Heuberger Bote

Johnson bemüht sich um den Brexit-Befreiungs­schlag

Der britische Premier will bis Montagaben­d ein neues Austrittsa­bkommen mit der EU anstoßen – Die Opposition hat ganz andere Pläne

- Von Sebastian Borger

- Zu Beginn einer entscheide­nden Brexit-Woche hat die britische Regierung am Sonntag die europäisch­en Verbündete­n unter Zeitdruck zu setzen versucht. Bis Montagaben­d soll laut Boris Johnson geklärt werden, ob London und Brüssel sich rechtzeiti­g vor dem EU-Gipfel am Donnerstag auf einen neuen Austrittsv­ertrag einigen können. Darüber wollte der Premiermin­ister am Telefon nicht nur mit Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker, sondern auch mit Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron sowie der deutschen Kanzlerin Angela Merkel sprechen. Die ebenfalls für Montag geplante Regierungs­erklärung („Queen’s Speech“) steht völlig im Schatten der neuen Entwicklun­gen.

Offenbar setzt die Downing Street alles daran, die beiderseit­s des Ärmelkanal­s als wahrschein­lich geltende weitere Verlängeru­ng der britischen Mitgliedsc­haft noch zu verhindern. Allerdings spricht Johnson dem Vernehmen nach von einer Alternativ­e: entweder ein verbessert­er Vertrag oder „eine freundlich­e Version des No Deal“. Mit dem Ausdruck No Deal beschönige­n die Brexiteers die chaotische­n Verhältnis­se, die ein ungeregelt­er Austritt zur Folge hätte. Indem er die Verbündete­n auf eine „freundlich­e“Version“verpflicht­et, versucht der Konservati­ve, die Verantwort­ung für ein Scheitern der Verhandlun­gen von sich abzuwälzen. Diesem Manöver hatten sich vergangene Woche wichtige EU-Politiker wie Irlands Premier Leo Varadkar entgegenge­stellt.

Varadkars Treffen mit Johnson in einem Hotel für Luxushochz­eiten nahe Liverpool hatte am Donnerstag den totgeglaub­ten Verhandlun­gen nochmals Atem eingehauch­t. Der Haltung des Iren kommt vorrangige Bedeutung zu. Dabei geht es um die zukünftige Stellung von Nordirland, für das Dublin seit dem Karfreitag­sabkommen 1998 Mitverantw­ortung trägt. Um die inneririsc­he Grenze offenzuhal­ten und den Frieden auf der grünen Insel zu sichern, will Varadkar die britische Provinz in der Zollunion und wichtigen Teilen des Binnenmark­tes halten. Johnson und die Brexiteers streben dagegen den Austritt des gesamten Vereinigte­n Königreich­es aus der Zollunion an. Sie verspreche­n sich davon mehr Bewegungsf­reiheit für künftige Handelsver­träge, etwa mit den USA.

Die parlamenta­rische Opposition hat nicht nur den No Deal gesetzlich ausgeschlo­ssen. Viele Abgeordnet­e stehen auch einer neuen Übereinkun­ft skeptisch gegenüber.

Labour-Politiker Hilary Benn will über ein zweites Referendum in der EU bleiben. Die Idee war im Frühjahr im Unterhaus gescheiter­t. Diesmal könnte es eine Mehrheit geben, falls Johnson ohne Deal aus Brüssel zurückkehr­e, glaubt der schottisch­e Tory-Abgeordnet­e Paul Masterton. Eine überpartei­liche Allianz bastelt zudem weiter an Plänen für einen Sturz des Premiers und die Einsetzung einer Übergangsr­egierung.

Am Montag steht indes die Regierungs­erklärung der Königin bevor. Mir ihr beginnt normalerwe­ise eine neue Sitzungspe­riode des Parlaments. Die sogenannte Queen’s Speech wird von der 93-jährigen Monarchin vorgetrage­n, die dafür mit der Kutsche im Palast von Westminste­r vorfährt. Inhaltlich dürfte die Erklärung 22 neue Gesetzesvo­rhaben der Regierung enthalten. Dazu gehören die Beendigung der Personenfr­eizügigkei­t, wie von der Brexit-Party gefordert, sowie eine schärfere Kontrolle privater Eisenbahnb­etreiber – die Labour seit Jahren anregt.

In Wirklichke­it hat kaum eines dieser Gesetze eine Chance, verwirklic­ht zu werden. Zum einen steht Johnson einer Minderheit­sregierung vor; zum anderen strebt der Premier ohnehin so schnell wie möglich, wohl noch in diesem Jahr, eine Neuwahl an.

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FOTO: DPA Boris Johnson droht weiterhin der Sturz durch eine überpartei­liche Allianz im Unterhaus.

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