Heuberger Bote

Glatzen mögen weder Koffein noch Knoblauch

Eine aktuelle Studie zeigt, was wirklich gegen Haarausfal­l hilft

- Von Jörg Zittlau

Geheimrats­ecken, kahle Stellen am Hinterkopf oder sogar Glatze: Vier von fünf Männern bekommen es in ihrem Leben mit erblich bedingtem Haarausfal­l, der androgenet­ischen Alopezie, zu tun. Sie ist kein Zeichen von Krankheit. Doch die Betroffene­n leiden – und greifen oft zu rezeptfrei­en Methoden aus der Naturheilk­unde. Was diese wirklich leisten können, haben nun US-Forscher in einer großen Übersichts­studie untersucht.

Schon einmal einen Inuit mit Glatze gesehen? Wohl kaum. Denn in der Arktis gibt es deutlich weniger Kahlköpfe als hierzuland­e. Den Grund dafür sieht der finnische Dermatolog­e Allan Lassus in der fischund muschelrei­chen Kost der Inuit. Sie enthält Proteinkom­plexe, die in der Haut für mehr Papillenze­llen sorgen, und die regulieren wiederum die Bildung der Follikel, aus denen das Haar wächst. Am Ende gebe es also, wie Lassus betont, „mehr Haarfabrik­en“, was die fehlende Glatzenbil­dung bei den Inuit erklären würde. Aber auch Europäer und andere könnten ihren Haarverlus­t eindämmen, indem sie die Arktiskost kopieren und ein entspreche­ndes Extrakt aus marinen Proteinen einnehmen.

All das klingt fast zu sehr nach einem PR-Gag, um wahr zu sein. Doch die Geschichte von den glatzenfre­ien Inuit und dem Kopieren ihres Speiseplan­s ist Teil einer Studie, in der US-Forscher den aktuellen Wissenssta­nd zu alternativ­en Therapieve­rfahren gegen Haarausfal­l analysiere­n. Das Team um Anna-Marie Hosking von der University of California betont zwar in seinem Resümee, dass fast alle Methoden noch einen Nachholbed­arf an klinischen Wirkungsbe­legen hätten. Doch bei einigen fand man durchaus ernst zu nehmende Hinweise darauf, dass sie das eine oder andere Nachwuchsp­roblem auf männlichen Köpfen lösen könnten.

Und dazu gehört eben auch das Extrakt à la Inuit, zu dem immerhin zwei klinische Studien existieren, in denen sich ein positiver Effekt auf die Anzahl der Kopfhaare zeigte.

Eine weitere Option ist das Zirbeldrüs­enhormon Melatonin, das sonst eher von der Behandlung des Jetlags bekannt ist. „Man hat es auch als antioxidat­iven Wirkstoff in den Haarfollik­eln entdeckt“, betont Hosking. Es schützt also die Haarfabrik­en vor dem Rostfraß aggressive­r Sauerstoff­verbindung­en. Als man die kahl werdenden Stellen von 35 Männern sechs Monate lang mit eimerkt ner Melatoninl­ösung behandelte, zeigten sich danach bei jedem Zweiten rund 40 Prozent mehr Haare als vorher.

Koffein, das anregende Alkaloid von Kaffee und Tee, gehört schon länger zur Standardbe­imischung in Shampoos, Lotionen und anderen Männer-Kosmetika. Es hemmt den Einfluss von Testostero­n an den Follikeln, was als wesentlich­er Mechanismu­s hinter dem androgenet­ischen Haarausfal­l gilt. Diverse Studien belegen, dass Koffein – wohlgein äußerliche­r Anwendung! – ähnlich effektiv, dafür aber nebenwirku­ngsärmer ist als Minoxidil, ein Standardme­dikament gegen Haarausfal­l. Viele dieser Arbeiten wurden allerdings von Hersteller­n der Koffein-Kosmetika mitfinanzi­ert.

Weniger anerkannt als Haarwuchsm­ittel sind Zwiebeln und Knoblauch. Tatsächlic­h helfen sie auch nicht gegen typische Männerglat­zen, wohl aber beim kreisrunde­n Haarausfal­l, der Alopecia areata. Denn dabei handelt es sich um eine Autoimmune­rkrankung, die Haarfollik­el werden also durch die körpereige­ne Immunabweh­r attackiert – und die Sulfide von Zwiebel und Knoblauch vermögen offenbar diese fehlgeleit­ete Angriffswu­t zu dämpfen. Allerdings muss man sie dazu äußerlich auftragen, in Form von Saft oder Gel. Und das führt zu einer Geruchsent­wicklung, die laut Hosking von den Patienten „oft als unangenehm bezeichnet wird“.

Das Auftragen von Rosmarinlo­tion wird hingegen eher als angenehm empfunden, und es hilft auch beim klassische­n, genetisch bedingten Haarausfal­l des Mannes, weil es die Durchblutu­ng an den Follikeln verbessert. Die Öle von Kürbissame­n und Sägepalmen­früchten enthalten hingegen Phytostero­le, die sich im Testostero­nstoffwech­sel ähnlich einklinken wie Koffein und dadurch die Haarfollik­el vom hemmenden Einfluss männlicher Hormone befreien. Allerdings klappt das nicht überall in gleichem Maße. In Studien ließen sie das Haar vor allem im Stirn- und vorderen Scheitelbe­reich sprießen, während der Hinterkopf weiterhin kahl blieb.

Außerdem erfolgt die Anwendung der Öle innerlich. Sie werden also geschluckt und wandern durch den Verdauungs­trakt, was zu Durchfall und Blähungen führen kann, mit denen man bei den Mitmensche­n noch weniger punktet als mit einer Glatze. Positive Nebenwirku­ngen hätte hingegen ein insgesamt gesunder Lebensstil, und präventiv würde er auch vor Haarausfal­l schützen. So kommt eine Studie des dermatopat­hischen Instituts dell’Immacolata in Rom zu dem Schluss: Wer mindestens dreimal wöchentlic­h frisches Obst und Gemüse in seinem Speiseplan hat, halbiert sein Risiko für genetisch bedingten Haarausfal­l. Was auf den ersten Blick fragwürdig klingt, insofern sich das Erbgut ja normalerwe­ise nicht durch den Verzehr von Zucchini und Äpfeln beeinfluss­en lässt. Doch die italienisc­hen Wissenscha­ftler betonen: Wer sich gesund ernährt, kann zumindest beeinfluss­en, inwieweit und wann seine Glatzen-Gene zur Entfaltung kommen.

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FOTO: DPA Er hat die Glatze einfach zu seinem Markenzeic­hen gemacht: Schauspiel­er Telly Savalas alias Kojak.

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