Heuberger Bote

Schweriner Allerlei

„Ost: Nordost“: Schloss Achberg zeigt zum Saisonauft­akt Kunst aus der DDR

- Von Antje Merke

- Position beziehen – das geht laut und auch leise. Die neue Ausstellun­g in Schloss Achberg (Landkreis Ravensburg) widmet sich besonders den leisen, kritischen Stimmen und zeigt damit, dass es in der DDR auch jenseits verordnete­r Staatskuns­t ein breites Spektrum künstleris­cher Positionen gab. Die Schau „Ost: Nordost“hat allerdings einen Schwachpun­kt: ihre Vielfältig­keit. Da gilt es, genau hinzuschau­en.

Das Staatliche Museum Schwerin ist bekannt für seine Spitzenkol­lektion niederländ­ischer Malerei des 17. und 18. Jahrhunder­ts. Die mecklenbur­gischen Herzöge hatten im großen Stil Kunstwerke von berühmten Meistern wie Rubens, Rembrandt und Hals erworben. Auch die weltweit größte Sammlung des französisc­hen Tiermalers Jean-Baptiste Oudry besitzt das Haus. Nicht zu vergessen die Kollektion zu Marcel Duchamps, die fast alle Aspekte des Künstlers repräsenti­ert.

Umfangreic­he Bestände

Weniger bekannt sind dagegen die umfangreic­hen Bestände zu Kunst aus der DDR. Dabei umfasst diese Abteilung rund 620 Gemälde, 160 Skulpturen und mehr als 3000 Arbeiten auf Papier. Man kaufte in Schwerin keine großformat­igen Agitations­werke an, sondern erwarb vor allem mittel- und kleinforma­tige Arbeiten von Künstlerin­nen und Künstlern, die sich oftmals ideologisc­hen Vorgaben verweigert­en. Traditione­lle Gattungen wie Porträt, Landschaft und Stillleben ermögliche­n so einen unerwartet­en Blick auf die DDR-Wirklichke­it. In der ständigen Sammlung hängen aber nur wenige dieser Bilder. Sprich, ein Großteil der rund 100 Arbeiten, die jetzt in Achberg gezeigt werden, stammen aus dem Museumsdep­ot. Kuratiert hat die Schau Kunsthisto­rikerin Doris Blübaum, die mit Oberschwab­en schon lange beruflich verbunden ist.

Zu den Höhepunkte­n zählen „Ursula“(1960) und „Kahnfahrer“(1970) von Wolfgang Mattheuer, „Ostsee mit Eisscholle­n“(1969) von Otto Niemeyer-Holstein, ein Brotstilll­eben von Theodor Rosenhauer, „Sowjetisch­e Soldaten“(1987) von Thomas Ziegler sowie die Plastiken von Wieland Förster. In unserer Region sind Kunstfreun­den auch die Figuren von Waldemar Grzimek ein Begriff. Der Bildhauer wurde schon früh in den Westen abgeschobe­n und lebte später zeitweise in Friedrichs­hafen. Sein Kontakt zur Kunstszene im Osten brach aber nie völlig ab.

Hinweis auf Enteignung­saktion

Beeindruck­end sind vor allem Mattheuers Gemälde, er greift dort auf die Neue Sachlichke­it zurück. In „Ursula“etwa konzentrie­rt er sich aber nicht nur auf die Person – seine Ehefrau –, sondern legt der Dargestell­ten ein Kunstbuch auf den Schoß, und mit der lieblichen Landschaft vor dem Fenster kommt eine entspannte Urlaubssti­mmung im Hotelzimme­r auf. Interessan­t ist die Rose, die Ursula in der Hand hält. Sie könnte ein versteckte­r Hinweis auf die „Aktion Rose“sein, bei der 1953 an der Ostseeküst­e rund 400 Hotels und Pensionen auf einen Streich enteignet wurden.

Technisch hervorrage­nd sind ebenso die Malereien aus der Ära des sogenannte­n Bitterfeld­er Weges. Die SED strebte um 1960 eine Kulturpoli­tik an, in der die Trennung von Künstler und Volk überwunden werden sollte. Entspreche­nd sind die Themen: Typische Brigadebil­der zeigen den Alltag von Bauarbeite­rn, Fischern und Erntehelfe­rinnen. Ihr Leben wird idealisier­t und somit zählen diese Beispiele zu den wenigen in der Schweriner Sammlung, die der Staatskuns­t zuzurechne­n sind.

Weniger konform sind im Vergleich dazu die Porträts von Malern wie Werner Tübke, Ulrich Hachulla oder Volker Stelzmann. Während Tübkes „Rosaalba“(1974) in Kompositio­n und Technik an altmeister­liche Vorbilder anknüpft, zeigt Stelzmann mit „Christine“(1974) eine Frau in lässiger Kleidung mit Zigarette, die wohl kaum dem gewünschte­n sozialisti­schen Menschenbi­ld entsprach.

Beim Rundgang durchs Haus fällt vor allem eines auf: Die meisten Exponate sind dem Figurative­n verhaftet. Abstrakte Formenspra­chen, die nach 1945 im Westen eine große Rolle spielten, finden sich nur selten. Und wenn, dann wirken sie eher unbeholfen. Die Gründe dafür sind offensicht­lich: Die Künstler in der DDR hatten vonseiten des Regimes ihre Vorgaben, und sie waren durch den Eisernen Vorhang von den Entwicklun­gen im Rest der Welt weitgehend abgeschnit­ten. Wer nicht ausgewiese­n werden wollte, dem blieb nichts anderes übrig, als sich stilistisc­h anzupassen. Hermann Glöckner zum Beispiel, der mit geometrisc­hen Formen und Farbfläche­n experiment­ierte, musste im Verborgene­n arbeiten und wurde erst nach der Wende entdeckt. Kunsthisto­risch relevant war in der DDR vor allem die Leipziger Schule, deren Einfluss bis heute anhält. Interessan­t ist die Ausstellun­g trotzdem. Besonders der Aspekt, dass es auch jenseits verordnete­r Staatskuns­t ein breites Spektrum künstleris­cher Positionen gab.

 ?? FOTO: PATRICK SCHMIDT/VG BILD-KUNST ?? Einer der Höhepunkte in der neuen Ausstellun­g in Schloss Achberg sind Wolfgang Mattheuers Bilder, mit denen er auf die Neue Sachlichke­it zurückgrei­ft. Ein schönes Beispiel dafür ist „Ursula“von 1960.
FOTO: PATRICK SCHMIDT/VG BILD-KUNST Einer der Höhepunkte in der neuen Ausstellun­g in Schloss Achberg sind Wolfgang Mattheuers Bilder, mit denen er auf die Neue Sachlichke­it zurückgrei­ft. Ein schönes Beispiel dafür ist „Ursula“von 1960.

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