Glatzen mögen weder Koffein noch Knoblauch
Eine aktuelle Studie zeigt, was wirklich gegen Haarausfall hilft
Geheimratsecken, kahle Stellen am Hinterkopf oder sogar Glatze: Vier von fünf Männern bekommen es in ihrem Leben mit erblich bedingtem Haarausfall, der androgenetischen Alopezie, zu tun. Sie ist kein Zeichen von Krankheit. Doch die Betroffenen leiden – und greifen oft zu rezeptfreien Methoden aus der Naturheilkunde. Was diese wirklich leisten können, haben nun US-Forscher in einer großen Übersichtsstudie untersucht.
Schon einmal einen Inuit mit Glatze gesehen? Wohl kaum. Denn in der Arktis gibt es deutlich weniger Kahlköpfe als hierzulande. Den Grund dafür sieht der finnische Dermatologe Allan Lassus in der fischund muschelreichen Kost der Inuit. Sie enthält Proteinkomplexe, die in der Haut für mehr Papillenzellen sorgen, und die regulieren wiederum die Bildung der Follikel, aus denen das Haar wächst. Am Ende gebe es also, wie Lassus betont, „mehr Haarfabriken“, was die fehlende Glatzenbildung bei den Inuit erklären würde. Aber auch Europäer und andere könnten ihren Haarverlust eindämmen, indem sie die Arktiskost kopieren und ein entsprechendes Extrakt aus marinen Proteinen einnehmen.
All das klingt fast zu sehr nach einem PR-Gag, um wahr zu sein. Doch die Geschichte von den glatzenfreien Inuit und dem Kopieren ihres Speiseplans ist Teil einer Studie, in der US-Forscher den aktuellen Wissensstand zu alternativen Therapieverfahren gegen Haarausfall analysieren. Das Team um Anna-Marie Hosking von der University of California betont zwar in seinem Resümee, dass fast alle Methoden noch einen Nachholbedarf an klinischen Wirkungsbelegen hätten. Doch bei einigen fand man durchaus ernst zu nehmende Hinweise darauf, dass sie das eine oder andere Nachwuchsproblem auf männlichen Köpfen lösen könnten.
Und dazu gehört eben auch das Extrakt à la Inuit, zu dem immerhin zwei klinische Studien existieren, in denen sich ein positiver Effekt auf die Anzahl der Kopfhaare zeigte.
Eine weitere Option ist das Zirbeldrüsenhormon Melatonin, das sonst eher von der Behandlung des Jetlags bekannt ist. „Man hat es auch als antioxidativen Wirkstoff in den Haarfollikeln entdeckt“, betont Hosking. Es schützt also die Haarfabriken vor dem Rostfraß aggressiver Sauerstoffverbindungen. Als man die kahl werdenden Stellen von 35 Männern sechs Monate lang mit eimerkt ner Melatoninlösung behandelte, zeigten sich danach bei jedem Zweiten rund 40 Prozent mehr Haare als vorher.
Koffein, das anregende Alkaloid von Kaffee und Tee, gehört schon länger zur Standardbeimischung in Shampoos, Lotionen und anderen Männer-Kosmetika. Es hemmt den Einfluss von Testosteron an den Follikeln, was als wesentlicher Mechanismus hinter dem androgenetischen Haarausfall gilt. Diverse Studien belegen, dass Koffein – wohlgein äußerlicher Anwendung! – ähnlich effektiv, dafür aber nebenwirkungsärmer ist als Minoxidil, ein Standardmedikament gegen Haarausfall. Viele dieser Arbeiten wurden allerdings von Herstellern der Koffein-Kosmetika mitfinanziert.
Weniger anerkannt als Haarwuchsmittel sind Zwiebeln und Knoblauch. Tatsächlich helfen sie auch nicht gegen typische Männerglatzen, wohl aber beim kreisrunden Haarausfall, der Alopecia areata. Denn dabei handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung, die Haarfollikel werden also durch die körpereigene Immunabwehr attackiert – und die Sulfide von Zwiebel und Knoblauch vermögen offenbar diese fehlgeleitete Angriffswut zu dämpfen. Allerdings muss man sie dazu äußerlich auftragen, in Form von Saft oder Gel. Und das führt zu einer Geruchsentwicklung, die laut Hosking von den Patienten „oft als unangenehm bezeichnet wird“.
Das Auftragen von Rosmarinlotion wird hingegen eher als angenehm empfunden, und es hilft auch beim klassischen, genetisch bedingten Haarausfall des Mannes, weil es die Durchblutung an den Follikeln verbessert. Die Öle von Kürbissamen und Sägepalmenfrüchten enthalten hingegen Phytosterole, die sich im Testosteronstoffwechsel ähnlich einklinken wie Koffein und dadurch die Haarfollikel vom hemmenden Einfluss männlicher Hormone befreien. Allerdings klappt das nicht überall in gleichem Maße. In Studien ließen sie das Haar vor allem im Stirn- und vorderen Scheitelbereich sprießen, während der Hinterkopf weiterhin kahl blieb.
Außerdem erfolgt die Anwendung der Öle innerlich. Sie werden also geschluckt und wandern durch den Verdauungstrakt, was zu Durchfall und Blähungen führen kann, mit denen man bei den Mitmenschen noch weniger punktet als mit einer Glatze. Positive Nebenwirkungen hätte hingegen ein insgesamt gesunder Lebensstil, und präventiv würde er auch vor Haarausfall schützen. So kommt eine Studie des dermatopathischen Instituts dell’Immacolata in Rom zu dem Schluss: Wer mindestens dreimal wöchentlich frisches Obst und Gemüse in seinem Speiseplan hat, halbiert sein Risiko für genetisch bedingten Haarausfall. Was auf den ersten Blick fragwürdig klingt, insofern sich das Erbgut ja normalerweise nicht durch den Verzehr von Zucchini und Äpfeln beeinflussen lässt. Doch die italienischen Wissenschaftler betonen: Wer sich gesund ernährt, kann zumindest beeinflussen, inwieweit und wann seine Glatzen-Gene zur Entfaltung kommen.