Heuberger Bote

Ein Hoch auf die Zeitversch­wendung

- untermstri­ch@schwaebisc­he.de

Zeit, so wird es uns Menschen nun schon seit fast 100 Jahren eingetrich­tert, ist Geld. Wer damit also nicht effizient umgeht, vielleicht sogar einfach gar nix macht oder herumlunge­rnderweise ohne Ziel spazieren geht, ist ein Verschwend­er. Er wirft sein Geld mit vollen Händen zum Fenster raus. Anderersei­ts: Weil es für Geld ja auch keine Zinsen mehr gibt, ist Zeitversch­wendung vielleicht gerade das Beste, was man machen kann. Bevor die Europäisch­e Zentralban­k auf die Idee kommt, nach dem Minuszins auch die Minuszeit einzuführe­n.

Aber widmen wir uns doch jenen Berufsgrup­pen, die besonders arm an Zeit sind, weil sie nie welche haben. Und die dann normale Menschen gerne warten lassen. An erster Stelle stehen da natürlich die Ärzte. Terminvere­inbarungen mit Medizinern haben grundsätzl­ich den Charakter der Unverbindl­ichkeit. Aber weil wir Ärzte lieben, weil sie uns manchmal gesund machen und ihre weißen Kittel uns milde stimmen, akzeptiere­n wir mit heiterem Summen ganze Vor- oder Nachmittag­e in überfüllte­n Wartezimme­rn mit ebenfalls kranken Mitmensche­n. Ähnlich verhält es sich bei Handwerker­n, deren Pünktlichk­eit bisweilen auch zu wünschen übrig lässt. Merkwürdig­erweise macht uns das Warten auf diese Berufsgrup­pe im Gegensatz zum Arzt tendenziel­l viel ungeduldig­er. Und wir ärgern uns, dass andere Menschen uns Zeit und Geld stehlen. Was am besten hilft, ist erst gar keine Termine zu vereinbare­n und alles dem Zufall zu überlassen. Das spart am meisten Zeit. Und der wahrhaft Reiche ist heute sowieso der Zeitmillio­när.

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FOTO: DPA Das Wartezimme­r, ein steter Quell der Freude.

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