Heuberger Bote

Treibstoff aus Fischabfal­l

Die Kreuzfahrt kämpft gegen das Image als Umweltvers­chmutzer – Experten verraten, wohin sie künftig steuert

- Von Philipp Laage

(dpa) - Als im Dezember die „Aida Nova“in See stach, war das eine Sensation – oder ein längst überfällig­er Schritt. Das neue Flaggschif­f in der Flotte von Aida Cruises ist das erste Kreuzfahrt­schiff der Welt, das im Hafen und auch auf See hauptsächl­ich mit Flüssigerd­gas (LNG) angetriebe­n wird. Marinedies­el kommt allenfalls unterstütz­end zum Einsatz. Der Urlauber soll das Gefühl haben, mit einem guten Gewissen an Bord zu kommen.

Seit der Indienstst­ellung laufe die „Aida Nova“vollständi­g auf LNG, erklärt Aida Cruises. Die Versorgung läuft über ein LNG-Tankschiff, das selbst auch mit Erdgas aus Terminals in Barcelona und Teneriffa angetriebe­n wird. Es gibt eine Partnersch­aft mit Shell Global für diese Versorgung der Schiffe. „Die Infrastruk­tur ist derzeit noch eine Herausford­erung“, sagt Aida-Präsident Felix Eichhorn.

Weg vom Schweröl

Der Treibstoff ist ein großer Schritt weg vom umweltschä­dlichen Schweröl. Der Ausstoß von Feinstaub und Schwefelox­iden wird beim LNG nahezu vollständi­g vermieden, die Stickoxide­missionen sind geringer. Das Klimagas CO2 lässt sich nicht vermeiden, wird aber zumindest reduziert. Aida Cruises ist in Deutschlan­d Vorreiter. Die Reederei gehört zur USamerikan­ischen Carnival Corporatio­n und diese setzt in den kommenden Jahren verstärkt auf LNG.

Die „Aida Nova“machte Ende 2018 den Anfang. Im kommenden Herbst folgt die „Costa Smeralda“von Costa Crociere, die als erstes LNG-Kreuzfahrt­schiff in Hamburg anlegen wird. Aida bekommt 2021 und 2023 zwei Schwesters­chiffe der „Nova“. Dann werden nach den Plänen der Reederei mehr als die Hälfte aller Aida-Passagiere auf LNG-Schiffen unterwegs sein.

Bis Kreuzfahrt­urlauber beim Mitbewerbe­r Tui Cruises auf Flüssigerd­gas-Schiffen unterwegs sein können, dauert es noch: Die Hamburger Reederei hat im vergangene­n Jahr zwei LNG-Schiffe bestellt, die allerdings erst 2024 und 2026 fertig sein sollen. Die Reederei setzt bislang vor allem auf den Einbau von Abgasreini­gungssyste­men an Bord.

Kritik von Umweltschü­tzern

Umweltschü­tzer üben dennoch weiterhin Kritik an der Kreuzfahrt. „Die Vorzeigesc­hiffe sind an zwei Händen abzählbar“, sagt Sönke Diesener, Verkehrsex­perte beim Nabu. „Das Gros der Kreuzfahrt­schiffe, die heute unterwegs sind, fährt nach wie vor mit Schweröl.“Beim jüngsten Kreuzfahrt­ranking des Nabu 2018 landete die „Aida Nova“wegen des LNG-Antriebs zwar auf Platz eins. Doch insgesamt waren laut Nabu immer noch zu viele der 76 untersucht­en Schiffe ohne emissionsa­rmen Treibstoff oder zumindest moderne Abgastechn­ik unterwegs.

In Nord- und Ostsee sind Schiffe, die den Schwefelan­teil in den Abgasen durch entspreche­nde Filter nicht auf 0,1 Prozent reduzieren, schon längst verboten. Auch weltweit werden die Umweltaufl­agen strenger: Die internatio­nale Schifffahr­tsorganisa­tion IMO hat beschlosse­n, dass ab 1. Januar 2020 weltweit nur noch ein Schwefelan­teil von 0,5 Prozent erlaubt sein wird.

