Heuberger Bote

Seit mehr als 100 Jahren unberührt

Restaurato­rin zeigt Fortschrit­t in der Zeilenkape­lle und berichtet von Archiv-Recherche

- Von Linda Seiss

- Klack, klack, klack. Metall trifft auf Metall. Schon außerhalb der Zeilenkape­lle ist ein Klopfen zu hören. Im Inneren sind Louise Schreiber-Knaus und Bärbel Stein bei der Arbeit. Vorsichtig legen sie den Meißel an das GipsZement-Gemisch des Sockels. Dann trifft der Hammer auf – klack, klack, klack. Die Restaurato­rinnen legen das Mauerwerk des Denkmals frei.

In der Zeilenkape­lle ist es kühl. Morgens habe es sechs Grad gehabt, tags zuvor sogar nur vier, schildert Bärbel Stein. Sie trägt eine Mütze und kniet auf einem Schaumstof­fkissen im Schiff der Kapelle. „Im Sockelbere­ich, wo wir arbeiten, ist es besonders kalt“, erläutert Louise Schreiber-Knaus. „Deshalb ist es wichtig, immer eine Kanne Tee dabei zu haben“, sagt sie und deutet auf eine große Thermoskan­ne.

Dort, wo die Frauen arbeiten, fühlt sich die Wand klamm an. „Das Gips-Zement-Gemisch hat die Eigenschaf­t, dass es das Wasser aus der Luft speichert“, sagt die DiplomRest­auratorin. Durch das Abnehmen des Materials „sollte auch das Klima in der Kapelle besser werden“, erläutert sie.

Das Schiff ist nicht der einzige Ort, an dem Schreiber-Knaus arbeitet. Über zwei schmale Leitern geht es nach oben über den Chorraum. Kopf einziehen ist angesagt, denn nach dem ersten Aufstieg geht es über das Gerüst noch eine Etage höher. Unter einem Bogen durchgekro­chen kommen die Malereien zum Vorschein, die sich oberhalb des Chorraums befinden. Ein Strahler leuchtet eine Seite der Wand an.

Mehrere kleine Aufkleber sind an den Wänden angebracht. Denn derzeit dokumentie­rt Schreiber-Knaus, die an der Kunsthochs­chule in Dresden studiert hat, den Bestand der Wandmalere­ien. „Die Dokumentat­ion ist sehr wichtig.“Sie hat eine Fotografie der Wand in der Hand. Darauf sind kleine, rot schraffier­te Flächen eingezeich­net. Die Restaurato­rin klopft mit ihrer Hand die Wand ab. Es klingt hohl. Sie sagt, dass diese Stelle hinterfüll­t werden müsse und zeichnet den Bereich in der Karte ein. Nicht überall, wo ein Hohlraum sei, müsse nachgebess­ert werden. Nur die Bereiche, die gesichert werden müssen, zeichne sie ein, sagt sie. „Man versucht, zu viele Eingriffe zu vermeiden.“

Das Licht ist so eingestell­t, dass die buckelige, unruhige Oberfläche der Wand ins Auge sticht. „Die Arbeitswei­se lässt darauf schließen, dass die Wände tatsächlic­h im Mittelalte­r verputzt wurden“, erklärt Schreiber-Knaus, die sich auch mit Kunstgesch­ichte beschäftig­t. In der Gotik seien die Oberfläche­n nicht so sehr geglättet worden wie beispielsw­eise zur Barock-Zeit, benennt sie ein Erkennungs­merkmal.

Schreiber-Knaus berichtet, dass sie parallel zu den Arbeiten in der Kapelle auch Archiv-Recherche betrieben habe. Dazu sei sie mit ihrem Mann ins Generallan­desarchiv nach Karlsruhe gefahren. „Wir sind nun in einem Bereich, an dem seit gut 100 Jahren niemand mehr war“, berichtet sie von ihren Entdeckung­en. „Nach jetzigen Recherchen gehe ich davon aus, dass die Zeilenkape­lle vor über 100 Jahren das letzte Mal restaurier­t wurde – und dann nie wieder.“Denn sie sei auf Akten der letzten Restaurier­ung der Zeilenkape­lle gestoßen. Darunter seien „richtig alte Briefe“aus den Jahren 1903 und 1911, sagt sie. Ihr Mann transkribi­ere nun auszugswei­se einige Texte.

„1903 wurden die mittelalte­rlichen Malereien freigelegt. Und laut den Akten war auch der Pfarrer damals sehr interessie­rt.“Bereits damals habe man ansatzweis­e so wie heute gearbeitet und Denkmalpfl­ege betrieben. In ihren Ausführung­en schwingt Begeisteru­ng mit. „Um 1911 ist der Hoffotogra­f Kratt aus Karlsruhe angereist und hat seine Technik in der Kapelle aufgebaut. Das ist spektakulä­r, dass es Fotos davon gibt, wie die Restaurato­ren die Malereien freigelegt haben.“

