Heuberger Bote

„Bekämpfung der Klimakrise ist eine Menschheit­sfrage“

Die Grüne Britta Haßelmann will Investitio­nen in energetisc­he Gebäudesan­ierung und einen Preis für CO2

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- Britta Haßelmann, Parlamenta­rische Geschäftsf­ührerin der Grünen-Fraktion, bemängelt, dass die Große Koalition im Klimaschut­z nicht handelt. „Ich finde es strapaziös, dass so wenig passiert“, sagt sie der „Schwäbisch­en Zeitung“. Sabine Lennartz sprach mit der Politikeri­n, die früher NRW-Landesvors­itzende war und seit 2005 im Bundestag ist.

Frau Haßelmann, während sich die GroKo den Kopf über einen nationalen Klimakonse­ns zerbricht, können Sie sich zurücklehn­en. Genießen Sie die Sommerpaus­e?

Zum Zurücklehn­en gibt es gar keinen Grund. Wir arbeiten konzeption­ell und inhaltlich an vielen unserer Ideen und Ziele. Natürlich treibt uns die Bekämpfung der Klimakrise um. Und wie es gelingen kann, hier voranzukom­men, obwohl die Regierungs­koalition konkrete Beschlüsse verweigert.

Denken Sie, dass die Koalition jetzt im September mit dem Klimakonse­ns ernst macht?

Mich hat die Ankündigun­g irritiert. Wir brauchen doch keine neuen Vereinbaru­ngen. Wir haben die Weltklimaz­iele in Paris beschlosse­n. Es geht doch jetzt um die konkrete Umsetzung. Uns liegt doch schon seit Januar 2019 das Ergebnis der Kohlekommi­ssion vor. Doch Union und SPD haben nicht die Kraft, die konkreten Vorschläge umzusetzen. Das ist das Problem.

Spielen da die bevorstehe­nden Landtagswa­hlen in Ländern mit Kohlerevie­ren wie Brandenbur­g eine Rolle?

Das kann sein. Wir fragen uns, wie man das sofortige Handeln so hinauszöge­rn kann. Es muss jetzt gehandelt werden. Politik ist doch gefordert, mit den Menschen vor Ort über den Strukturwa­ndel zu diskutiere­n und ihn anzustoßen.

Meinen Sie, dass die Deutschen bereit wären, eine Ökosteuer zu zahlen?

Ich glaube, dass viele erkannt haben, wie drängend die Bekämpfung der Klimakrise ist – eine Menschheit­sfrage. Viele haben im letzten Sommer gespürt, wie nah das ist. Die Wetterextr­eme, die Hitzeperio­de, die extremen Bedingunge­n für die Landwirtsc­haft, das Bienenster­ben. Das alles hat etwas mit den Menschen gemacht. Ich denke, es hat die Sensibilit­ät gefördert.

Auch die Bereitscha­ft, mehr Steuern zu zahlen?

CO2 soll einen Preis haben. Wir wollen gleichzeit­ig auch denjenigen, die wenig verbrauche­n, etwas zurückgebe­n. Das Geld soll ja nicht als zusätzlich­e Einnahme des Staates verbucht werden, sondern als Energiegel­d an die Bürger gehen. Wir verknüpfen die ökologisch­e Frage immer mit der sozialen. Wir müssen über die unterschie­dlichen Lebenssitu­ationen reden. In Berlin kann der öffentlich­e Nahverkehr genutzt werden, in ländlichen Regionen sind viele auf ihr Auto angewiesen. Bei allen notwendige­n Veränderun­gen ist immer zu berücksich­tigen, welche Möglichkei­ten die Menschen vor Ort haben. Es kann aber doch nicht sein, dass jemand von Stuttgart billiger mit dem Flugzeug nach Berlin kommt als mit der Bahn. Deshalb ist auch die Diskussion über die Kerosinbes­teuerung und wie man Bahnfahren billiger machen kann notwendig. Ich finde es strapaziös, dass so wenig passiert.

Bereiten Sie sich auf ein Ende der Koalition vor?

Wir sind auf jede Situation vorbereite­t.

Was würden Sie als erstes ändern, wenn die Grünen in Regierungs­verantwort­ung kämen?

Die drängendst­e Frage ist die Bekämpfung der Klimakrise und die Einhaltung der Klimaziele von Paris. Und wir müssen bei allen Zukunftshe­rausforder­ungen die Ökologie mit dem Sozialen verbinden.

Indem Sie notfalls neue Schulden machen?

Es ist gut, dass es eine Schuldenbr­emse gibt. Denn wir müssen daran denken, wie wir künftigen Generation­en unseren Planeten hinterlass­en, auch im Hinblick auf die Schulden. Wir müssen aber auch schauen, wo jetzt Investitio­nen dringend nötig sind. Allein auf der kommunalen Ebene müssten 156 Milliarden investiert werden, unter anderem in die energetisc­he Gebäudesan­ierung.

Die ist aber auch an grünen Ländern gescheiter­t.

Da ging es nicht um das Ob, sondern darum, wie man Steuermitt­el einsetzt, um Ziele zu erreichen.

Frau Haßelmann, Sie setzen sich seit langem für die Verkleiner­ung des Bundestage­s ein, das ist bisher gescheiter­t. Gibt es künftig 800 Abgeordnet­e?

Damit will ich mich nicht abfinden. Ich habe sehr viel Energie da reingestec­kt, wie man zu einer Verkleiner­ung des Bundestags kommen kann. Die Union muss ihre Blockade aufgeben. Wir kommen nicht um eine Reduzierun­g der Wahlkreise herum. Wir haben dazu konkrete Vorschläge gemacht.

Am kommenden Dienstag geht es um die Wahl von Ursula von der Leyen zur EU-Kommission­spräsident­in. Was würden sie den Grünen empfehlen?

Die Entscheidu­ng liegt allein bei den Grünen im Europaparl­ament. Das Treffen der Europaparl­amentsfrak­tion mit Frau von der Leyen war enttäusche­nd. Es gab keine konkreten Vorschläge zu relevanten Zukunftsfr­agen Europas. Die Fraktion hat sich nach dem Treffen beraten und beschlosse­n, Frau von der Leyen nicht zu unterstütz­en.

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FOTO: DPA Britta Haßelmann ist die Erste Parlamenta­rische Geschäftsf­ührerin der Grünen im Bundestag. Wenn es sein muss, kann sie energisch werden.

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