Neue Regeln betreffen Amtsblattsbeschluss
Bundesgerichtshof betont: Gemeinde darf keine presseähnlichen Organe herausgeben
- Der Gemeinderat hat die Wiedereinführung beschlossen – aber ein Amtsblatt mit vielen bunten Bildern und einer presseähnlichen Aufmachung und Berichterstattung wird es nach dem Beschluss der höchsten Richter des Bundesgerichtshofs vom Dezember 2018 nicht mehr geben. Das war in der Debatte bisher zu kurz gekommen. Diese drehte sich vor allem um die Gründe, die zur Abschaffung im Jahr 2016 geführt hatten, nämlich zugespitzte bis polemische politische Auseinandersetzungen zwischen den Fraktionen und zwischen Bürgermeister und Gemeinderäten und Parteien.
Der Spaichinger Gemeinderat hat am 30. September grundsätzlich die Wiedereinführung des Amtsblatts mit den Stimmen der FDP, der Freien Wähler und der Enthaltung der CDU gegen die Stimmen von Pro Spaichingen und der Grünen beschlossen. Danach gab es Kritik der Grünen an der Haltung der CDU und eine Stellungnahme der CDU in dieser Zeitung. Diese verweist sogar kurz auf das neue höchstrichterliche Urteil und zitiert die Betonung der staatlichen (und damit gemeindlichen) Öffentlichkeitsarbeit der Richter des Bundesgerichtshofs. Aber: Das Urteil betont auch unmissverständlich, dass es sich hier ausschließlich um die Angelegenheiten handelt, die in den Kompetenzbereich der Gemeinde fallen (etwa wichtige Planungen und Vorhaben und die dazu bestehenden Auffassungen der Fraktionen). Aber: „Allgemein bedeutsame Angelegenheiten“, über die die Gemeinde in einem Amtsblatt informieren kann, „regeln insbesondere kein allgemeines Informationsrecht der Gemeinden. Allgemein bedeutsam ist nicht gleichzusetzen mit allgemein interessierend“, so die Richter in ihrem Urteil.
Auslöser war eine Klage eines Presseverlags gegen die Stadt Crailsheim durch alle Instanzen gewesen, die Bundesrichter entschieden letztinstanzlich die Revision der Stadt gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 3. Mai 2017 und wiesen sie ab mit einer ausführlichen Begründung. Die Richter betonen, dass sich aus dem Pressefreiheits-Paragrafen des Grundgesetzes Folgendes ergibt: „Paragraf 5 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes („Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“) enthält nicht nur ein subjektives Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe in die Pressefreiheit, sondern garantiert als objektive Grundsatznorm die Freiheitlichkeit des Pressewesens insgesamt (...) Der Staat muss in seiner Rechtsordnung überall, wo der Geltungsbereich einer Norm die Presse berührt, dem Postulat ihrer Freiheit Rechnung tragen (...) eine freie, nicht von der öffentlichen Gewalt gelenkte, keiner Zensur unterworfene Presse ist ein Wesenselement des freiheitlichen Staates und für die Meinungsbildung in einer Demokratie unentbehrlich. Die Presse steht als Verbindungsund Kontrollorgan zwischen dem Volk und seinen gewählten Vertretern“, so die Bundesrichter.
Dass die Öffentlichkeitsarbeit des Staates beschränkt sein müsse, sei auch wichtig für die Neutralität der Kommunikationsprozesse. Die Richter betonen bei dieser klaren Abgrenzung der Aufgaben des Staates einerseits und der Presse und ihrer Rechte andererseits, dass sich daraus auch ableite, dass eine Gemeinde kein presseähnliches Organ herausgeben dürfe. Dieses Konstrukt war beim Stadtspiegel gegeben. Hier war Bürgermeister Hans Georg Schuhmacher verantwortlich für den gesamten redaktionellen Teil, inklusive der Fotoseiten und der Vereinsbeiträge. Nun solle mit dem Nussbaumverlag, der das Nachfolgeorgan „Spaichinger Woche“in eigener Verantwortlichkeit herausgibt, verhandelt werden, ob die Bedingungen noch dieselben seien. Das dürfte nach dem Gerichtsurteil von 2018 in dieser Form aber gar nicht mehr erlaubt werden.
Warum gerade jetzt wieder ein Amtsblatt eingeführt werden soll – ein gutes halbes Jahr vor der nächsten Bürgermeisterwahl? Und warum die auch von Bürgermeister Schuhmacher als Grund zitierten Bedürfnisse der Bevölkerung, die Bilderseiten Kurt Glücklers sehen sowie den Service der Vereine lesen zu können nicht durch die „Spaichinger Woche“und die Tageszeitung befriedigt sein soll, wurde nicht erläutert.
Genau solche Beiträge seien eben nicht Angelegenheit des Staates. Die Grenzen zulässiger staatlicher Kommunikation sei klar erreicht bei „allgemeinen Beiträgen über ortsansässige Unternehmen, die Bewertung privater Initiativen oder die allgemeine Beratung der Leserinnen und Leser. Ebenso sind rein gesellschaftliche Ereignisse etwa aus den Bereichen Sport, Kunst und Musik in der Regel keine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung und kein zulässiger Gegenstand gemeindlicher Öffentlichkeitsarbeit.“
Das Thema ist natürlich nicht nur für Spaichingen relevant, sondern betrifft alle Amtsblätter. In einer Fachpublikation wurde gar über ein „Ende der Amtsblätter“überhaupt spekuliert.