Neue Probleme für Europa
Die bevorstehende türkische Militärintervention in Syrien wird Folgen für Europa haben. Der Rückzug der US-Truppen aus dem kurdisch beherrschten Gebiet entlang der türkischen Grenze wird neue Spannungen schaffen, die in Deutschland und anderen EULändern zu spüren sein werden.
Für die Regierung in Ankara ist der Truppenabzug ein Erfolg, zumindest auf kurze Sicht. Staatschef Recep Tayyip Erdogan hat darauf gewettet, dass die USA und Präsident Donald Trump am Ende zum Abzug aus Nordost-Syrien bereit sein würden – und er hat recht behalten. Trump lässt seine kurdischen Verbündeten in Syrien schutzlos zurück. Für Erdogan ist sein Hauptziel in Syrien – die Zerschlagung des kurdischen Autonomiegebietes an der türkischen Südgrenze – greifbar nah.
Mit der Erlaubnis für den Einmarsch haben die USA der Türkei auch die Verantwortung für Zehntausende Gefangene aus den Reihen des sogenannten Islamischen Staates zugeschoben. Unter den IS-Kämpfern und ihren Angehörigen, die bisher von den Kurden bewacht werden, sind etliche Europäer und auch knapp 200 Deutsche. Die Türkei wird diese Gefangenen rasch an ihre Heimatländer durchreichen wollen.
Die Intervention könnte zudem indirekt zu einer Stärkung des IS beitragen. Kurdische Truppen, die bisher zusammen mit dem US-Militär den Druck auf die Terrormiliz in OstSyrien aufrechterhalten haben, werden sich möglicherweise den türkischen Truppen entgegenstellen. Der IS könnte daher bald wieder Gebiete erobern – und damit für Extremisten in Europa wieder attraktiver werden.
Mit der Intervention wird die Türkei zudem ihre Forderung an Europa verstärken, die Bildung der sogenannten Sicherheitszone im Norden Syriens zu unterstützen. Ankara will dort Millionen syrische Flüchtlinge aus der Türkei ansiedeln. An den Kosten von mehr als 20 Milliarden Euro soll sich Europa beteiligen. Bisher lehnen die Europäer das Projekt ab. Doch weil die EU in der Flüchtlingsfrage stark von der Mitarbeit der Türkei abhängt, kommen schwierige Fragen auf Europa zu.