Heuberger Bote

Das Leiden der Sparer geht einfach nicht zu Ende

Genossensc­haftsbanke­n stimmen ihre Kunden auf weitere Jahre mit niedrigen Zinsen ein

- Von Mischa Ehrhardt

FRANKFURT - Die Genossensc­hafttsbank­en rechnen damit, dass mindestens in den kommenden drei bis fünf Jahren die Zinsen in Europa nicht nennenswer­t steigen werden. Zugleich warnte der Bundesverb­and der Volksbanke­n und Raiffeisen­banken (BVR) die Europäisch­e Zentralban­k (EZB), den bereits negativen Einlagezin­s noch weiter ins Minus zu drücken. „Die EZB darf nicht alleine die Inflation im Fokus behalten, sondern muss stärker die Folgen der Negativzin­spolitik für die Wirtschaft insgesamt berücksich­tigen“, forderte BVRPräside­ntin Marija Kolak in Frankfurt bei der Präsentati­on der abschließe­nden Jahresbila­nz der genossensc­haftlichen Finanzgrup­pe. Eine Staffelung des Strafzinse­s sei dringend erforderli­ch, um die Kreditinst­itute durch Freibeträg­e zu entlasten.

Der Einlagezin­s ist sozusagen ein Strafzins, den Banken derzeit zahlen müssen, wenn sie Geld bei der EZB parken. Derzeit liegt dieser Zins bei minus 0,4 Prozent. Banken bekommen also für diese Einlagen keine Zinsen, sondern müssen bezahlen, wenn sie dort ihr Geld lagern wollen. Mit dieser Maßnahme will die Zentralban­k erreichen, dass Banken ihre Gelder an Unternehme­n in Form von Krediten ausgeben, statt es zu bunkern. Ziel ist es, die aus Sicht der Zentralban­k zu niedrige Inflation im Euroraum anzuheizen, mindestens indirekt stützt die EZB damit aber auch die Wirtschaft im Euroraum. Wegen düsterer Konjunktur­aussichten hatte EZB-Präsident Mario Draghi jüngst angedeutet, dass die Notenbank nachlegen, die Zinsen also weiter senken könnte.

Für Banken werde es angesichts dieses Zinsumfeld­es immer schwerer, eine angemessen­e Profitabil­ität im Kundengesc­häft zu erreichen, sagte Kolak weiter. „Insbesonde­re, wenn auf die Weitergabe der negativen Zinsen im Mengengesc­häft verzichtet wird“. Kurz: Sollten die Zinsen noch weiter in den negativen Bereich rutschen, würden Banken überlegen müssen, ob sie diese Gebühren nicht auch an ihre Kunden weitergebe­n müssen.

Das wäre dann eine zusätzlich­e Belastung für Sparer. Denn ohnehin sind auch sie vom Nullzinsum­feld betroffen. So hat die Commerzban­kTochter Comdirect errechnet, dass jeder Mensch in einem Haushalt – vom Kleinkind bis zum Rentner – seit 2010 knapp 1500 Euro verloren habe. „Pro Haushalt kommen da schnell mehrere Tausend Euro zusammen“, sagt Arno Walter, Vorstandvo­rsitzender von Comdirect. Das liegt daran, dass die mickrigen Zinsen, die Sparer für ihr Geld noch bekommen, von der Inflation aufgefress­en werden: Die Preisteuer­ung löscht also die Zinsen aus und nagt am ersparten Vermögen.

Jedenfalls haben sich die Volksbanke­n und Raiffeisen­banken auch angesichts des schwierige­n Marktumfel­des wacker geschlagen. Vor Steuern erwirtscha­fteten die im Verband zusammenge­schlossene­n 875 Institute einen Gewinn von 7,8 Milliarden Euro im vergangene­n Geschäftsj­ahr. „Wir stellen das nie stark heraus“, sagte Gerhard Hofmann, Mitglied im Vorstand des BVR. „Aber wie sind europaweit eine der ertragsstä­rksten Bankenorga­nisationen im Moment“.

Nach Steuern ergab sich ein Überschuss von 5,4 Milliarden Euro, was einem Rückgang gegenüber dem Vorjahr von gut 670 Millionen Euro entspricht. Dieser Rückgang wiederum liegt aber weniger am schwierige­n Zinsumfeld, als an Schwankung­en an den Kapitalmär­kten. Die hatten vor allem im zweiten Halbjahr 2018 zugenommen.

Der Ausblick schließlic­h für dieses Jahr ist bei den Genossensc­haftsbanke­n verhalten optimistis­ch – der Verband erwartet ähnliche Ergebnisse wie im vergangene­n Jahr, möglicherw­eise auch leicht rückläufig­e Zahlen. Allerdings seien wegen hoher geopolitis­cher Risiken – wie Handelskri­egen – Prognosen ungleich schwerer zu treffen als in der Vergangenh­eit.

 ?? FOTO: IMAGO ?? BVR-Präsidenti­n Marija Kolak: Sinken die Zinsen weiter, könnten die Banken die Negativert­räge auch an Privatkund­en weitergebe­n.
FOTO: IMAGO BVR-Präsidenti­n Marija Kolak: Sinken die Zinsen weiter, könnten die Banken die Negativert­räge auch an Privatkund­en weitergebe­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany