitzende Jörg Hofmann will voraussichtlich Anfang Mai, spätestens jedoch in der nächsten Sitzung des Beirates Anfang Juni verkünden, dass er auf dem kommenden IG-Metall-Kongress im Oktober erneut für den Chefposten kandidieren wird. Das erfuhr die „Schwäbische Zeitung“von Personen aus dem Umfeld des 63-Jährigen. Hofmanns Vorgehen widerspricht der Gewerkschaftstradition, nicht für eine weitere Amtszeit anzutreten, wenn man in dieser die Altersgrenze von 65 Jahren erreicht. Davon abgewichen sind bislang nur der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann und Verdi-Chef Frank Bsirske, der im September mit 67 in Pension gehen wird. Wie der IG-Metall-Vorsitzende stellen sich auch alle anderen sechs Vorstandsmitglieder der Wiederwahl. Sie gilt in allen Fällen als gesichert.
Damit ist vorerst der Weg des Stuttgarter Bezirksleiters Roman Zitzelsberger in die Chefetage am Frankfurter Mainufer blockiert. Dem 52-jährigen Schwaben wird nachgesagt, er wolle lieber heute als morgen Nachfolger Hofmanns werden. Es ist davon auszugehen, dass dies viele in der IG Metall befürworten. In dieser Gewerkschaft gibt es jedoch ein ehernes Gesetz: Künftige Vorsitzende arbeiten sich zunächst auf dem Posten des Stellvertreters ein. Dieses Amt hat seit 2015 Christiane Benner inne. Sie ist gewillt, diese Tradition fortzuführen und Hofmanns Erbe in vier Jahren anzutreten, heißt es in Gewerkschaftskreisen. Die Soziologin wäre die erste Frau an der Spitze dieser von Männern dominierten Gewerkschaft.
Dass es dazu aber auch wirklich kommen wird, ist keineswegs sicher. In der Gewerkschaft heißt es, dass den Vorsitz der IG Metall nur jemand übernehmen könne, der Erfahrungen hat als Verhandlungsführer bei Tarifrunden. Genau das hat Christiane Benner aber nicht und wird sie unter Hofmann auch nicht bekommen. Zitzelsberger dagegen hat sich hier profiliert, hat Pilotabschlüsse für die gesamte Branche ausgehandelt. In der Vergangenheit gab es bereits mehrere Versuche, Benner auf andere Posten wegzuloben. Diese Bemühungen scheiterten einerseits an der Entschlossenheit der Gewerkschafterin, ihren IG-Metall-Posten zu verteidigen, und andererseits wohl auch daran, dass ihre Kontrahenten eher zaghaft agierten.
Nutznießer dieser Entwicklung in der IG Metall ist der 63 Jahre alte DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann. Er hatte 2018 vor seiner Wiederwahl zugesagt, die vierjährige Amtszeit nicht voll auszuschöpfen, wenn die IG Metall Anspruch auf seinen Posten erheben sollte. Etwa um vor den Wahlen auf dem Gewerkschaftstag im Oktober für eine verdiente Führungskraft ein neues Aufgabenfeld zu finden. Dadurch wäre ein Posten im Vorstand frei geworden – etwa für Zitzelsberger. Dazu kommt es aber jetzt nicht. Deshalb wird DGB-Chef Hoffmann – Stand heute – bis 2022 im Amt bleiben, obwohl die Vorsitzenden der im DGB zusammengeschlossenen Gewerkschaft zunehmend unzufriedener mit ihm sind. Sie „vermissen klare politische Botschaften, eigene Akzente“, heißt es bei einigen hochrangigen Mitgliedern. Unverändert gewürdigt wird jedoch „Hoffmanns kommunikative Art, die ihn in Berlin zu einem geschätzten Gesprächspartner gemacht hat“. Das war bei seinem Vorgänger Michael Sommer so nicht der Fall.
In diesem Frühjahr hat Christiane Benner es ausgeschlossen, den DGBChef beerben zu wollen, versichern Personen aus dem Umfeld Benners. Das kann sich aber bis 2022 durchaus ändern, wenn in ihrer IG Metall der Widerstand gegen sie als künftige Vorsitzende weiter wachsen sollte. Dann könnte es zu diesem Szenario kommen: Im Mai 2022 wählt der DGB-Bundeskongress Christiane Benner als erste Frau an die Spitze der Dachorganisation. Ihren Vizeposten bei der IG Metall übernimmt Roman Zitzelsberger. Der kann dann wiederum auf dem nächsten ordentlichen Gewerkschaftstag der IG Metall im Oktober 2023 doch noch gemäß den Gepflogenheiten dieser Gewerkschaft Jörg Hofmann beerben.