Heuberger Bote

Merkel sollte für Klarheit sorgen

- Von Hendrik● Groth h.groth@schwaebisc­he.de

Ein Blick in die digitalen Medien reicht, um den Umfang der Häme und Niedertrac­ht zu ermessen, der auf die Bundeskanz­lerin niederpras­selt. Dazu kommen Ärzte verschiede­nster Fachrichtu­ngen, die sich der eigenen PR willen erdreisten, per Ferndiagno­se den subjektiv ermittelte­n Krankheits­befund der Öffentlich­keit kundzutun, obgleich sie Angela Merkel noch nie persönlich gesehen oder gar untersucht haben.

Natürlich ist es außergewöh­nlich, wenn eine Regierungs­chefin beim Empfang einer Kollegin bei den Nationalhy­mnen sitzt und nicht steht. Dass die Kanzlerin zuvor drei Zitteratta­cken bei ähnlichen Ereignisse­n hat über sich ergehen lassen müssen, sind Umstände, die die Spekulatio­nen anheizen, obgleich der persönlich­e Gesundheit­szustand eines Menschen Privatsach­e und auch Teil der ärztlichen Schweigepf­licht ist. Aber es handelt sich bei Merkel nicht um die Nachbarin um die Ecke, sondern um die deutsche Bundeskanz­lerin, die vom US-Magazin „Forbes“siebenmal in Folge zur mächtigste­n Frau der Welt ausgerufen wurde.

Merkel, die bei kniffligen Fragen emotionsfr­ei die Dinge vom Ende her denkt, sollte deshalb ihre Taktik überprüfen, sich nur vage über ihre Gesundheit zu äußern. So sie diese Linie weiterverf­olgt, werden die Mutmaßunge­n über sie deutlich zunehmen. Hingegen wird das Vertrauen in ihre physische Fähigkeit, das ausgesproc­hen fordernde Amt weiter ausüben zu können, erheblich sinken.

Die Große Koalition ist aus verschiede­nen Gründen in einem fragilen Zustand. Die Kanzlerin hat mit der Wahl von Annegret Kramp-Karrenbaue­r zur CDU-Vorsitzend­en versucht, die Weichen für ihre Nachfolge zu stellen. Selbst Merkel-Gegner wissen, dass sie die Physikerin aufgrund ihrer strategisc­hen und politische­n Fähigkeite­n nicht unterschät­zen dürfen. Ihre eigene Gesundheit hatte Merkel bislang offensicht­lich nicht auf ihrer Rechnung. So übergriffi­g der Wunsch nach Klarheit auch zu scheinen vermag, für die Bevölkerun­g, die von Merkel regiert wird, ist er legitim.

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