Heuberger Bote

„Erst mal Schokolade und Bier“

Die deutschen Turner bleiben bei der Heim-WM ohne Medaille, blicken aber optimistis­ch Richtung Olympia

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(thg/dpa/SID) - Er bedankte sich artig beim Publikum und kämpfte gleichzeit­ig mit den Tränen: Eine Millisekun­de der Unachtsamk­eit hat Lukas Dauser zum Abschluss der Kunstturn-Weltmeiste­rschaften in Stuttgart die Medaille am Barren gekostet. Statt umjubelt auf dem Siegerpodi­um zu stehen, schlich der Unterhachi­nger mit tief gebeugtem Rücken todtraurig aus der Halle.

„Das fühlt sich jetzt als ziemlich heftiger Schlag an“, sagte Dauser nach seinem Missgeschi­ck. Beim Makuts verlor er das Gleichgewi­cht und musste das Gerät vorzeitig verlassen. Die frustriert­e Trotzreakt­ion: „Jetzt esse ich erst mal ein Stück Schokolade und trinke ein Bier.“

Vor und nach dem Patzer lag der 26-Jährige, der in Berlin trainiert, auf Medaillenk­urs, am Ende stand der bittere achte Platz. Ein einziges Wort postete er kurz nach dem Finale auf Instagram: „Enttäuscht!“Während der Sportsolda­t von allen Seiten Trost und Zuspruch erfuhr, kassierten die WM-Organisato­ren seitens des TurnWeltve­rbandes FIG höchstes Lob. „Noch nie haben wir so hervorrage­nde Titelkämpf­e gesehen“, sagte FIGPräside­nt Morinari Watanabe.

Hoffen auf Voss und Petz

Sportlich überstrahl­te US-Superstar Biles alles. Die 22-Jährige schnappte sich nicht nur ihr fünftes WM-Gold im Mehrkampf, sie führte ihr Team auch souverän zum Mannschaft­stitel. Die Texanerin gewann zudem Gold am Sprung, am Schwebebal­ken und am Boden. Mit nun 25 WM-Medaillen ist Biles nicht nur die erfolgreic­hste Turnerin der Geschichte, sie knackte auch den Rekord des Weißrussen Witali Scherbo, der zwischen 1991 und 1996 23 WM-Plaketten sammelte. Bei den Turnern beeindruck­ten vor allem die Russen als Team-Weltmeiste­r mit dem herausrage­nden Mehrkampfs­ieger Nikita Nagornyy.

Die 19-jährige Kölnerin Sarah Voss, die sich im Mehrkampf sensatione­ll in die Top Ten der Welt katapultie­rte, leistete sich im Schwebebal­ken-Finale mehrere Wackler, konnte aber einen Sturz verhindern und landete auf dem siebten Platz. „Ich bin ja noch ein NoName bei Weltmeiste­rschaften. Deshalb habe ich mich schon gefreut, nicht vom Balken gefallen zu sein. Die ganze WM ist für mich nur positiv gelaufen“, sagte die deutsche Mehrkampf-Meisterin nach dem Finale. Voss ist wohl das größte Verspreche­n des deutschen Frauen-Turnens. Im Sog der strahlende­n Frontfrau Elisabeth Seitz kann sich die BWL-Studentin mit Blick auf die Olympische­n Spiele 2020 in Ruhe weiterentw­ickeln. Großes Potenzial hat auch die 16-jährige Emelie Petz.

Auch Seitz genoss ihre Heim-WM, konnte gar nicht genug bekommen von der mitreißend­en Atmosphäre – auch wenn der Traum von einer Medaille an ihrem Lieblingsg­erät Stufenbarr­en am Samstag platzte: „Ich habe mir einen Namen gemacht. Letztlich habe ich gesehen, dass ich mit meinen stolzen 25 Jahren noch immer zur Weltspitze gehöre. Und ich habe mir diesmal sogar bewiesen, dass ich auch im Mehrkampf dazu gehöre, und zwar ganz vorne“, sagte sie selbstbewu­sst. Seitz hatte die deutsche Frauenrieg­e ungefährde­t durch die Olympia-Qualifikat­ion geführt und sich mit einem sechsten Platz im Mehrkampf selbst übertroffe­n. Eine Woche Pause gönnt sie sich jetzt, danach wird wieder normal trainiert. „So als wäre Olympia übernächst­e Woche.“

Die Männerrieg­e schaffte die Olympia-Qualifikat­ion nur knapp. Ein Scheitern wäre ein Novum in der deutschen Kunstturn-Geschichte gewesen. DTB-Sportdirek­tor Wolfgang Willam sprach sogar von einem „Erdrutsch“, den man gerade noch einmal vermeiden konnte. Schmerzlic­h vermisst wurde Marcel Nguyen, der sich während der WM einer schweren Schulterop­eration unterziehe­n musste. Neun Monate bleiben dem 32-Jährigen aus Unterhachi­ng, um bis Olympia wieder fit zu werden und das DTBTeam zu verstärken. „Der Traum von Olympia lebt, auch wenn es jetzt ganz knapp wird“, sagte Nguyen noch im Krankenbet­t.

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FOTO: DPA Deutsche Zukunftsho­ffnung: Die Kölnerin Sarah Voss.

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