Viel Spannung, wenig Qualität?
Sieben oder acht Teams jagen Bayern München – doch die enge Spitze wirft Fragen auf
(SID/falx) - Ein Titelkampf im XXL-Format, wie er sich derzeit in der Bundesliga andeutet, schmeckt Max Eberl prächtig. Natürlich vor allem, weil der Sportdirektor von Borussia Mönchengladbach gerade als Tabellenführer an der Spitze der Nahrungskette steht. Glückwünsche von Bayern-Präsident Uli Hoeneß zur ersten Tabellenführung seit acht Jahren erhielt Eberl nicht. „Das braucht er auch nicht. So wie ich Uli kenne, wird es ihn extrem wurmen, wenn andere Vereine vor ihm stehen. Da habe ich auch nicht mit einer Nachricht gerechnet“, sagte Eberl.
Aber da ist noch mehr. Die besten sieben Mannschaften rangieren innerhalb von zwei Punkten, der Rekordmeister aus München nur auf Rang drei: Jahrelang lechzten Fans und weniger finanzstarke Vereine nach derart viel Spannung und nach der Chance auf die Schale – alles könnte vor dem 8. Spieltag also nicht besser sein. Doch im selben Moment macht sich ein flaues Gefühl im Magen breit. Bedeutet Verlust der Dominanz eventuell weniger Qualitätserhöhung, sondern schlichtweg lediglich eine Schwächephase gleich aller Favoriten?
Eberl zumindest findet es erst mal super. „Jetzt haben wir sechs, sieben, acht Mannschaften, die sehr eng zusammen sind. Das bleibt auch so, denke ich“, sagte Eberl der „Sport Bild“. Und er hat einen Plan: „Dadurch steigt die Chance, dass andere Mannschaften dem FC Bayern gefährlich werden. Die Bayern müssen sich diesmal nicht nur auf einen Verein konzentrieren, der angreift, sondern vielleicht auf mehrere.“Im Rudel sollen sie sich also alle auf Bayern stürzen, damit am Schluss einer als Meister durchkommt. Das klingt reizvoll, ist aber nicht ganz zu Ende gedacht.
Denn selbst in England, mit seiner Premier League und den sogenannten „Big Six“– über Jahre ein Musterbeispiel für einen hochklassigen Meisterkampf mit vielen starken Kandidaten – hat sich der Wind gedreht. Der FC Liverpool und Manchester City sind den anderen vier (Tottenham Hotspur, FC Arsenal, FC Chelsea und Manchester United) enteilt, sie suchen sich ihre Gegner auf Augenhöhe in der Champions League, wo auch die Bundesligisten gerne eine große Rolle spielen würden, es aber in den vergangenen Jahren nicht taten. Auch das ist bei aller Freude um die aktuelle Ausgeglichenheit in Deutschland in den Köpfen der Verantwortlichen.
So wirbt beispielsweise Peter Bosz, Trainer vom momentanen Siebten Bayer Leverkusen, für eine starke und kompakte Spitze: „Bayern wird sich wieder absetzen. Sie haben die höchste Qualität. Und es ist auch wichtig für die Liga, dass es eine oder zwei Top-Mannschaften gibt. Die können international in der Spitze mithalten.“Zusammengefasst: „Nivellierung im Fußball ist in dieser Hinsicht ein Nachteil.“
Eberl sieht das etwas anders: „Oft heißt es, dass die Qualität fehlt, wenn viele Mannschaften auf Augenhöhe sind. In der Champions League zeigt sich aber jetzt, dass die Qualität der deutschen Mannschaften hoch ist.“
Als Beispiel führt Eberl den 7:2Sieg der Bayern gegen Tottenham, das 0:0 von Borussia Dortmund (derzeit gar nur Bundesliga-Achter mit vier Punkten auf Gladbach) gegen den FC Barcelona oder den 2:1-Erfolg von RB Leipzig bei Benfica Lissabon an. Selbstverständlich sind dies Stichproben, die es zu bestätigen gilt.
Zudem war der Sieg der Bayern gegen Tottenham zwar überragend, aber auch gewissen Umständen geschuldet. So vergaben die Londoner zum Start drei aussichtsreiche Chancen, so wäre das Spiel ohne das Tor von Joshua Kimmich eventuell in die andere Richtung gekippt. Hinzu kommt die Bilanz der vergangenen Königsklasse. Die deutschen Ergebnisse waren so enttäuschend, dass einzelne Erfolge das erst einmal nicht wettmachen.
Für Jörg Schmadtke, Sportdirektor des Tabellenzweiten VfL Wolfsburg, sind aber gerade die letzten Ergebnisse der Bayern Grund zur Freude. „Wenn ich Bayern gegen Tottenham sehe, dann ist das ein Zeichen der Qualität“, sagte er jüngst bei „Wontorra On Tour“auf Sky: „Weil Bayern in der Tabelle nämlich nicht wegmarschiert ist, so wie Liverpool in England, sondern weil sie nicht einmal Erster sind, sondern in Anführungszeichen nur Dritter.“
In der Tabelle weilen die Münchner direkt neben dem Überraschungsvierten SC Freiburg, dessen Trainer Christian Streich bei jeder Gelegenheit richtigerweise betont, Punkte gegen den Abstieg zu sammeln. Was das bedeutet, darf sich jeder selbst beantworten.
„Die Bayern müssen sich diesmal nicht nur auf einen Verein konzentrieren, der angreift, sondern vielleicht auf mehrere.“