Das letzte Kapitel der Bodan-Werft
Die Schiffsbauer in Kressbronn gehörten ehedem zu den großen ihrer Branche – Nun müssen sich die einstigen Chefs vor Gericht verantworten
- Eine unaufgeregte Szenerie am Bodensee, erfasst noch außerhalb von Gerichtssälen. Justitia wird erst später eine Rolle spielen. Für den Moment am Montagmorgen sieht es so aus: Südwestwind treibt Wellen an die Kaianlagen, Möwen krächzen von einem alten Schiffskran herunter, Zimmerer hämmern gemächlich am Dach ehemaliger Werftgebäude herum. Da braucht es schon viel Fantasie, um sich das einstige geschäftige Treiben auf dem Gelände vorzustellen. Schiffsbauer werkelten. Hier am Ortsrand von Kressbronn war einst die BodanWerft daheim – keine Firma für schwimmende Badewannen, sondern für weitaus Ambitionierteres, etwa für eindrucksvolle Ausflugsschiffe – zuletzt 2008 die Sonnenkönigin, das größte Bodensee-Schiff. „Die Bodan-Werft war eine der bedeutendsten Binnenwerften im deutschen Sprachraum“, urteilte der Denkmalschutz, als es vor einigen Jahren um den Erhalt der alten Werftanlagen ging.
Der Glanz verblasste. Es kam zu einer Tragödie: der Insolvenz 2011 – nach 92 Jahren. Immer noch fehlt aber das Schlusskapitel der früher so ruhmvollen Werft-Geschichte: das nun anstehende juristische Gefecht um das Schiffbau-Ende. Von Dienstag an muss sich der letzte Werftgeschäftsführer Robert Dittmann wegen möglicher Insolvenzverschleppung und vorsätzlichem Bankrott vor dem Amtsgericht Tettnang verantworten. Dies gilt ebenso für den Senior der ehemaligen Eigentümerfamilie, Wilhelm Dittmann. Ihm wird Untreue vorgeworfen. Die zuständige Staatsanwaltschaft Ravensburg hat lange ermittelt. Bereits 2011 fing sie damit an. Fünf Jahre zogen sich die Recherchen hin. Sie füllten 13 Ordner. Erst im Februar 2016 erfolgte die Anklageerhebung. Danach wurde der Prozessauftakt noch mehrmals verschoben – bis es jetzt am 8. Oktober so weit ist.
Erschwert wurden die Ermittlungen laut Staatsanwaltschaft offenbar durch ein Firmengeflecht, das sich hinter der Muttergesellschaft BodanWerft Motoren- und Schiffbau GmbH verbarg. Das Gerichtsverfahren betrifft fünf der Betriebe. Wobei die Staatsanwaltschaft gegen Robert Dittmann 25 Vorwürfe gesammelt hat. Konkret werden 20 Fälle des vorsätzlichen Bankrotts angeführt. Fünfmal geht es um Insolvenzverschleppung. Im Zusammenhang mit Vater Wilhelm sind es drei Untreuevorwürfe.
Die Anklage geht unter anderem davon aus, dass „die Buchhaltung nicht ordnungsgemäß gemacht“worden sei – und zwar „immer zur Zeit der Überschuldung oder sich abzeichnenden Zahlungsunfähigkeit“. Ein weiterer Vorwurf dreht sich um die jeweiligen Bilanzen in den besagten Zeiträumen. Demnach wurden sie „entgegen des Handelsrechts“so aufgestellt, dass die Übersicht über Vermögenswerte verschleiert worden sei. Die Bilanzaufstellung habe zudem nicht in der vorgeschriebenen Zeit stattgefunden. Dies umreißt die Anklage gegen den Sohn. Beim Vater sieht es nach den Angaben der Staatsanwaltschaft folgendermaßen aus: Die Untreuevorwürfe stehen im Zusammenhang mit Bankdarlehen.
Auf schriftliche Nachfrage teilt Robert Dittmann mit, dass „wir im Vorgriff auf das besagte Verfahren keinerlei Stellungnahme abgeben möchten“. Dies ist ein im Vorfeld von Prozessen übliches Statement der jeweiligen Angeklagten-Seite. Für Außenstehende ist nur klar ersichtlich, wie turbulent das Ende der Werft war. Erstes über Insiderkreise hinaus hörbares Krisengemurmel gab es in Kressbronn während des Baus der Sonnenkönigin. Sie war im Sommer 2006 von den Vorarlberg Lines in Auftrag gegeben worden. Ursprünglich sollte das Veranstaltungsschiff rund 8,5 Millionen Euro kosten. Nach diversen Änderungswünschen des Auftraggebers und weiteren Verzögerungen wuchs die Summe bis zum Schluss nach offiziellen Angaben auf circa 13 Millionen Euro. Das Problem dabei: Die Bodan-Werft musste das Projekt vorfinanzieren. Am Schluss gab es wegen des Geldes noch Prozesse mit beteiligten Partnern – beispielsweise mit den Vorarlberg Lines. Laut Berichten in verschiedenen Medien war schließlich bis 2010 ein Schuldenberg in Höhe von 16 Millionen Euro zusammengekommen. Am 28. Dezember desselben Jahres verkündete Robert Dittmann seiner damals noch 60-köpfigen Belegschaft, die Werft müsse schließen. Im Frühjahr 2011 meldete der Geschäftsführer Insolvenz an.
