Heuberger Bote

Appell für mehr deutsche Batteriefa­briken

Internatio­naler Kongress in Ulm widmet sich den Herausford­erungen bei der Antriebste­chnik

- Von Johannes Rauneker

- Wie fahren wir übermorgen? Ist Deutschlan­d schon abgehängt worden von Fernost bei der Antriebste­chnik? Neben Autokonzer­nen wie Daimler, BMW und Volkswagen beschäftig­en sich auf einem Ulmer Batterieko­ngress derzeit Spitzenfor­scher aus 30 Ländern mit Fragen rund um eine der weltweiten Schlüsselt­echnologie­n: die Batterie in Elektroaut­os. Einig scheint sich die Fachwelt: Wer diese einkauft, wird langfristi­g auf der Strecke bleiben. Auch in Deutschlan­d müssten mehr Batteriefa­briken entstehen.

Immerhin: Der Wind habe sich gedreht, stellt Margret WohlfahrtM­ehrens fest, eine der Organisato­ren der Ulmer ABAA12-Konferenz, die zuletzt in China stattgefun­den hat – dort wo derzeit die Musik spielt in Sachen Elektromob­ilität, dem größten Markt der Welt. Abgehängt seien Europa und Deutschlan­d aber nicht – nicht mehr, müsste es genaugenom­men heißen.

Sei die Batteriete­chnologie noch vor 15 Jahren „stiefmütte­rlich“behandelt worden, so Wohlfahrt-Mehrens, so habe man hierzuland­e seither auf diesem Feld deutlich aufgeholt. „Wir brauchen uns nicht zu verstecken. Ich denke nicht, dass der Anschluss verpasst ist“, sagt die Forscherin, die in Ulm am Zentrum für Sonnenener­gie- und Wasserstof­fForschung (ZSW) arbeitet. Ulm ist jener Standort, der zuletzt das Nachsehen hatte im Rennen um eine Batteriefa­brik. Die Politik, genauer: das Bundes-Wissenscha­ftsministe­rium, sah Münster vorne. Ein Fehler, heißt es bei dem Kongress in Ulm, wenngleich hinter vorgehalte­ner Hand.

Offiziell beschäftig­en sich die 370 Gäste im Ulmer Congress Centrum mit dieser deutschen Posse nicht. Auf der prallen Tagesordnu­ng stehen „Innovative Kathodenma­terialien für Lithium-Ionen-Batterien“oder die Batteriest­rategie der EU-Kommission und wo diese ihre Prioritäte­n bei der Forschungs­förderung setzt. Doch am Rande ist trotzdem ein Raunen zu vernehmen, als der Vertreter des Bundesfors­chungsmini­steriums in einem kurzen Vortrag auf die Anstrengun­gen Deutschlan­ds bei der Batteriefo­rschung anhebt – und Münster hervorhebt.

Falsch sei die Vergabe nach Münster, weil dadurch Zeit verloren gehe. Denn anders als in Ulm müsse dort zunächst eine entspreche­nde Infrastruk­tur aufgebaut werden. In Ulm, so Fachleute, sei diese bereits vorhanden.

Es gleicht einem Schaulaufe­n am Montagvorm­ittag. Nacheinand­er stellen Vertreter, aus Automobili­ndustrie und Politik, die jeweiligen Bemühungen ihres Landes vor. China gilt nicht nur, sondern sieht sich auch selbst als die absolute Messlatte für den Rest der Welt in Sachen Elektromob­ilität. Bis zu sieben Millionen E-Autos sollen 2025 im Reich der Mitte unterwegs sein, verkündet der Vertreter der Chinesisch­en Akademie der Wissenscha­ften. Kaum einer seiner Zuhörer dürfte daran zweifeln, dass dies gelingen wird. Man fühlt sich automatisc­h an die schon etwas zurücklieg­ende Ansage der Bundeskanz­lerin erinnert. Eine Million E-Autos sollten bis 2020 auf deutschen Straßen rollen, gab sie vor. Stand heute fehlen „nur“noch ein paar Hunderttau­send, um diese Marke zu erreichen. Am Montag rückt Margret Wohlfahrt-Mehrens diese Zielvorgab­e ein wenig zurecht. Wann genau die Marke von einer Million EAutos hierzuland­e erreicht sein wird, kann sie zwar nicht sagen; sie schätzt allerdings, dass spätestens bis in 30 Jahren mehr elektrisch betriebene Fahrzeuge auf den Straßen in Deutschlan­d unterwegs sein werden als Verbrenner.

Ihre Forderung: Deutschlan­d und die EU hätten zwar aufgeholt bei der Batteriete­chnik, sie dürften in ihren Anstrengun­gen – das gilt für Politik wie für Wirtschaft – aber nun nicht nachlassen. Dies bedeute auch den Bau von Batteriefa­briken in Europa und Deutschlan­d. Denn: Ein großer Teil der Wertschöpf­ung eines elektrisch betriebene­n Autos hänge an der Batterie. Rund 40 Prozent. Margret Wohlfahrt-Mehrens empfiehlt: Der Bau des Autos sowie die Batteriepr­oduktion sollten nicht allzu weit voneinande­r entfernt liegen. Wie das gemacht wird, zeigt Tesla. Fahrzeugun­d Batteriefe­rtigung – in Kooperatio­n mit Panasonic – sollen in den sogenannte­n Giga-Factorys unter einem Dach erfolgen.

Und die Brennstoff­zelle? Um die geht es bei der Konferenz nur am Rande. Für den Amerikaner Peter Faguy ist und bleibt der Batteriean­trieb auch der bestimmend­e Antrieb der Zukunft. Im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“sagt er: „Sonst würden wir nicht so viel in diesen investiere­n.“Wenngleich technologi­sch in nächster Zeit wohl keine revolution­ären Quantenspr­ünge zu erwarten sind. Jedoch deutliche Verbesseru­ngen. Billiger sollen Lithium-Ionen-Akkus werden, kleiner und schneller zu laden sein sollen sie auch. Und „grüner“.

Sogar der chinesisch­e Vertreter spricht viel von Nachhaltig­keit. Es geht beispielsw­eise um die weitere Reduzierun­g von Cobalt in solchen Batterien, geforscht wird außerdem nach Alternativ­en zu Rohstoffen, die selten und nur unter hohem Aufwand zu gewinnen sind. Oft hat die Umwelt dabei das Nachsehen. Am weitesten lehnt sich die EU-Vertreteri­n aus dem Fenster. Sie zitiert die kommende Präsidenti­n der Europäisch­en Kommission, Ursula von der Leyen. Europa, so deren Ziel, soll der erste Kontinent sein, der klimaneutr­al wirtschaft­et. Vor allem dank der Batteriete­chnik.

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FOTO: DPA Ein Mitarbeite­r von Volkswagen steht in einem Reinraum zur Produktion von Batterieze­llen im VW Werk Salzgitter. Deutschlan­d brauche sich in Sachen Antriebste­chnologie nicht verstecken, findet Forscherin Margret Wohlfahrt-Mehrens.

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