„Protest ist erfolgreicher, wenn er weh tut“
Extinction Rebellion hat mit der Protestaktion in Berlin den Verkehr am Potsdamer Platz lahmgelegt. Anders gehe es jedoch nicht, sagt Karsten Schubert (Foto: Universität Freiburg), wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Politische Philosophie, Theorie und Ideengeschichte an der Universität Freiburg. Simon Siman hat mit ihm über die Grenzen von Protest gesprochen.
Herr Schubert, muss Protest stören, um gehört zu werden?
Ich würde es nicht als müssen bezeichnen, aber ich glaube, aus strategischer Sicht kann es ein sinnvolles Mittel sein. Protest ist erfolgreicher, wenn er weh tut, wenn er stört, wenn er behindert.
Wann geht Protest zu weit?
In einem insgesamt gut funktionierenden Rechtsstaat ist es entscheidend, dass keine Gewalt gegen Personen gerichtet wird.
Wurde mit zivilem Ungehorsam in der Vergangenheit mehr erreicht als mit friedlichem Protest?
Es gab bei historischen Ereignissen immer wieder Situationen, in denen es rückblickend angebracht war, die Grenzen des Legalen zu überschreiten. Etwa beim Kolonialismus, der Sklaverei oder Schwulenverfolgung.
Inwiefern kann radikaler Protest die Ziele einer Gruppierung überschatten?
Die Gefahr besteht immer. Aber auch bei dem aktuellen Thema des Klimaschutzes ging es bereits vor Extinction Rebellion oft um Formfragen des Protests. Bei „Fridays for Future“wurde oft die mediale Debatte darüber geführt, ob es in Ordnung ist, jeden Freitag die Schule zu schwänzen. Diese Strategie des „Derailing“(deutsch: entgleisen) wird eigentlich als politisches Instrument genutzt, um Diskussionen auf ein anderes Thema zu lenken.
Geht Extinction Rebellion zu weit?
Also, es ist schon putzig, wenn Straßenblockaden in Deutschland als unbequem oder problematisch gewertet werden. Im Vergleich zu anderen politischen Protestformen in der Geschichte ist das alles unglaublich zivil, was hier gemacht wird. Wenn ein paar Leute später zur Arbeit kommen, ist das absolut in Ordnung, angesichts dessen, was beim Klimawandel auf dem Spiel steht.