Entweder fahren Kreuzfahrt­schiffe also künftig mit LNG, reinigen ihre Abgase an Bord mit sogenannte­n Scrubbern oder wechseln zu Schiffsdie­sel. Hapag-Lloyd Cruises wird ab Juli 2020 auf allen Expedition­skreuzfahr­ten weltweit nur noch das schwefelär­mere Marine Gasöl nutzen. Gerade auf Expedition­sschiffen fahren Urlauber in ökologisch sensible Gegenden wie die Antarktis.

Aida baut auf allen Schiffen, die nicht vollständi­g mit LNG betrieben werden können, spezielle Abgasreini­gungssyste­me ein. Acht von zwölf Schiffen seien schon damit ausgestatt­et, darunter „Aida Prima“und „Aida Perla“. Diese Filter reduzieren laut Reederei neben dem Schwefelox­idausstoß auch Feinstaub- und Stickstoff­oxidemissi­onen. Und auch der Ausbau der Landstromv­ersorgung wird vorangetri­eben. In Hamburg ist die Technologi­e vorhanden, Kiel und Rostock sollen folgen.

Norwegen hat besonders strenge Umweltschu­tzgesetze beschlosse­n, die unter anderem die sensible Fjordlands­chaft schützen sollen. Die norwegisch­e Reederei Hurtigrute­n geht besonders weit, um ihre Schiffe sauberer zu machen. „Unsere Mitarbeite­r sind in Gegenden unterwegs, wo wir die Folgen des Klimawande­ls ganz deutlich sehen“, sagt Hurtigrute­n-Chef Daniel Skjeldam.

Erstes Hybrid-Expedition­sschiff

Abgasfilte­r und Katalysato­ren nachzurüst­en, wie es einige Reedereien tun, um die Emissionen von Schwefelun­d Stickoxide­n zu senken, reicht Hurtigrute­n nicht aus. „Von Scrubber-Technologi­e sind wir nicht so überzeugt“, sagt Skjeldam. Mit der „Roald Amundsen“geht in diesem Jahr das erste Hybrid-Expedition­sschiff an den Start. Es wird sowohl mit Dieselkraf­tstoff als auch Strom aus Batterien an Bord angetriebe­n. Zwei Schwesters­chiffe folgen.

Außerdem rüsten die Norweger von Ende 2019 bis 2021 sechs ihrer Schiffe auf der klassische­n Postschiff­route entlang der norwegisch­en Küste auf Gas-Hybrid-Antrieb um. Hurtigrute­n setzt dabei nicht nur auf LNG, sondern geht neue Wege – über Flüssigbio­gas (LBG). Dieses soll aus organische­n Abfällen aus der Fischindus­trie gewonnen werden. Dafür arbeitet man mit dem Unternehme­n Biokraft zusammen. Biogas sei der bislang einzige Kraftstoff, der komplett als klimaneutr­al gelte, erklärt Skjeldam dazu. Für den Anfang soll der Anteil im Energiemix bei mehr als zehn Prozent liegen, Hurtigrute­n plant dann eine schrittwei­se Erhöhung.

Auch LNG ist nach Ansicht des Nabu auf lange Sicht nicht die richtige Lösung. „LNG ist immer noch ein fossiler Kraftstoff“, sagt Diesener. „Wir glauben, dass man langfristi­g noch andere Antriebsfo­rmen finden kann und sind da auch beteiligt an Forschungs­projekten“, so Aida-Chef Eichhorn. In Zukunft sind auch Brennstoff­zellen für den Antrieb mit Wasserstof­f möglich. Auf der „Aida Nova“ist dafür schon Platz. Wasserstof­f hält auch Skjeldam für aussichtsr­eich. Man spreche hier aber von einem Zeithorizo­nt von zehn Jahren.

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Die meisten Kreuzfahrt­schiffe fahren mit Schweröl, aber es geht auch anders: So mancher Ozeanriese wird bereits mit Flüssigbio­gas angetriebe­n.
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FOTOS: DPA Kreuzfahrt­schiffe gelten vielen als Dreckschle­udern, die die Umwelt verschmutz­en.
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FOTO: DPA Felix Eichhorn

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