Irritiert wurde aber von manchem in Kressbronn eine Entwicklung im Gemeinderat registriert. Das Gremium hatte sich bereits am 20. Oktober 2010 mit einer Bebauungsplan-Änderung für die 50 000 Quadratmeter des Werftgeländes beschäftigt. Das Errichten von Wohnungen sollte nun zulässig werden. Das heißt, es gab bereits vor der eigentlichen Insolvenzerklärung Gespräche über eine neue Nutzung des Geländes.
An diesem Punkt kommt der auswärtige Immobilien-Investor Willi Schmeh ins Spiel. Er verwertete später weite Teile des Werftgeländes. Dass es etwas dauerte, hatte mit dem Denkmalschutz zu tun. Dieser war etwas unerwartet als weiterer Akteur auf der Bodan-Bühne aufgetaucht und erklärte weite Teile der Werftanlagen zum Industriedenkmal. Letztlich konnte Schmeh jedoch in den kommenden Jahren mehrere Hauskomplexe hochziehen. Darin befinden sich 125 Eigentumswohnungen im Preisbereich von jeweils einer Million Euro. Nichts für normale Kressbronner, wie vor Ort geschimpft wird.
Aber zurück zu Robert Dittmann. Insbesondere die IG Metall warf ihm vor, schon früh den Plan eines Verkaufs des Werftgeländes verfolgt zu haben. Wie in der Presse damals unter Bezug auf Gewerkschaftskreise berichtet wurde, hätte es nämlich eventuell die Chance zum Fortführen der Schiffsgeschäfte gegeben. Es ist die Rede davon, dass für das Jahr 2009 insgesamt 18 millionenschwere Projekte akquiriert worden seien. Im Folgejahr hätten 23 Projekte angestanden. Offiziell bestätigt wurden die Zahlen nie. Sie passen auch nicht so richtig zu anderen Angaben. So thematisierte die höchst verärgerte IG Metall parallel dazu bei Verhandlungen für einen Sozialplan, dass „die Werft schon lange wirtschaftliche Probleme gehabt“habe – zumindest länger, als in der Öffentlichkeit vermutet worden war. So habe die Bodan-Belegschaft seit 2004 immer wieder auf Tarifleistungen und Sonderzahlungen verzichtet – soll heißen, die Beschäftigten hätten genug geblutet.
Unbestritten in der Bodan-Historie ist, dass die Werft nach einem langen Aufstieg ihre besten Zeiten bereits lange hinter sich hatte. Hierzu ein Blick auf die Geschichte. Gegründet worden war das Unternehmen 1919 gleich nach dem Ersten Weltkrieg. Das Besondere war, dass es die erste industriell arbeitende Werft am Bodensee war. Ein entscheidender Schritt geschah 1924: Statt Holz- wurden nun Stahlboote gebaut. Es ging steil bergauf. Die Werft wuchs und wuchs. Sie baute alles mögliche: Fahrgastschiffe, Auto- und Eisenbahnfähren, Pionierboote für die Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg, Fähren für die Bundeswehr, Zoll- und Polizeiboote. Ein größerer Teil der Schiffe auf Schweizer Gewässern entstand in Kressbronn. In der deutschen Weißen Flotte des Bodensees schwimmen Bodan-Erzeugnisse mit.
Die beste Epoche waren wohl die Jahre nach 1945 bis weit in die Wirtschaftswunderzeit hinein. Überall am Bodensee wollten die Schifffahrtsgesellschaften ihre alten Kähne ersetzen. Schaufelraddampfer, die noch aus dem Königreich Württemberg stammten, hatten ausgedient. Das Geschäft lief. Um 1970 herum arbeiteten rund 200 Menschen auf der Bodan-Werft.
Spätestens jetzt machte sich aber die Crux des erfolgreichen Tuns bemerkbar: Schiffe haben eine lange Verfallszeit. Ersatz wird nicht so schnell benötigt. Die Auftragslage wurde schwächer. Um über die Runden zu kommen, erweiterte die Werft deshalb ihre Geschäftsfelder – beispielsweise durch Schwimmbadbau. Ein Geschäftsbereich, der bemerkenswerterweise noch existiert, also nicht von der Insolvenz betroffen ist.
Wie es sich letztlich mit der Werft verhielt, muss nun das Tettnanger Amtsgericht klären. Bisher ist nach dem Sitzungstag am Dienstag noch ein weiterer Termin anberaumt. „Es können aber auch mehr werden“, verlautbart die Staatsanwaltschaft.