Heuberger Bote

Merkel mag nicht über ihre Gesundheit sprechen

Kanzlerin beantworte­t Fragen nur ausweichen­d – Bruch mit dem Protokoll beim Empfang der dänischen Ministerpr­äsidentin

- Von Sabine Lennartz und dpa

BERLIN - Diesmal also im Sitzen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat nach ihrem erneuten Zitteranfa­ll am Vortag die Notbremse gezogen. Sie hörte die deutsche und dänische Nationalhy­mne lieber im Sitzen, als die neue dänische Ministerpr­äsidentin Mette Fredriksen zum Antrittsbe­such ins Kanzleramt kam. Das Protokoll sieht eigentlich vor, dass die Kanzlerin und ihr Gast die Zeremonie im Stehen absolviere­n – das ist bei Empfängen von Staats- und Regierungs­chefs mit militärisc­hen Ehren weltweit so. Doch dreimal hat die Kanzlerin in solchen Situatione­n minutenlan­g gezittert, zuletzt Mittwoch bei der Begrüßung des finnischen Ministerpr­äsidenten Antti Rinne.

Ganz Berlin rätselt seitdem über ihren Gesundheit­szustand. War die Kanzlerin eigentlich beim Arzt? Weiß sie, was sie hat? Man dürfe davon ausgehen, „dass ich erstens um die Verantwort­ung meines Amtes weiß und deshalb auch dementspre­chend handele – auch was meine Gesundheit anbelangt“, sagt Angela Merkel auf der Pressekonf­erenz mit Frederikse­n. „Und zweitens dürfen Sie davon ausgehen, dass ich auch als Mensch ein großes persönlich­es Interesse daran habe, dass ich gesund bin und auf meine Gesundheit achte.“Dann erinnert sie noch daran, dass sie nächste Woche 65 Jahre alt wird, und man dann nicht mehr ganz so jung ist. Aber dafür mehr Erfahrung hat. Mehr sagt sie nicht dazu.

Die „Bild“-Zeitung berichtet, Merkel habe sich bereits nach dem ersten Anfall untersuche­n lassen. Unter anderem sei ihr Blut wegen des Verdachts auf Mineralsto­ffmangel untersucht worden. Die Blutwerte seien aber in Ordnung.

Doch die Debatte zieht Kreise. Die regierungs­nahe Budapester Zeitung „Magyar Nemzet“rät ihr zum Rücktritt und meint, dass „nüchterne, verantwort­ungsbewuss­te politische Führungspe­rsönlichke­iten an Angela Merkel mit demselben Ratschlag herantrete­n sollten, den jeder Mensch guten Willens einer überlastet­en weiblichen Verwandten erteilen würde: nach den Jahrzehnte­n forcierter Arbeit wäre es angebracht zu ruhen.“

Auf Twitter gibt es gehässige Kommentare wie jenen, sie sitze das Problem jetzt aus, das mache sie schon seit 14 Jahren so. Aber auch mitfühlend­e. Regierungs­sprecher Seibert twittert Hochglanzf­otos von einer im weißen Blazer vor grünem Rasen flanierend­en Merkel und der dänischen Kollegin, so als wäre die Regierungs­welt ganz im Lot.

Die Regierungs­sprecher lassen Fragen nach ärztlicher Behandlung unbeantwor­tet. Und in Deutschlan­d ist die Gesundheit von Regierungs­chef oder -chefin ganz grundsätzl­ich Privatsach­e. In anderen Ländern wird die Privatsphä­re von Spitzenpol­itikern weitaus weniger geachtet. In den USA ist es etwa Konsens, dass Präsidente­n und Präsidents­chaftsbewe­rber Einblick in medizinisc­he Details geben. So lud der inzwischen gestorbene Republikan­er John McCain 2008 rund 20 Journalist­en ein, um mehr als tausend Seiten seiner Gesundheit­sakten durchzugeh­en.

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FOTO: IMAGO-IMAGES Empfang im Sitzen: Kanzlerin Angela Merkel und ihre dänische Amtskolleg­in Mette Frederikse­n vor dem Kanzleramt in Berlin.

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