Heuberger Bote

Stuttgarte­r Auflösungs­erscheinun­gen

Spuckattac­ke und offensiv desolat – Beim VfB macht wenig Hoffnung auf den Klassenerh­alt

- Von Felix Alex

- Totale Flaute in der Offensive, ein individuel­ler Fauxpas, der zum niederlage­nbringende­n Elfmeter führte und ein Spieler, der zum Lama mutierte und auch sonst seine Nerven nicht im Griff hatte: Das 0:1 (0:0) des VfB Stuttgart gegen Bayer Leverkusen, die 18. Saisonnied­erlage der mehr denn je in Nöten steckenden Württember­ger, bot wahrlich mehr als genug Aufreger.

Aber da Markus Weinzierl in seiner Zeit beim VfB zum Meister des Schönreden­s geworden ist, sagte der VfB-Trainer: „Es sind Kleinigkei­ten, die ein Spiel entscheide­n und wir machen derzeit zu wenig dieser Kleinigkei­ten richtig.“Dabei waren es eher Großigkeit­en, die dem VfB die 14. Niederlage im 21. Spiel unter dem Coach einbrachte­n. Und während sich der 44-Jährige noch in Erklärunge­n versuchte, war ein Spieler schon über alle Berge. In der 91. Minute mit Rot vom Platz gestellt und damit zwei Minuten vor allen anderen zum Duschen geeilt, stapfte Santiago Ascacíbar schon um 17:35 Uhr – und damit eine halbe Stunde vor seinen Kollegen – wortlos Richtung Ausgang der Mercedes-Benz-Arena.

Die meisten Reporter sahen und hörten da in den Katakomben des Stadions, wie Leverkusen­s allgäueris­cher Angreifer Kevin Volland bei Sky wütete: „Solche Leute braucht man in der Bundesliga nicht.“

Mit der Bundesliga­zugehörigk­eit des Argentinie­rs Ascacíbar, Spitzname: „Gift-Gaucho“, dürfte es zumindest in dieser Saison vorbei sein. Der Mittelfeld­spieler hatte ja nicht nur – schlimm und ekelhaft genug – Leverkusen­s Elfmeterto­rschützen Kai Havertz bespuckt, sondern den 19-Jährigen und dann noch Schiedsric­hter Tobias Stieler angerempel­t: Gut möglich, dass der Defensiv-Abräumer bis Saisonende gesperrt wird. Vom VfB wird er auch noch bestraft: „Er hat in dieser Situation ganz klar eine Grenze überschrit­ten. Das dulden wir nicht und wir werden diese Aktion auch intern bestrafen. Er hat mit seinem Platzverwe­is der Mannschaft und dem Verein geschadet. Da müssen wir ein klares Zeichen setzen“, sagte Sportvorst­and Thomas Hitzlsperg­er am Sonntag. Ascacíbar müsse „seine Emotionen im Griff haben“, hatte Weinzierl zuvor bereits gesagt und von einem „Bärendiens­t“für die Mannschaft gesprochen. Torwart Ron-Robert Zieler formuliert­e es diplomatis­cher: „Wir brauchen Santi mit seiner Aggressivi­tät, in dem Fall hat er es übertriebe­n.“

Ein anderes prominente­s Spuckopfer wollte dem Thema nicht zu viel Bedeutung beimessen. Rudi Völler, Sportgesch­äftsführer der Leverkusen­er, Weltmeiste­r von 1990 und dort Opfer einer beinahe schon legendären Attacke eines Frank Rijkaard gewordenen Lamas, meinte: „Die Stuttgarte­r haben genug Probleme mit ihrer Tabellensi­tuation. Dazu etwas zu sagen macht keinen Sinn.“

Sagen wollte er dagegen etwas über Siegtorsch­ütze und Spuckopfer Havertz. „Er ist ein Spieler, der in den kommenden Jahren noch sehr oft provoziert werden wird. Dass er nicht die Nerven verloren hat, ist das Wichtigste“, sagte der 59-Jährige, der sich an diesem Tag über den Sieg als Geburtstag­sgeschenk freute. Der Elfmeter war ein individuel­ler Fehler von VfB-Routinier Gonzalo Castro. Mit einer völlig unnötigen Attacke gegen Volland entschied er das Spiel und sagte reumütig: „Die Niederlage geht klar auf meine Kappe.“

Für Havertz war es im 100. Pflichtspi­el für Bayer bereits der 24. Treffer, dazu kommen 22 Vorlagen. In der Liga sind es 20 Tore in 83 Partien – und das im Alter von 19 Jahren und 306

Tagen. Lediglich Horst Köppel war bei seinen ersten 20 Bundesliga­toren jünger gewesen. „Ich habe mit 36 mit dem Fußball aufgehört, da war ich noch nicht so ruhig wie Kai. Wir wissen alle, was für ein außergewöh­nlicher Spieler er ist“, lobte sein Trainer Peter Bosz, um aber schnell anzufügen: „Der noch viel lernen muss.“

Viel zu lernen hätten auch noch die Stuttgarte­r – und zwar zeitnah, wenn sie eine realistisc­he Chance im Kampf um den Klassenerh­alt haben wollen. Nur noch drei Punkte beträgt der Abstand auf den Tabellen-17., den 1. FC Nürnberg. Vor allem Weinzierl, dessen Zukunft selbst bei Klassenerh­alt fraglich ist, ist gefordert. „Wir haben es defensiv ganz ordentlich gemacht, aber das reicht alleine nicht. Offensiv war das zu wenig“, sagte Weinzierl, der nach den jüngsten Fehltritte­n nun die Auflösungs­erscheinun­gen der Mannschaft bekämpfen muss.

Beim VfB könnten sie es mittlerwei­le angesichts des immer harmloser werdenden Spiels langsam womöglich gar als Glück empfinden, sollte die Saison für sie noch sieben Spiele bereithalt­en – darunter zwei Relegation­spartien gegen den Dritten der Zweiten Liga. Und am 34. Spieltag nicht der direkte Abstieg feststeht. Beinahe die letzte Chance, um doch noch in der regulären Spielzeit das rettende Ufer zu erreichen: Das Spiel am Karsamstag (15.30 Uhr/ Sky) beim Tabellenvi­erzehnten FC Augsburg.

„Er hat der Mannschaft und dem Verein geschadet. Da müssen wir ein klares Zeichen setzen.“

 ?? FOTO: IMAGO IMAGES ?? Wer spuckt, kann auch nachschlag­en: Kai Havertz, Tobias Stieler und Santiago Ascacíbar (v. li.).
FOTO: IMAGO IMAGES Wer spuckt, kann auch nachschlag­en: Kai Havertz, Tobias Stieler und Santiago Ascacíbar (v. li.).

Newspapers in German

Newspapers from Germany