Für ihre Arbeit sei es wichtig, zu verstehen, wie ihre Kollegen die Restaurier­ung damals angegangen sind, erklärt SchreiberK­naus. Oberhalb eines Fensters ragt grauer Putz in eine Wandmalere­i – wohl ein Relikt einer deutlich früheren Restaurier­ung. Als die Kunst aus dem Mittelalte­r vor gut 100 Jahren wieder freigelegt wurde, habe man bereits sehr modern gearbeitet, erklärt sie. „Man hat akzeptiert, dass das Original da ist, es aber oberhalb vom Fenster diese Störung gibt und diese so belassen.“Denn, das betont sie: „Man sollte gar nicht sehen, dass Restaurato­ren da waren. Die Arbeit ist dann gut, wenn die Wandmalere­ien als Original empfunden werden.“

Mit ihrer Archiv-Recherche sei sie noch nicht am Ende, erläutert Schreiber-Knaus. Sie steigt die Leitern wieder hinunter, zieht Handschuhe an und platziert sich zwischen den Gerüst-Stangen. Vorsichtig setzt die Restaurato­rin den Meißel an. Dann erklingt das vertraute metallisch­e Klopfen. Der Putz bröckelt von der Wand auf den Boden. Weil alte Mittelalte­rputze unter dem Sockelputz sind, arbeiten die Fachfrauen diesen vorsichtig aus. „Das gehört auch zum Geschäft dazu“, sagt Schreiber-Knaus. An manchen Stellen seien Spuren der Hammer von vor 100 Jahren zu sehen, erklärt sie. „Deshalb sind wir sehr vorsichtig, denn man sollte keine Verletzung­en der alten Oberfläche sehen.“

Noch vor dem Winter sollen die Freilegung­s-Arbeiten beendet werden, sodass die Oberfläche­n trocknen können. Im Frühjahr soll dann Kalkputz verarbeite­t werden. „Der kann atmen und auch Salze aufnehmen“, schildert sie. Dass im Winter mit den Arbeiten pausiert wird, habe mehrere Gründe. Zum einen ist die Kapelle nicht beheizt. Schon jetzt ist es empfindlic­h kühl. „Die Materialie­n, mit denen wir arbeiten, sind nicht frostfest“, benennt Schreiber-Knaus einen weiteren Aspekt.

Im Frühjahr geht es für die Restaurato­rinnen dann mit intensiven Reinigungs- und Sicherungs­arbeiten weiter. Doch zuerst muss die Freilegung des Mauerwerks fertiggest­ellt werden. Draußen ist es um einiges wärmer als im Inneren der denkmalges­chützten Kapelle. Der vertraute metallisch­e Klang vom Aufeinande­rtreffen von Hammer und Meißel ist noch immer zu hören. Doch bald schon wird es in der Zeilenkape­lle still sein.

„Die Arbeit ist dann gut, wenn die Wandmalere­ien als Original empfunden werden“, erklärt Restaurato­rin Louise Schreiber-Knaus, dass man gar nicht sehen sollte, wenn Restaurato­ren zugange waren.

 ?? FOTOS: LINDA SEISS ?? Bevor die Wandmalere­ien oberhalb des Chores bei der letzten Restaurier­ung freigelegt wurden, seien sie hinter einem Putz versteckt gewesen, der sie heute noch zum Teil verdeckt, schildert Louise Schreiber-Knaus (links). Noch sei die Archivarbe­it nicht abgeschlos­sen – unter anderem soll über das Wappen, das an der Decke oberhalb des Chores ist, noch mehr herausgefu­nden werden. Auf die Knie und unter dem Bogen durchgekra­bbelt: Über das Gerüst gelangt man zu den Wandmalere­ien – zu Kunstschät­zen, die laut Recherchen von Diplom-Restaurato­rin Schreiber-Knaus seit gut 100 Jahren nicht mehr restaurier­t wurden (Mitte unten). Strahler, Karten und Schreibmat­erial: Oberhalb des Chores wird derzeit alles dokumentie­rt.
FOTOS: LINDA SEISS Bevor die Wandmalere­ien oberhalb des Chores bei der letzten Restaurier­ung freigelegt wurden, seien sie hinter einem Putz versteckt gewesen, der sie heute noch zum Teil verdeckt, schildert Louise Schreiber-Knaus (links). Noch sei die Archivarbe­it nicht abgeschlos­sen – unter anderem soll über das Wappen, das an der Decke oberhalb des Chores ist, noch mehr herausgefu­nden werden. Auf die Knie und unter dem Bogen durchgekra­bbelt: Über das Gerüst gelangt man zu den Wandmalere­ien – zu Kunstschät­zen, die laut Recherchen von Diplom-Restaurato­rin Schreiber-Knaus seit gut 100 Jahren nicht mehr restaurier­t wurden (Mitte unten). Strahler, Karten und Schreibmat­erial: Oberhalb des Chores wird derzeit alles dokumentie­rt.
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Louise Schreiber-Knaus (links) und Bärbel Stein (rechts) nehmen den Putz – ein Gemisch aus Gips und Zement – ab. Im Frühjahr wird dann mit Kalkputz verputzt.
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FOTOS: LINDA SEISS/KEVIN RUDNER In der Zeilenkape­lle in Emmingen-Liptingen laufen Restaurier­ungsarbeit­en.
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