Löw setzt auf Freiburger Koch
Löw gehen gegen Argentinien die Spieler aus und überrascht deshalb mit einem Freiburger
(dpa/sz) - Die Personalprobleme in der Defensive verschaffen Freiburgs Robin Koch eine unerwartete Chance in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft: Der 23-jährige Verteidiger, zuvor lediglich in der U21 im Einsatz, wurde am Montag von Bundestrainer Joachim Löw erstmals für die DFB-Elf nominiert. Nachnominiert für die Spiele gegen Argentinien am Mittwoch (20.45 Uhr/RTL) und Estland am Sonntag wurde auch Sebastian Rudy (Hoffenheim).
(falx/SID/dpa) - Das Legendenspiel der DFB-All Stars gegen die Azzurri-Legends musste Bundestrainer Joachim Löw dann trotz aller Verletzungssorgen doch nicht intensiv scouten, auch wenn Deutschland sich mit Alt-Heroen wie Marko Rehmer, Jens Nowotny oder Guido Buchwald ein 3:3-Remis gegen Italien sicherte. Dennoch war die Kader-Überraschung, die Löw kurz zuvor aus dem Hut gezaubert hatte, nur minder spektakulär.
Der Lehrgang mit dem Klassiker am Mittwoch gegen Argentinien und vier Tage darauf in der EM-Qualifikation in Estland (beide 20.45 Uhr/ RTL) könnte für Robin Koch zur großen Bühne werden. Seit 2017 spielt der 23-Jährige beim SC Freiburg, in dessen Stadion der Wahl-Freiburger Löw oft zu Gast ist. Koch spielt entweder im Abwehr- oder Mittelfeldzentrum, je nachdem, wo Trainer Christian Streich ihn braucht. Diese Flexibilität war vielleicht auch ein Grund für Löws Anruf. Und macht dieser jemanden ganz besonders stolz. Denn Kochs Vater ist nicht irgendein Fußball-Papa, sondern Harry Koch, seines Zeichen zwischen 1995 und 2003 beim 1. FC Kaiserslautern einer der bissigsten, zweikampfstärksten und unangenehmsten Verteidiger im deutschen Profifußballs.
In die Nationalmannschaft hat der heute 49-Jährige es allerdings nie geschafft, umso mehr freut er sich über die Berufung seines Sohnes ins A-Team: „Er hat mich am Nachmittag angerufen und davon erzählt. Man ist da schon stolz, wenn der Junge das erreicht“, sagte Harry Koch. „Von der Planung her war es natürlich unsere Hoffnung, dass er irgendwann in der Nationalmannschaft spielt. Dass es jetzt so schnell ging, liegt natürlich auch daran, dass so viele Spieler verletzt oder krank sind.“
Genau das ist auch der Hauptgrund für die erneute löwsche Rochade. Denn die Lage auf dem BVBTrainingsplatz in Brackel war äußerst übersichtlich. Nur zwölf Feldspieler konnte der Bundestrainer am Abend neben Kapitän Manuel Neuer zum ersten Training begrüßen. Der Rest? Verletzt, krank, noch nicht da, zur Regeneration im Hotel.
„Ich finde es sehr schade, weil unsere junge Mannschaft, wenn sie sich entwickeln will, eingespielt sein muss“, sagte der Improvisationskünstler wider Willen im Dortmunder Süden. Mit den Topstars Toni Kroos und Leroy Sané an der Spitze fehlt ihm fast eine komplette Elf. „Das tut uns weh. Das ist ungewöhnlich hart für uns, wir müssen von vorne beginnen“, ergänzte Löw besorgt. Zumal er weitere schlechte Nachrichten zu verkünden hatte. Timo Werner fällt gegen Argentinien wegen einer Grippe aus, ist noch nicht angereist. Ilkay Gündogan (muskuläre Probleme) ist fraglich und fehlte im Training, das ein nachdenklicher Löw mit tief in den Taschen vergrabenen Händen leitete. „Nur am Telefon“habe er vor dem Treffen gehangen. Nach dem Schalker Debütanten Suat Serdar, der am Sonntag die frohe Kunde erhalten hatte, nominierte Löw Hoffenheims Sebastian Rudy und eben Neuling Robin Koch nach. Beide sollen am Dienstag eintreffen.
Mats Hummels zurückzuholen war für Löw dagegen keine Option, auch wenn nach Kroos (Adduktoren) und Jonas Hector (neuromuskuläre Probleme) auch noch Matthias Ginter (Schulter) kurzfristig absagte. „An den habe ich jetzt nicht gedacht“, sagte er über den formstarken Rio-Weltmeister: „Wir gehen unseren Weg mit den jungen Spielern, es gibt keine Veranlassung, den Mats zu nominieren.“Stattdessen berief er
im Leverkusener Nadiem Amiri, Serdar und Koch drei Profis, die im Sommer mit der U21 im EM-Einsatz waren. Laut Löw ist es „durchaus denkbar“, dass sie gegen Argentinien zum Einsatz kommen. „Ich möchte nicht lamentieren, das ist auch eine Chance für andere, junge Spieler“, sagte er.
Und: Die Erwartungshaltung des Bundestrainers bleibe unverändert. „Gegen Estland wollen und werden wir gewinnen, unabhängig davon, mit welcher Mannschaft wir auflaufen“, sagte er. Als Tabellenführer der Gruppe C kann seine Auswahl mit einem Dreier beim Fußball-Zwerg einen großen Schritt in Richtung EMEndrunde machen. Das ArgentinienSpiel, in dem Torhüter Marc-André ter Stegen die erhoffte Bewährungschance erhält, sieht Löw als „Weiterbildungsgeschichte für unsere Jungen. Da steht das Ergebnis nicht im Vordergrund.“
Der zweimalige Weltmeister Argentinien bietet übrigens eine ähnlich junge Mannschaft auf. Weltstar Lionel Messi ist gesperrt, die Topspieler Sergio Agüero, Angel Di Maria, Mauro Icardi oder Gonzalo Higuain wurden nicht nominiert.
Angeführt wird das Aufgebot der Gauchos von den Klassestürmern Paulo Dybala (Juventus Turin) und Lautaro Martinez (Inter Mailand). „Sie haben sich wieder in der Weltspitze etabliert und bringen eine gesunde Härte mit“, sagte Löw: „Das wird eine gute Erfahrung für uns.“
Und ganz sicher auch Robin Koch.
„Man ist da schon stolz, wenn der Junge das erreicht.“
Harry Koch „Das tut uns weh. Das ist ungewöhnlich hart für uns, wir müssen von vorne beginnen.“
Joachim Löw