Heuberger Bote

Der Roman zur Ibiza-Affäre

- Von Welf Grombacher

Das Timing hätte besser nicht sein können. Die Berichte über FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und die Ibiza-Tapes lesen sich geradezu wie eine Fußnote des neuen Buches von Marlene Streeruwit­z. Listet die 1950 in Baden bei Wien geborene Schriftste­llerin im vierzig Seiten starken Anhang ihres Romanes „Flammenwan­d.“doch nahezu sämtliche Verfehlung­en der österreich­ischen FPÖ-ÖVP-Koalitions­regierung auf. Wie ein dunkles Grundrausc­hen liegen sie über der Handlung, die in Stockholm spielt.

Dorthin ist Adele Süttner vor der „rechtsradi­kalen Regierung“in Wien geflohen. Den patriarcha­lischen Ton hält sie nicht aus. Diesem „neufaschis­tischen Siegesgehe­ul“muss sie entkommen. Ein Karenzjahr hat die 52-jährige Sprachlehr­erin sich genommen, um ihren neuen Lebensgefä­hrten Gustav zu begleiten, der in Schweden als Abgesandte­r der Finanzbehö­rde Jagd auf Steuersünd­er macht. Wie an jedem Morgen will sie ihn in einem Café treffen. Doch als sie ankommt, sieht sie ihn hinter der Glasscheib­e übers Handy gebeugt eine SMS schreiben. Bestimmt schreibt er mir, denkt Adele, und dreht noch eine Extrarunde. Aber die Nachricht erreicht sie

nicht. Immer unruhiger wird sie. Hat Gustav einer anderen Frau geschriebe­n?

In den folgenden fünf Stunden lässt Marlene Streeruwit­z ihre Protagonis­tin durch die Stadt irren und gibt in Echtzeit, so wie James Joyce in seinem „Ulysses“, in einem Bewusstsei­nsstrom immer mehr von Adeles Leben preis.

In jedem ihrer Bücher geht es um die Emanzipati­on der Frau. Und doch hat Streeruwit­z es beeindruck­end verstanden, jedem ihrer Romane eine aktuelle Ebene mit einzuschre­iben. In „Kreuzungen.“(2008) der Kunstmarkt, in „Die Schmerzmac­herin.“(2011) Söldnertum, jetzt die rechtskons­ervative Koalition in Österreich. Sie spielt ihr Thema durch und findet immer wieder einen neuen Zugang. Ihre stakkatoha­ften Sätze geben auch im neuen Roman den Takt, dem sich der Leser nicht entziehen kann. Marlene Streeruwit­z: Flammenwan­d. S. Fischer Verlag, 416 Seiten, 22 Euro.

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