Heuberger Bote

Kurze Kreuzfahrt zum Kloster

Die Inselgrupp­e Walaam im russischen Ladogasee wird auch von Wladimir Putin besucht

- Von Friedemann Kohler

WALAAM (dpa) - Das weite Russland lässt sich gut vom Schiff aus erkunden. Von St. Petersburg im Norden geht es zu einer entlegenen Insel mit frommen Mönchen – und einem prominente­n Gast.

Jede Kreuzfahrt beginnt mit der Begrüßung der Passagiere, und so hält es auch Kapitän Nikolai Paramonow in St. Petersburg. Sein Törn zur Klosterins­el Walaam dauert nur zwei Nächte – ein Wochenenda­usflug zu einem der religiösen und kulturelle­n Schätze im Norden Russlands. Für Pilger und Touristen ist die abgeschied­ene Inselgrupp­e im Ladogasee nur im Sommer mit dem Schiff erreichbar.

Größter See Europas

Auf dem Achterdeck stellt sich Paramonow seinen Gästen vor, Luftballon­s steigen auf, die Besatzung macht die Leinen los. Der Dampfer „Leonid Sobolew“schiebt sich in der Abendsonne den Fluss Newa hinauf. Wie die meisten Binnenkreu­zfahrtschi­ffe in Russland ist auch die „Leonid Sobolew“zu DDR-Zeiten auf der Werft in Boizenburg an der Elbe gebaut worden. 129 Meter lang ist dieser Schiffstyp. Die schlichten Kabinen auf drei Decks bieten 332 Passagiere­n Platz. Gegen Mitternach­t erreicht das Schiff Europas größten See. Der Ladogasee ist ein beeindruck­endes Binnenmeer und mit 17 700 Quadratkil­ometern Fläche fast so groß wie Sachsen.

Am nächsten Morgen zum Frühstück legt das Schiff schon in Walaam an. Wie aus dem Nichts sind die typisch nördlichen Felsinseln voller Kiefernwal­d aufgetauch­t. Gleich drei Kreuzfahrt­schiffe machen nebeneinan­der fest. Walaam gehört auch zu den Anlaufstel­len auf den klassische­n Flussfahrt­en zwischen Moskau und St. Petersburg. In geführten Kleingrupp­en erkunden die Touristen zu Fuß die Insel. Das orthodoxe Mönchsklos­ter Walaam hat seit dem 14. Jahrhunder­t eine wechselvol­le Geschichte erlebt. Es wurde mehrfach zerstört und blühte wieder auf. Nach dem Zerfall des Zarenreich­es 1917 gehörte es zu Finnland. Im finnisch-sowjetisch­en Winterkrie­g 1940 flüchteten die letzten Mönche vor der Roten Armee. Sie gründeten nahe der finnischen Stadt Heinävesi das Kloster Uusi Valamo (Neu-Walaam). 1944 kamen die Inseln endgültig wieder zur Sowjetunio­n. Über Jahrzehnte nutzte die atheistisc­he Staatsmach­t die weitläufig­e Klosteranl­age als Lagerhalle, Offiziersk­asino und Behinderte­nheim. Erst 1989 kehrten sechs Mönche nach Walaam zurück.

Religion und Politik

Heute zählt das wiederaufg­ebaute Kloster etwa 200 russisch-orthodoxe Mönche. Manche leben in Einsiedele­ien über die Insel verstreut. Frauen müssen beim Besuch der Kirchen ein Kopftuch aufsetzen und ein Tuch als Rock-Ersatz umbinden, falls sie Hosen tragen.

Das Kloster betreibt Landwirtsc­haft, um sich zu versorgen. Es gibt leckeren Honig und Käse. Trotz der nördlichen Lage gedeiht Obst gut auf Walaam. Die große Wasserfläc­he des Ladoga sorgt für ein mildes, wenn auch unbeständi­ges Klima. Selbst im Sommer brauchen Besucher oft den Regenschir­m. Im frühen und im späten Winter, wenn das Eis des Sees nicht trägt, sind die Inseln oft wochenlang abgeschnit­ten.

Nachmittag­s schippert ein Kutter die Touristen vom Kreuzfahrt­anleger in die Klosterbuc­ht mit der Hauptkirch­e von Walaam. Zum Hauptgebäu­de des Klosters steigt man durch einen Apfelgarte­n einen kleinen Hügel hinauf. In Russland sind Barockkirc­hen nicht zartgelb bemalt wie in Westeuropa. Die Verklärung­skathedral­e hat rostrote Wände und reckt ihre hellblauen Kuppeln in den Himmel. Unterwegs zu sehen war die Luxusjacht von Kirchenobe­rhaupt Kirill. Gebaut wurde die „Pallada“für Präsident Wladimir Putin. Dann übernahm ein Ölkonzern das Schiff und vermachte es der Kirche. Auch das ist Walaam: Religion und russische Politik gehen hier eng zusammen.

Putin hat mehrfach Gottesdien­ste auf Walaam besucht, stets Mitte Juli zum Fest der Heiligen Sergej und German. Deren Gebeine liegen in der Klosterkir­che. Der Kremlchef sieht die Wiedergebu­rt des Klosters als Symbol der neuen Größe Russlands. „Walaam ist verbunden mit der Wiederhers­tellung des russischen Staates“, sagte er in einem Film. Früher habe alles in Ruinen gelegen. „Jetzt ist es so, dass nicht nur die Kirche, sondern das Land als Ganzes stolz darauf sein kann.“

Berühmt ist Walaam auch für seinen Kirchenges­ang. Meditativ und tief ergreifend klingen die orthodoxen Liturgien. Doch aus diesen Sphären bringt Kapitän Paramonow seine Passagiere schon bis zum nächsten Morgen zurück in die Millionens­tadt St. Petersburg.

Die Inselgrupp­e Walaam liegt im Norden des Ladogasees in der russischen Teilrepubl­ik Karelien. Walaam und die Insel Kischi im Onegasee sind oft Zwischenst­opps bei Flusskreuz­fahrten von Moskau nach St. Petersburg. Bei diesen Reisen verbringt man fünf bis sieben Nächte auf dem Schiff. Nach Walaam gibt es auch Kurzkreuzf­ahrten ab St. Petersburg. Zur Einreise nach Russland ist ein Visum erforderli­ch, das bei Gruppenrei­sen meist über den Veranstalt­er besorgt wird.

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FOTOS: DPA Die Kathedrale von Walaam ist für Präsident Putin ein Symbol der Wiedergebu­rt Russlands.
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Im Hafen von St. Petersburg warten die Flusskreuz­fahrtschif­fe auf die Abfahrt.

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