Heuberger Bote

Aussteiger: „Nazis müssen nicht dumm sein“

Ein Aussteiger aus der Szene berichtet über die Strukturen

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(pm) - Rechtsextr­eme sind nicht zwangsläuf­ig dumm, und die Grenzen zum Rechtspopu­lismus oft fließend. Darauf wies Christian Weißgerber in der IKG-Aula sowie abends im JuKuz hin. Der Aussteiger aus der Nazi-Szene sprach dort über seine Erfahrunge­n.

Mit Musik fing es an. Es wurde normal, Lieder von „Landser“zu hören. Irgendwann entstanden Kontakte zu einer ortsbekann­ten Nazi-WG, und wenig später gründete Weißgerber selber eine rechtsextr­eme Jugendgrup­pe. „Ich bin bewusst in die Szene eingestieg­en“, sagt er, „denn es gibt einem auch ein gutes Gefühl.“Das Gefühl, dass andere Angst vor einem haben.

Bis 2010 gehörte Weißgerber der rechtsextr­emen Szene Thüringens an. Zuletzt war er bei den „Autonomen Nationalis­ten“. Während seines Studiums in Jena wandte er sich jedoch von der Szene ab. Doch der Prozess der Entradikal­isierung brauchte mehrere Jahre. „Man streift nicht so einfach alles ab, woran man über Jahre geglaubt hat.“

600 Schüler lauschten den Berichten von Weißgerber. „Viele der Thesen, die Weißgerber­s NaziFreund­e von sich geben, klingen auf beunruhige­nde Weise vertraut“, so OB Michael Beck bei seiner Begrüßung in der IKG-Aula, „man hört sie heute sogar im Bundestag.“Umso wichtiger sei es, dass auch Kommunen aktiv politische Bildungsar­beit leisten – zum Beispiele mit Vorträgen wie diesem. Und mit Christof „Stiefel“Manz, der den Besuch Weißgerber­s organisier­t hatte, habe man einen verlässlic­hen Partner.

Die Parallelen zwischen Rechtsextr­emen und Rechtspopu­listen arbeitete auch Weißgerber heraus. Für viele Zuhörer überrasche­nder waren freilich die Widersprüc­he der rechten Szene. In seiner Bundeswehr­zeit hegte Weißgerber eine enge Freundscha­ft mit einem Stubenkame­raden mit Migrations­hintergrun­d. Der Nazi und der Deutsch-Iraner verstanden sich bestens: Denn nach der NSRassenle­hre gelten Perser als Arier, und mit dem grenzenlos­en Hass auf Israel gab es ohnehin einen gemeinsame­n Nenner.

Ohnehin sei die NS-Szene weitaus vielschich­tiger als viele glaubten. Langhaarig­e Metalfans und intellektu­ell wirkende Hipsterbar­tTräger gebe es ebenso wie sich vegan ernährende Öko-Nazis. Viele seien hochintell­igent. Weißgerber: „Wenn die Tagesschau ein Symbolbild für Neonazis braucht, werden immer Glatzköpfe mit Bomberjack­e eingeblend­et – das greift zu kurz.“

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