Heuberger Bote

Ein schlechtes Jahr für Mostereien

Michael Scheer spricht vom „schlechtes­ten Jahr, das er je erlebt hat“– Dankbar ist er trotzdem

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(sbo) - Ein Desaster für sämtliche Mostereien: Es gibt so gut wie kein Obst. Darüber zerbricht sich Michael Scheer von der Mosterei Zimmern jedoch nicht den Kopf. Ganz im Gegenteil: Er will 500 Kilometer zu Fuß gehen, um den Menschen zu zeigen, was Dankbarkei­t bedeutet.

Die Saison ist für Mostereien um diese Jahreszeit normalerwe­ise schon vorbei – heuer hat sie noch nicht einmal begonnen. „Das ist das schlechtes­te Jahr, das ich jemals erlebt habe“, sagt Scheer, Betriebsch­ef der Mosterei Zimmern. „Hier in der Region gibt es einfach keine Äpfel. Und anderes Obst genauso wenig.“Gleiches berichtet die Mosterei Grimm aus Villingend­orf. Keine Äpfel – eine wirtschaft­liche Katastroph­e, die im Handel sicherlich zu utopischen Preisen führen werde.

Der kalte Frühling sei schuld gewesen. „Letztes Jahr gab es Obst in Hülle und Fülle. Auch Anfang diesen Jahres habe ich mich über die vielen Blüten gefreut“, erklärt Scheer. „Und dann ist alles erfroren.“Lediglich drei Kunden habe er nun.

Am vergangene­n Samstag habe der Betrieb mit dem Mosten angefangen. Die Preise wolle er jedoch nicht erhöhen. Was bedeutet das für ihn und seinen Betrieb? „Dass man dankbar sein muss“, kommt die unerwartet­e Antwort. „Viele Bauern und Betriebe hört man nörgeln, die Sommer seien zu heiß oder die Winter zu kalt. Jeder freut sich über Bäume voller Früchte, ich habe aber noch nie erlebt, dass sich jemand einfach nur über eine grüne Wiese gefreut hätte.“

Aus Scheer spricht eine Lebenseins­tellung, die ihn erst vor wenigen Tagen zu einem Entschluss gebracht hat. „Ich werde 500 Kilometer von Rottweil nach Straelen in NordrheinW­estfalen zu Fuß gehen – und zwar ohne einen Cent in der Tasche.“Dann ist er auf die Gastfreund­schaft der Menschen angewiesen. „Ich mache das im Februar. Nicht nur, weil ich pünktlich zum Valentinst­ag am 14. Februar ankommen will, sondern auch weil Winter ist.“Denn Scheer kann auch bei Minusgrade­n dankbar sein für das, was er hat.

Auf seiner auf 20 Tage angesetzte­n Reise wird er vielen Menschen begegnen. „Kaum jemand erwidert heute überhaupt noch einen Gruß“, meint er entsetzt. „Jeder ist in seinem Hamsterrad gefangen, reißt den Arbeitstag runter, und ist dabei unzufriede­n. Warum eigentlich?“Er jedenfalls brauche nicht viel zum zufrieden sein. Und das will er den Menschen vermitteln.

Das Ziel seiner Reise? „Ich besuche eine Person, die mir sehr am Herzen liegt“, sagt Scheer. Jedes Jahr nach Saisonabsc­hluss lade er seine Mitarbeite­r auf eine Reise in die Türkei ein. Und dort habe er die Frau kennengele­rnt, die er nun zu Fuß besuchen will, um ihr am Valentinst­ag einen Blumenstra­uß zu überreiche­n. „Es fällt heute vielen schwer, etwas für andere zu tun.“Scheer jedenfalls ist kein Weg zu beschwerli­ch für seine Liebsten – nicht einmal, wenn er 500 Kilometer weit ist.

Innerhalb der nächsten Monate will er seine Reise genauer planen und sich vorbereite­n, denn er macht laut eigener Aussage sonst keinen Sport. Am Erfolg seines Vorhabens hat er dennoch keine Zweifel, denn „ich schaffe alles, was ich mir vornehme.“

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