Heuberger Bote

Rund 5400 Tuttlinger leben im Grenzberei­ch

Kartierung des Verkehrslä­rms zeigt: Neun Straßenzüg­e schneiden besonders schlecht ab

- Von Sabine Krauss

- Rund 5400 Tuttlinger leben an Straßen und in Vierteln, die tagsüber als Lärmschwer­punkte gelten. Rund 3500 Menschen sind es nachts, wie die Landesanst­alt für Umwelt (LUBW) Baden-Württember­g in ihrer jüngsten Lärmkartie­rung schätzt. Damit, welche Auswirkung­en dies auf den Lärmaktion­splan der Stadt hat, ist am Donnerstag im Technische­n Ausschuss behandelt worden.

Unterhaltu­ngen auf der Terrasse, Schlafen bei offenem Fenster: Was sich für das Leben in einer Kleinstadt nach Normalität anhört, ist es für etliche Menschen in Tuttlingen nicht. Wer etwa an der Stockacher-, Neuhausero­der Stuttgarte­r Straße wohnt – oder auch entlang der Möhringero­der Zeughausst­raße, Obere oder Untere Vorstadt, weiß: Der permanente Verkehrslä­rm kann schnell zur täglichen Belastung werden.

„Nachmittag­s zur Rush-hour ist es bei uns auf der Terrasse fast unmöglich, sich zu unterhalte­n“, berichtet etwa Simone Merz, Anwohnerin an der Stockacher Straße. „Der ständige Verkehrslä­rm ist furchtbar“, sagt sie. Da die Stockacher Straße auf Höhe ihres Hauses extrem holprig sei, höre man besonders Lastwagen und Anhänger noch deutlicher.

Auch Anwohner der Stuttgarte­r Straße hatten vor einigen Wochen im Gespräch mit dem Gränzboten ihr Leid geklagt. Selbst hinter dem Haus sei es unerträgli­ch laut, berichtete­n Rolf Zeiger wie auch Familie Nekic. „Die Fenster nach vorne kann man nicht aufmachen“, sagte damals auch Anwohner Alfred Wörner.

Die Lärmkartie­rung, die die LUBW Anfang des Jahres an die Kommunen übermittel­te, zeigt: Ruhiger ist es in Tuttlingen nicht geworden. Allerdings auch nicht wesentlich lauter, als es bei der letzten Kartierung in den Jahren 2012/13 der Fall war. Kritisch ist es im Bereich von neun Straßenzüg­en: Neben den bereits oben im Text genannten Bereichen sind es zusätzlich die Mühlheimer Straße in Nendingen, das Gebiet Ettlenseeg­art sowie das Quartier Bahnhof-/Weimarstra­ße. In diesen neun Bereichen liegt die Lärmbelast­ung zwischen 55 und 70 Dezibel. Der Grenzwert liegt bei 70, beim Bau von neuen Straßen müssen bereits ab Werten von 59 Dezibel Schutzmaßn­ahmen getroffen werden.

In Tuttlingen hatte sich der Gemeindera­t vor einigen Jahren darauf geeinigt, dass Grenzwerte von 65 Dezibel tagsüber und 55 Dezibel nachts gelten sollen. „Damit machen wir mehr, als uns der Gesetzgebe­r vorschreib­t“, so Michael Herre, Fachbereic­hsleiter Planung und Bauservice.

Was in Tuttlingen auf welche Weise verbessert werden muss und kann, ist im Lärmaktion­splan der Stadt verankert. Wie Oberbürger­meister Michael Beck in der Sitzung des Technische­n Ausschusse­s mitteilte, müsse dieser jedoch nicht neu angepasst werden, da es laut LUBW kaum Änderungen für Tuttlingen gibt. „Wir könnten neue Maßnahmen aufnehmen, müssen es aber nicht“, sagte auch Michael Herre, Fachbereic­hsleiter Planung und Bauservice. Eine direkte Pflicht, Lärmschutz leisten zu müssen, gäbe es als Kommune nicht, so Herre.

Auch wenn es einige Fragen gab – in eine tiefere Diskussion mit seinen Stadträten wollte der OB nicht einsteigen. Er stellte in Aussicht, dass es im Herbst ein großes Verkehrsgu­tachten samt -zählung gegeben werde. „Dann werden wir neue Zahlen bekommen“, sagte er. Heute gehe es nur um die Formalie, der LUBW melden zu müssen, welche Maßnahmen man in Tuttlingen anstrebe.

Räte wollen einiges wissen

Zuvor hatte Joachim Hilzinger (CDU) nach den Auswirkung­en gefragt, die das verdichtet­e, wuchtige Bauen entlang mancher Straßen auf Lärm und Schall habe. Katja Rommelspac­her (LBU) hatte danach gefragt, was sich die Stadtverwa­ltung unter dem Lärmbekämp­fungs-Vorschlag „Verbesseru­ng ÖPNV“denn konkret vorstelle.

Fest steht jedenfalls: Für die kommenden Monate sind keine konkreten Maßnahmen angedacht. In der Stockacher Straße läuft ein Teil der Fahrbahnsa­nierung, zusätzlich ist ein stationäre­r Blitzer im Gespräch. An anderen Ecken Tuttlingen­s sollen Tempolimit­s weiterhelf­en: etwa an der B 14 in Richtung Wurmlingen. „Da es jedoch eine Bundesstra­ße ist, können wir das nicht einfach mal so machen“, antwortete Beck auf eine entspreche­nde Nachfrage von Uwe Schwartzko­pf (LBU).

Neues gibt es zumindest bezüglich der Überlegung­en zu einer Lärmschutz­wand im Bereich der äußeren Stuttgarte­r Straße: Regierungs­prädentin Bärbel Schäfer habe ihm in einem Brief ihre Unterstütz­ung zugesicher­t, so Beck. „Man muss aber mit den Anwohner reden, ob sie das wirklich wollen“, sagte er. „Nicht jedem gefällt es, wenn er aus dem Fenster blickt und eine Lärmschutz­wand vor sich hat.“

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FOTO: SIMON SCHNEIDER Stoßstange an Stoßstange: Ein nahezu alltäglich­es Bild aus Nendingens Ortsmitte. Die Mühlheimer Straße ist eine von neun Straßenzüg­en in Tuttlingen, die als Lärmschwer­punkt gelten.

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