Appell für mehr deutsche Batteriefabriken
Internationaler Kongress in Ulm widmet sich den Herausforderungen bei der Antriebstechnik
- Wie fahren wir übermorgen? Ist Deutschland schon abgehängt worden von Fernost bei der Antriebstechnik? Neben Autokonzernen wie Daimler, BMW und Volkswagen beschäftigen sich auf einem Ulmer Batteriekongress derzeit Spitzenforscher aus 30 Ländern mit Fragen rund um eine der weltweiten Schlüsseltechnologien: die Batterie in Elektroautos. Einig scheint sich die Fachwelt: Wer diese einkauft, wird langfristig auf der Strecke bleiben. Auch in Deutschland müssten mehr Batteriefabriken entstehen.
Immerhin: Der Wind habe sich gedreht, stellt Margret WohlfahrtMehrens fest, eine der Organisatoren der Ulmer ABAA12-Konferenz, die zuletzt in China stattgefunden hat – dort wo derzeit die Musik spielt in Sachen Elektromobilität, dem größten Markt der Welt. Abgehängt seien Europa und Deutschland aber nicht – nicht mehr, müsste es genaugenommen heißen.
Sei die Batterietechnologie noch vor 15 Jahren „stiefmütterlich“behandelt worden, so Wohlfahrt-Mehrens, so habe man hierzulande seither auf diesem Feld deutlich aufgeholt. „Wir brauchen uns nicht zu verstecken. Ich denke nicht, dass der Anschluss verpasst ist“, sagt die Forscherin, die in Ulm am Zentrum für Sonnenenergie- und WasserstoffForschung (ZSW) arbeitet. Ulm ist jener Standort, der zuletzt das Nachsehen hatte im Rennen um eine Batteriefabrik. Die Politik, genauer: das Bundes-Wissenschaftsministerium, sah Münster vorne. Ein Fehler, heißt es bei dem Kongress in Ulm, wenngleich hinter vorgehaltener Hand.
Offiziell beschäftigen sich die 370 Gäste im Ulmer Congress Centrum mit dieser deutschen Posse nicht. Auf der prallen Tagesordnung stehen „Innovative Kathodenmaterialien für Lithium-Ionen-Batterien“oder die Batteriestrategie der EU-Kommission und wo diese ihre Prioritäten bei der Forschungsförderung setzt. Doch am Rande ist trotzdem ein Raunen zu vernehmen, als der Vertreter des Bundesforschungsministeriums in einem kurzen Vortrag auf die Anstrengungen Deutschlands bei der Batterieforschung anhebt – und Münster hervorhebt.
Falsch sei die Vergabe nach Münster, weil dadurch Zeit verloren gehe. Denn anders als in Ulm müsse dort zunächst eine entsprechende Infrastruktur aufgebaut werden. In Ulm, so Fachleute, sei diese bereits vorhanden.
Es gleicht einem Schaulaufen am Montagvormittag. Nacheinander stellen Vertreter, aus Automobilindustrie und Politik, die jeweiligen Bemühungen ihres Landes vor. China gilt nicht nur, sondern sieht sich auch selbst als die absolute Messlatte für den Rest der Welt in Sachen Elektromobilität. Bis zu sieben Millionen E-Autos sollen 2025 im Reich der Mitte unterwegs sein, verkündet der Vertreter der Chinesischen Akademie der Wissenschaften. Kaum einer seiner Zuhörer dürfte daran zweifeln, dass dies gelingen wird. Man fühlt sich automatisch an die schon etwas zurückliegende Ansage der Bundeskanzlerin erinnert. Eine Million E-Autos sollten bis 2020 auf deutschen Straßen rollen, gab sie vor. Stand heute fehlen „nur“noch ein paar Hunderttausend, um diese Marke zu erreichen. Am Montag rückt Margret Wohlfahrt-Mehrens diese Zielvorgabe ein wenig zurecht. Wann genau die Marke von einer Million EAutos hierzulande erreicht sein wird, kann sie zwar nicht sagen; sie schätzt allerdings, dass spätestens bis in 30 Jahren mehr elektrisch betriebene Fahrzeuge auf den Straßen in Deutschland unterwegs sein werden als Verbrenner.
Ihre Forderung: Deutschland und die EU hätten zwar aufgeholt bei der Batterietechnik, sie dürften in ihren Anstrengungen – das gilt für Politik wie für Wirtschaft – aber nun nicht nachlassen. Dies bedeute auch den Bau von Batteriefabriken in Europa und Deutschland. Denn: Ein großer Teil der Wertschöpfung eines elektrisch betriebenen Autos hänge an der Batterie. Rund 40 Prozent. Margret Wohlfahrt-Mehrens empfiehlt: Der Bau des Autos sowie die Batterieproduktion sollten nicht allzu weit voneinander entfernt liegen. Wie das gemacht wird, zeigt Tesla. Fahrzeugund Batteriefertigung – in Kooperation mit Panasonic – sollen in den sogenannten Giga-Factorys unter einem Dach erfolgen.
Und die Brennstoffzelle? Um die geht es bei der Konferenz nur am Rande. Für den Amerikaner Peter Faguy ist und bleibt der Batterieantrieb auch der bestimmende Antrieb der Zukunft. Im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“sagt er: „Sonst würden wir nicht so viel in diesen investieren.“Wenngleich technologisch in nächster Zeit wohl keine revolutionären Quantensprünge zu erwarten sind. Jedoch deutliche Verbesserungen. Billiger sollen Lithium-Ionen-Akkus werden, kleiner und schneller zu laden sein sollen sie auch. Und „grüner“.
Sogar der chinesische Vertreter spricht viel von Nachhaltigkeit. Es geht beispielsweise um die weitere Reduzierung von Cobalt in solchen Batterien, geforscht wird außerdem nach Alternativen zu Rohstoffen, die selten und nur unter hohem Aufwand zu gewinnen sind. Oft hat die Umwelt dabei das Nachsehen. Am weitesten lehnt sich die EU-Vertreterin aus dem Fenster. Sie zitiert die kommende Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen. Europa, so deren Ziel, soll der erste Kontinent sein, der klimaneutral wirtschaftet. Vor allem dank der Batterietechnik.