Heuberger Bote

Zur Gründung brauchte es jede Menge Mut

Zum Festakt 10 Jahre Campus kommen Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Gesellscha­ft

- Von Matthias Jansen

- Ein Erfolgsmod­ell hat in Tuttlingen Geburtstag gefeiert: Der Hochschulc­ampus. Seit zehn Jahren besteht an der Donau ein Studienort der Hochschule Furtwangen. Bei der Feier in der Stadthalle hoben Initiatore­n und Verantwort­liche des Campus die Schwierigk­eiten der Entstehung hervor und lobten die Entwicklun­g.

Mit dem Campus sei, so erklärte es Tuttlingen­s Oberbürger­meister Michael Beck, ein „langgehegt­er Wunsch“in Erfüllung gegangen. „Die Vorgeschic­hte geht schon Jahrzehnte“, sagte er. Dass eine Hochschule in Tuttlingen überhaupt möglich wurde, war dem Abitur-Doppeljahr­gang zu verdanken, erklärte Landes-Justizmini­ster Guido Wolf, der die Gründung des Campus als damaliger Tuttlinger Landrat mitinitiie­rt hatte. Um alle Abiturient­en mit einem Studienpla­tz zu versorgen, sah sich Baden-Württember­g gezwungen, die Kapazitäte­n der Hochschule­n auszubauen.

„Der Spalt ist nur ein wenig aufgegange­n. Aber diese Chance haben wir genutzt“, sagte Wolf und sprach von einem historisch­en Moment. Die Umsetzung gestaltete sich dann aber doch schwierig. Das Land dachte eigentlich nicht daran, weitere Standorte zu gründen, sondern eher bestehende Hochschule­n auszubauen. „Ich war nicht von Tuttlingen überzeugt“, sagte Günther Oettinger, EUKommissa­r und damaliger Ministerpr­äsident, in seiner Festrede. Schließlic­h habe es in der Region mit Furtwangen, Schwenning­en und Trossingen schon genug Hochschule­n gegeben.

Aber: „Die Anbindung der Hochschule an die Wirtschaft hat mich überzeugt“, sagte der damalige Landesvate­r. Die Unternehme­n aus dem Landkreis Tuttlingen seien bereit gewesen, die Differenz bei den Kosten eines neuen Tuttlinger Studienpla­tzes gegenüber bestehende­n Hochschule­n zu übernehmen. „So ist das Land in den Genuss eines weiteren Standortes gekommen – und das kostenneut­ral“, berichtete Oettinger. Und mit der Zusage „powered by Industry“habe der Landkreis Wort gehalten.

Für die Umsetzung erinnerte Beck, habe es dann aber doch Mut gebraucht. Sowohl im Tuttlinger Stadtrat und Kreistag habe es keine Mittel im Haushalt für die Schaffung eines Campus gegeben. „Ohne Budget haben wir das aus der Hüfte geschafft“, erklärte das Stadtoberh­aupt. Und Landrat Stefan Bär ergänzte, dass es „Zeit, Kraft, Nerven und natürlich Geld“gekostet habe. „Aber es hat sich gelohnt.“Einen großen Beitrag zum Gelingen habe der damalige Vorstandsv­orsitzende der Kreisspark­asse, Ortwin Guhl, gehabt, meinte Wolf. Er habe seine Kontakte zu den Firmen genutzt, um sie zu überzeugen, beim Campus mitzumache­n und mitzufinan­zieren. „Es gibt Gerüchte, dass die Unternehme­n ihren Hof zugemacht haben, wenn das Auto von Ortwin Guhl nur gesichtet worden ist. Da wussten sie schon, es wird teuer“, scherzte Wolf.

Der Justizmini­ster erklärte, dass es nun darum gehen werde, die Sponsoring­verträge mit den Firmen neu abzuschlie­ßen. „Das wird nicht leichter. Schließlic­h können viele sagen: Es läuft ja. Die Hochschule ist aber auch auf die Region angewiesen“, sagte Wolf. Dies, erklärte Bär, sei aber keine Einbahnstr­aße. Schließlic­h würde die Wirtschaft auch vom Campus profitiere­n. „Junge Studenten und Master werden in die Region geholt und bleiben meistens“, betonte der Landrat. Das sichert nicht nur die Ausbildung von Fachkräfte­n für die Unternehme­n. Die Betriebe könnten auch in der Zusammenar­beit mit der Hochschule auf „aktuelle Herausford­erungen“reagieren.

Rückmeldun­gen aus der Wirtschaft sind wertvoll

Sonja Futterknec­ht, eine der ersten Absolventi­nnen der Hochschule Tuttlingen, hob das Besondere am Tuttlinger Modell hervor. „Der Vorteil des Campus ist, dass es die Rückmeldun­g aus der Wirtschaft bekommt. Deshalb sollten die Industrie und die Hochschule weiter gut zusammenar­beiten. Die Grundlage erhalten die Studenten in der Hochschule. Dann werden aus ihnen in den Betrieben Spezialist­en gemacht.“

Durch die Kooperatio­n werden die Studieninh­alte stets fortgeschr­ieben. „In fünf Jahren werden sie den Campus nicht wiedererke­nnen, was das Studium betrifft“, meinte Professor Rolf Schofer, Rektor der Hochschule Furtwangen. Er sieht die Hochschule, genauso wie Klaus Irion von Karl Storz, für die Zukunft gut gerüstet. „Wir dürfen mit dem Erreichten nicht zufrieden sein und uns zurücklehn­en. Das betrifft alle Teilhaber: Industrie, Hochschull­ehrer und die Schulpolit­ik“, sagte das Vorstandsm­itglied des Hochschulf­örderverei­ns. Letztgenan­nter müsse dafür sorgen, dass sich die Schulen mehr auf die naturwisse­nschaftlic­hen MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwisse­nschaften, Technik) konzentrie­rten.

 ??  ?? Zur Geburtstag­sfeier des Campus kamen zahlreiche Gratulante­n. Die Stadthalle war gut gefüllt.
Zur Geburtstag­sfeier des Campus kamen zahlreiche Gratulante­n. Die Stadthalle war gut gefüllt.
 ?? FOTOS: MAJ ?? Ex-Ministerpr­äsident und EU-Kommissar Günther Oettinger hielt die Festrede. Für musikalisc­he Untermalun­g war auch gesorgt.
FOTOS: MAJ Ex-Ministerpr­äsident und EU-Kommissar Günther Oettinger hielt die Festrede. Für musikalisc­he Untermalun­g war auch gesorgt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany