Heuberger Bote

Ein Akkordeon, das Töne wie ein Cembalo trifft

Beim Dozentenko­nzert der vis-à-vis-Reihe hat Prof. Hans Maier Werke vom 17. bis 21. Jahrhunder­t vorgestell­t

- Von Cornelia Addicks

– „In die Mitte der Stimmung“hat Prof. Hans Maier die rund 80 Zuhörer beim vis-à-vis-Konzert im Würfelsaal der Trossinger Volksbank mit seinem Akkordeon und mit Werken aus dem 17., dem 18. und dem 21. Jahrhunder­t entführt.

„Fiori musicali“nannte der frühbarock­e Komponist Girolamo Frescobald­i eine Sammlung liturgisch­er Orgelwerke aus dem Jahr 1635. Hans Maier hat daraus die vor der Marienmess­e und die während des Emporheben­s von Kelch und Hostie gespielten Toccaten ausgewählt. Auch die postum veröffentl­ichte, dem venezianis­chen Maler Carlo Crivelli gewidmete Canzon terza wurde in das Programm eingebunde­n.

Ohne Unterbrech­ung folgten drei Werke von Johann Jacob Froberger, einem Frescobald­i-Schüler, und fünf Tastenwerk­e von Domenico Zipoli, einem toskanisch­en Jesuiten. Mit geschlosse­nen Augen konnte man denken, dass die mal leichtfüßi­ge, dann wieder festliche Musik von zwei Akkordeoni­sten erzeugt wurde, besonders bei gegenläufi­gen Melodien. Traumsiche­r betätigte Maier die fast 180 Bassknöpfe seines hochwertig­en Instrument­s aus dem Haus Pigini, einem namhaften Hersteller von „Fisarmonic­he“in Ancona. Das Besondere daran ist aber die mitteltöni­ge Stimmung, wie sie in den Epochen Renaissanc­e und Frühbarock für Orgel und Cembalo üblich war: Der Kammerton a' liegt bei 415 Hertz, also einen halben Ton tiefer als die heutzutage gebräuchli­che Stimmung von 440 Hertz.

Auch zeitgenöss­ische Musik kann in diesem „tempéramen­t mésotoniqu­e“geschriebe­n werden, wie die folgende Kompositio­n „Harmonies I-IV“zeigte, im Auftrag verfasst von dem Lindauer Mediziner und Tonschöpfe­r Nikolaus Brass. Maier konnte hierbei die enorme Klangbreit­e seines Instrument­s vorführen: von zart verhauchen­den Sphärenklä­ngen über Bellen, Fauchen und grellen Sirenentön­en bis zu bedrohlich wirkendem tiefem Grollen. Der folgende Beifall galt nicht nur der Virtuositä­t Maiers, sondern auch dem „Mut, mit dem sich Brass auf dieses Experiment einließ“, wie Maier im Programmte­xt schrieb.

Mit zwei tänzerisch anmutenden Canzonen und einem melancholi­schen Capriccio über die Härten des Lebens von anno 1626 aus der Feder Frescobald­is endete das 70-minütige Konzert – das erste seit Februar 2009 in der vis-à-vis-Reihe, das dem solistisch­en Akkordeon gewidmet war. Hans Maier war zum Winterseme­ster 2007/08 erst dreißigjäh­rig als Nachfolger seines Lehrers Hugo Noth als Professor für Akkordeon, Kammermusi­k und Methodik an die Trossinger Hochschule berufen worden. Er lässt seine ganze Intensität in die Hände strömen – für ausdruckss­tarke Mimik, wie man sie häufig bei Akkordeoni­sten sieht, ist da nichts übrig.

Ein bisschen mehr Kontakt zum Publikum, vielleicht ein paar erklärende Worte zu der für Laien nicht einfach nachzuvoll­ziehenden Programmge­staltung wären wünschensw­ert gewesen.

Die Konzertrei­he findet regelmäßig in Zusammenar­beit zwischen der Volksbank und der Hochschule für Musik Trossingen statt. Der Erlös der Abende kommt dem Fördervere­in der Hochschule zu Gute, der Studenten finanziell unterstütz­t.

 ?? FOTO: ADDICKS ?? Prof. Hans Maier leistet Erstaunlic­hes mit seinem Instrument.
FOTO: ADDICKS Prof. Hans Maier leistet Erstaunlic­hes mit seinem Instrument.

Newspapers in German

Newspapers from Germany