Frühe Christen waren keine Sonderlinge
Brief aus dem Jahr 230 verrät viel über den Alltag der Gläubigen
BASEL (KNA/dpa) - Wissenschaftler der Universität Basel haben nach eigenen Angaben den weltweit ältesten Brief eines Christen entdeckt. Der betreffende griechisch-ägyptische Papyrus sei schon lange in der Handschriftensammlung der Universität und habe in neuen Untersuchungen nun auf das Jahr 230 nach Christus datiert werden können, erklärte die Hochschule am Donnerstag in Basel. Der Papyrus sei damit mindestens 40 Jahre älter als alle übrigen weltweit bekannten christlichdokumentarischen Briefe.
In dem in alt-griechischer Sprache verfassten Brief schreibt ein Mann namens Arrianus seinem Bruder Paulus über alltägliche Familienangelegenheiten. Beide waren nach Erkenntnissen der Basler Altertumswissenschaftler junge gebildete Söhne einer lokalen Elite, Landbesitzer und Träger öffentlicher Ämter.
Historikerin Sabine Huebner betonte: „Paulus ist ein zu dieser Zeit äußerst seltener Name, und wir dürfen daraus ableiten, dass die im Brief genannten Eltern bereits Christen waren und ihren Sohn schon um 200 nach Christus nach dem Apostel benannt hatten.“Die Grußformel am Ende des Texts weise eindeutig auf den christlichen Hintergrund der Familie hin. Arrianus wünscht seinem Bruder in der letzten Briefzeile, dass es ihm wohlergehen werde „im Herrn“. Dies sei eine nur unter Christen gebrauchte Formulierung gewesen, so Huebner.
Auch in die alltäglichen Essensgewohnheiten gibt der Brief Einblicke. Arrianus schreibt seinem Bruder: „Aber bitte schick mir auch die Fischsoße, von der Du glaubst, dass sie gut ist.“Außerdem richtet er Grüße der Mutter aus.
Die Historiker interpretieren den Inhalt als Hinweis darauf, dass sich das alltägliche Leben der frühen Christen nicht sehr von ihrem nichtchristlichen Umfeld unterschied. Dies stehe im Gegensatz zu einer häufig in der Forschung vertretenen Auffassung, wonach die ersten Christen im Römischen Reich als weltabgewandte Sonderlinge gegolten hätten.
Der Brief gehört zu einem Archiv mit etwa 1000 Papyri, das vor mehr als 100 Jahren in Fayum in Ägypten gefunden wurde. Daraus seien erst rund 400 Papyri editiert: „Wir wissen nicht, was in den anderen 600 steht.“Es fehlten Experten, die Altgriechisch lesen, die Schrift entziffern, die Texte transkribieren, übersetzen und in den richtigen Zusammenhang einordnen könnten.