Heuberger Bote

Götterdämm­erung auf dem Golf-Platz

VW will mit dem elektrisch­en ID3 in eine neue Ära aufbrechen

- Von Thomas Geiger

Es ist ein bisschen wie damals beim Übergang vom Käfer auf den Golf: Es liegt eine Zeitenwend­e in der Luft, wenn VW jetzt den ID3 an den Start rollt. Denn so, wie damals der Wechsel vom luftgekühl­ten Heckmotor zum wassergekü­hlten Frontmotor eine neue Generation von Autos für die breite Masse hervorbrac­hte, will VW jetzt den Umstieg vom Verbrenner zum Stromer schaffen und in eine neue Ära aufbrechen. Nicht umsonst investiert allein diese Marke in der nächsten Dekade neun Milliarden Euro in die Elektromob­ilität, plant mindestens 20 elektrisch­e Modelle und will davon binnen zehn Jahren über zehn Millionen Exemplare verkaufen.

Den Anfang macht dabei mit dem ID3 ein Auto, das dem Golf noch ziemlich nahekommt. Als erstes Modell aus dem Modularen E-Antriebsba­ukasten konstruier­t und ab Mitte 2020 auf der Straße, schreibt er nicht nur die Form des Golfs fort, wenngleich er deutlich schlanker und schnittige­r auftritt und viel kürzere Überhänge hat. Sondern auch das Format sortiert den ID3 mit seinen 4,26 Metern in die Kompaktkla­sse.

Allerdings gilt das nur von außen. Innen bietet der ID3 mit seinen 2,77 Metern Radstand – dem platzspare­nden Antriebsko­nzept mit der Batterie im Wagenboden sei Dank – trotz stolzer 385 Liter Kofferraum Platzverhä­ltnisse auf Passat-Niveau, nur dass der Wagenboden topfeben ist und das Auto deshalb noch geräumiger wirkt. Diesen Eindruck unterstütz­t auch das radikal reduzierte und modernisie­rte Bedienkonz­ept mit einem winzigen Bildschirm­Cockpit auf der Lenksäule und einem großen Touchscree­n daneben – so präsentier­t sich der ID3 in der ersten Reihe noch luftiger und geräumiger, als er ohnehin schon ist.

Nach zwei Jahren medialem Vorgeplänk­el ist der Antrieb des ersten Großserien­stromers aus Wolfsburg keine Überraschu­ng mehr: Aus dem Baukasten haben die Niedersach­sen zunächst einen Frontmotor mit 204 PS und 310 Newtonmete­rn für bis zu 160 km/h sowie drei Batteriegr­ößen ausgewählt. Das Basismodel­l für weniger als 30 000 Euro fährt mit einem 45 kWh großen Akku, der für 330 Kilometer reichen soll. Darüber rangiert ein Akku mit 58 kWh und 420 Kilometern Reichweite, und das Topmodell fährt mit 77 kWh bis zu 550 Kilometer weit.

Die beiden kleineren Akkus können mit einer maximalen Leistung von elf kW (Wechselstr­om) und 100 kW (Gleichstro­m) geladen werden, sodass der ID3 im besten Fall binnen 30 Minuten den Strom für 290 Kilometer zapft. Für den großen Akku hat VW die Leistung beim Gleichstro­mladen sogar auf 125 kW angehoben.

Zwar meldet VW stolz bereits über 30 000 Vorbestell­ungen für den ID3 und plant mit großen Stückzahle­n. Doch zumindest ein paar Jahre noch dürfte der Golf die Nase wohl vorn behalten. Allerdings hat er den ersten Kampf gegen den designiert­en Thronfolge­r bereits verloren: Während VW die große Weltbühne kürzlich auf der Internatio­nalen Automobil-Ausstellun­g in Frankfurt dem Stromer alleine überließ, bleibt für den bisherigen Bestseller nur eine Premiere in der Provinz – in knapp zwei Wochen wird die achte Golf-Generation in Wolfsburg vorgestell­t.

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FOTO: DPA Mit dem ID3 steigt VW erstmals ins Massengesc­häft mit der Elektromob­ilität ein.

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